Heilfroh sein: PP59, 2. Dezember 2013:: Montag. Traumschiff 7 und Gedichte (Die Brüste der Béart 9).

[Pfitzner, Violinkonzert op.34.]


Es gibt Jahreszeiten, die sich fürs Sterben nicht eignen. Zum Beispiel ist der Herbst dafür falsch. Obwohl es dann so viele Menschen tun. Doch auch der Winter ist nicht richtig. Wohingegen, im Frühjahr fortzugehen oder im Sommer, etwas von einer Hand hat, die einen noch ein Weilchen hält, bevor man sich löst. Um einen zu beruhigen, vielleicht ein bißchen zu streicheln, so daß man es schließlich gar nicht mehr schlimm findet, sondern sogar möchte: loslassen. Ich muß darüber aber noch nachdenken.
(17. Juli.)

Heilfroh, daß ich für nach dem Sterbebuch drei weitere, drei wieder pralle Romane im Kopf habe, bzw. plane. Ich erzählte es einer Freundin: wie das Traumschiff meinen Vitalismus dämpft, daß ich kontemplativ würde, was auch bedeutet, daß sich besonders der Sexualtrieb zurückzieht, das Bedürfnis fast von mir abfällt, so, wie Lanmeister ruhig schaut, so, wie er, hat er die Tabletten genommen, den Schmerz nur noch „weiß“, nicht mehr spürt. Wobei zu wissen allerdings a u c h eine Empfindung ist, aber keine unmittelbare mehr, sondern wir bekommen sie wie etwas mit, das sich hinter einem Vorhang bewegt. Ich übernehme seine, Lanmeisters, Wahrnehmungsweise, und das bereits nach den ersten niedergeschriebenen Seiten. Dazu gehört eine ständige Beschäftigung mit dem Altern: über es nachdenken, ihm vorausfühlen.


Das strahlt auf die Gedichte aus. Ein Altern-Gedicht entworfen:

Daß das Altern die Larve der Liebe trug –
konnte er’s ahnen, der Mann?


Gestern lange daran herumgeprokelt, einfach aber nur, um wieder in diesen, wie ich’s nannte, „Gedichte-Modus“ zu fallen, der dem Traumschiff auf der einen Seite nicht unähnlich, doch auf der anderen völlig anders ist, weil es eben nicht um Geschichten geht. Dazu die noch unveröffentlichten Gedichte und die Gedichtentwürfe durchgesehen, die ich Göttinseidank ausgedruckt und abgeheftet habe; einiges davon hatte ich wirklich vergessen, anderes schwelte ständig in meinem Halbbewußten: vor allem die Zyklen (Béart, Mauern Amelias, Geburt Europas, die Souffrière-Erinnerungen).
Insgesamt, das Wollen geht zurück, eine Art Abgeklärtheit übernimmt mich; ich kann aber nicht einschätzen, inwieweit das wünschenswert ist. Man möchte sich eigentlich nicht mehr wirklich bewegen. Das gibt einem Ruhe, aber es hat auch etwas mir stark Unangenehmes. Ich dachte gestern: mich nicht mehr äußern, vor allem nicht politisch. Sondern kommen lassen, was kommt, und es gehen lassen; es nur anschauen, interesseloses Wohlgefallen, wie Kant sagt. Sagte. Schrieb. Sich aber nicht mehr äußern, eben, sondern herauslesen, wie man Beeren erntet, was die nächste Dichtung braucht, und die soeben entstehende. Still wählen. Dagegen, ich las aus einem der Béart-Hymnen vor. Nahezu sofort stand wieder der Schwanz, entlud sich wenig später. Aber ich fiel in die Melancholia gleich wieder zurück.


Das Traumschiff ist wirklich gefährlich.

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Neigung zur Nachlässigkeit.
Schweifen wollen ohne Willen.
Gut, daß ich den Sport wieder aufgenommen habe, vorhin anderthalb Stunden lang ohne Pause geschwommen bin von zehn nach sechs bis zehn nach halb acht.
Bewegung und Meditation.
Eine zähe, weil buchhalterische Arbeit muß heute erledigt werden. Langwierig und darum lästig, aber ein Alltags- und insofern Anspruch der Lebendigkeit, der den subdepressiven Wunsch, sich um nichts mehr als um die Dichtung zu kümmern, rigide unterläuft. Man kann ihn, diesen Anspruch, „rentenneurotisch“ nennen. Und gleich noch so eine Arbeit fällt mir jetzt ein, die auf jeden Fall in diesem Dezember erledigt werden muß.
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3 thoughts on “Heilfroh sein: PP59, 2. Dezember 2013:: Montag. Traumschiff 7 und Gedichte (Die Brüste der Béart 9).

  1. Mein Bedürfnis … … mal grundsätzlich über das Traumschiff zu reden, wächst stetig.

    Vielleicht verstehe ich ja was nicht, aber aus allem, was Sie dazu im Dschungel mitteilen, scheint da ja sowas wie ein Einverständnis mit dem Tod bzw. dem bevorstehenden Sterben zu herrschen. Das erstaunt mich sehr, denn meine Haltung ist ganz anders.

    Ich will nicht nur nicht sterben, wer will das schon, vor allem aber weise ich den Tod auch ausdrücklich zurück, denn ich halte ihn für eine Frechheit, für eine Anmaßung, eine Beleidigung für den Geist. So wie es auch Alter und Sichtum schon ist!

    Das Leben gilt es doch zu singen! Ich halte es in dieser Hinsicht ganz eindeutig mit meiner Großmutter, die drei Minuten bevor sie starb, zwischen ihrem dritten und vierten Herzanfall, den Satz sprach: “Egal wie dreckig es einem geht, die Hauptsache ist, dass man lebt.”

    Hat niemand auf dem Traumschiff solch eine Regung? PHG

    1. @PHG zum Traumschiff. Im Prinzip derselben Meinung. Aber das poetische Vorhaben ist ein anderes; es geht eben gerade um das Sterben, und zwar eines als einen Teil des Lebens. Und als solcher um ein akzeptiertes.
      Es ist ein utopisches, vielleicht auch illusionäres Vorhaben, doch will dem Siechtum und den Heimen eine menschlich schöne Erzählung entgegensetzen. Mehr mag ich hier aber nicht schon verraten. Näheres also lieber “privat”.

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