HEUTE ABEND IN FRANKFURT AM MAIN. Argo.Anderswelt. DIE ZWEITE ÖFFENTLICHE PRÄSENTATION. Am Abend des Mittwochs, dem 9. Oktober 2013, welcher der erste Frankfurter Buchmessentag dieses Jahres.


Frankfurtmainer Premiere

ARGO. ANDERSWELT.

In Lesungen und Gesprächen.


Mit Harry Oberländer und ANH,
sowie dem Verleger Ingo Držečnik.



9. Oktober 2013.
>>>> Hessisches Literaturforum im Mousonturm.
Waldschmidtstraße 4.
60316 Frankfurt am Main..
20 Uhr.
(Vorbestellungen unter 069/24449941.)

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2 thoughts on “HEUTE ABEND IN FRANKFURT AM MAIN. Argo.Anderswelt. DIE ZWEITE ÖFFENTLICHE PRÄSENTATION. Am Abend des Mittwochs, dem 9. Oktober 2013, welcher der erste Frankfurter Buchmessentag dieses Jahres.

  1. Frankfurter Nach(t)lese Meßtag I, welcher dem Skribenten aber zugleich α et ω.

    Meßtage sollen stets zur Einkehr und meditativen Beschau des eigenen Lebens dienen. Diese erquickende Wirkung entfalten sie, indem sie sich, gemäß einem althergebrachten Bilde, wie das Leben selbst darbieten: nämlich in Gestalt einer Schiff-Fahrt. Man durchquert Rotwein-Oceane am Kap d’Arco, navigiert beim Glasenschlag durch Grappa-Syrten, um gelegentlich in der sicheren Bucht der Elfenbeinküste vor Anker zu gehen. Leeseits immer der Wind literarischer Neuentdeckungen. Derer gab es einige zu verzeichnen, russischer, armenischer, afrikanischer und gelegentlich auch deutscher, stets aber lyrischer Natur. Daß die Argo nunmehr ebenfalls an der Elfenbeinküste angelandet ist, darf als hinlänglich bekannt gelten. Daß dortselbst aber auch nach zwei lusitanischen Großtaten mit diesem nur äußerlich und vermeintlich augenzwinkernden BAND ein Werk von Camoes-Übertragungen ans Licht gegeben wurde, welches Metronome barocker Herzen mühelos beschleunigen dürfte, brachte dem Skribenten denn doch eine freudige Überraschung ein.
    Mit den übrigen Meßtags-Irrfahrten sei der Nachtleser verschont, erwähnt sei nur noch, daß der Skribent ab und an per Galeere den ehrwürdig ergrauten venezianischen Verlags-Dogen(1) aufsuchte, dessen helle Augen fortwährend auf Kunstwerke zu blicken das standesgemäße Privileg genossen. Mancher beklagte sich über einen allzu ruhigen Meßtag, doch z u viel Volks will man ja auch nicht treffen, zumal wenn man, wie der Skribent, aus einem beschaulichen Winkel Süddeutschlands angereist ist.

    Durch Nacht und Eis, getarnt als Vorabend und Nieselregen, ging es sodann zur das Tagwerk beschließenden Dichterlesung ins Landesinnere. Es trafen zusammen: Nebst dem Dichter eine höchst elegante Dame, beide virtuell rauchend, i.e. aktuell dampfend; UF, der seinen Humor dabei, den Virenzoo aber glücklicherweise in der Anderswelt gelassen hatte und umstandslos anzeigte, es handele sich – und dies im Grundsätzlichen – um eine Getränkefrage; die charmante Lydia Böhmer und der große Paulus Böhmer, groß in beiderlei Gestalt, denn er saß, mächtig, gleich einem (freilich poetisch risikofreudigeren) Gerhart Hauptmann des einundzwanzigsten Jahrhunderts, und sprach… Noch aber nicht, sondern vornehmlich nach der Lesung, die in meiner Relation aber noch gar nicht begonnen hat. Ferner anwesend: die Frankfurter Goetheaner – und ich meine die echten, jene, die Faust nicht nur lesen sondern auch schreiben, mit stillen und laufenden Bildern versehen, kurzum: virtualisieren; sowie eine Reihe hier ungenannt bleibender klarer Köpfe, die allesamt, wie der gastgebende Mousontürmer zum Glockenschlag und mit Recht verkündete, „die richtige Entscheidung getroffen“ hatten. Denn seien wir ehrlich: Wer wollte an diesem Abend schon einen Großempfang oder einen Kehlmann aufsuchen oder sich einer mora philologica hingeben? – Denn es las ANH.

    Und er las: Nullgrund, fast zur Gänze. Und ob das Stück auch gleich dem Skribenten bereits bekannt war, wirkte es auf ihn, vermittels der Lesestimme dieses Dichters, noch so packend wie einstmals in der – Gott hab’ sie selig – Weiß’schen Universitätsbuchhandlung. Und er las: das Gespräch mit den Kindern vor der Nebelkammer. Hier fand die äußerst lakonische Behandlung des sog. Realismus die vollste und nickende Zustimmung Arno Schmidts. – „Wie denn? Der war auch zur Lesung gekommen?“, mag der kritische Nachtleser hier einwerfen? Oh ja, und nicht nur persönlich sondern sogar in effigie bargfeldiana. Genickt hat er jedenfalls, das konnte der Skribent aus seiner halbrechts zur Bühne verschobenen Perspektive deutlich erkennen, auch Augebrauen gehoben, Lippen gespitzt und etwas gemurmelt wie „Nur die Phantasielosen flüchtn sich in die Realität und kommen – wie billich – darin um.“ Und er las (ich meine ANH, nicht AS) von der Totenfeier für einen Holomorphen. Wie das gehen solle, Todesriten für eine virtuelle Person? Der geneigte Nachtleser möge Argo. Anderswelt aufschlagen, dann wird er sehen. Den Skribenten jedenfalls setzte gerade diese Passage mit ihrer höchst dichten Beschreibung, ihrem Ausloten des Humanen auch im vermeintlich Ahumanen und einer obendrein für die Anderswelt-Handlung unerhörten Schluß-Pointe in einen Zustand, welchen Wolfart sofort als tierischen Magnetismus diagnostiziert hätte,(2) wenn er anders den Weg ins Literaturforum gefunden hätte. Abermals waren es Stimme, Intonation, ja lebendige Darstellung des Poeten, welche diese animalisch magnetisierende Wirkung ausübten. Wie lange er las? Man vermag es nicht zu sagen, wohl aber, daß man noch Stunde um Stunde weiter hätte lauschen mögen, wie Josaphat einst dem Barlaam. – Und ich frage die Deutschenbibliothekare, die Ton- und Klangmeister: Wie kommt es, daß hier ein Dichter mit seiner Stimme berückt, es aber gleichwohl keine ausführliche Einspielung seiner Werke, von ihm selbst gelesen, gibt? (Die Goetheaner seien hier nicht vergessen, doch auch sie bieten nur ein Kleines an.) Wie kommt es, so frage ich, daß wir stattdessen leicht präjudizierbare Erfolge des litterarischen Marktes im Nu als sog. Hörbuch vorgesetzt bekommen, zum mehrsten Teil lust- und kunstlos abgeleiert von kehlkopflahmen Thespiskärrnern?

    Auch diese Lesung verklang mithin unaufgezeichnet. Gleich einem wohl temperierten Instrumente musste der Dichter ein wenig ausschwingen, wobei man allgemein zur geselligen Polyphonie überging, grundiert vom basso ostinato des gemelten Böhmer. Während dem Skribenten die Lesung allmählich aus den Ohren, welche sie besetzt gehalten, wie einst das Wachs die Ohren an den Gefährten des Ulixes, aus den Ohren also in die Zunge wanderte und diese zu binden begann, wie gemelten Ulixes einst an den Mastbaum seines Schiffes, welches auf solche Weise mit dem symbolischen Schiffe des Meßtags in Eines zu verschmelzen drohte, während also kurzum: der Skribent gebannt beim ausgeschenkten Weine saß, klärte die Runde vieles auf: warum D*** G*** poetisch und gemessen an seiner technischen Begabung zu wenig wage; warum D*** Sch*** fortan besser, auch aus Gründen der telegenen Wirksamkeit, braune Krawatten tragen solle; wie es sich eigentlich verhalte mit der Beziehung Kunst und Leben, welche Rolle die Totalität eines Kunstwerkes spielen müsse oder dürfe; warum zum Kunstwillen das reziproke Gegenüber des Rezeptionswillens kommen müsse, wo es gelte, dem Vorwurf, Kunst sei „schwierig“, zu begegnen. Etc. pp.

    Es ist im Felde der Akademischen Literärgeschichte seit einiger Zeit modisch geworden, in allerhand Dichtung (vornehmlich verblichener Poeten) zu erkennen, wie (sich) dort ein Subjekt riskiere.(3) Und hier saßen mindestens zwei Subjekte und zugleich Poeten, die ihr Sich ganz real und mit Fleisch auf den Knochen riskierten und weiter riskieren! Wer nur Augen hat, zu sehen…

    Nur die neidischen Verkehrsmittel im Revier hinderten den Skribenten, solchem Symposion weiter beizuwohnen. Doch wollte er selbiges, das Verkehrsmittel nämlich, um keinen Preis verpassen, wie es vor Zeiten seinem Bekannten mit einer verschleierten Schönen gegangen. Und obgleich der Christophorus als Schutzherr der Reisenden des letzteren Gunst mit dem jüngsten Faszikel der Wallmoden’schen Neuesten Nachrichten und einer ebenso polyglotten wie schizophrenen Begegnung zu erlangen versuchte, brachte es der spätere Abend doch nur zu einem dénouement.

    So weit. Vigilia finita.

    (1) Dem kritischen Nachtleser sei angezeigt, daß besagter Doge hier als „venezianisch“ bezeichnet werden muss, um ihn vom Haupt der ehrwürdigen Seerepublik Genua zu unterscheiden, welches ebenfalls diesen Titel führte. Vide Bottolius, Hist. ducum reip. zenov., tom. I, praef..

    (2) Vide Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen, Theorie und Anwendung des thierischen Magnetismus als die allgemeine Heilkunde zur Erhaltung des Menschen. Mit dem Bildniß des Verfassers und 6 Kupfertafeln, ed. Karl Christian Wolfart. Berlin: Nikolai 1814, II. Abth., 13. Kap., 4. Anwendung, 2. Abs..

    (3) Die hier ungrammatische Parenthese wird dem getreuen Zitat des oft gebräuchlichen Titels solcher gemelten Abhandlungen, die hier anzuführen nicht Not tut, geschuldet.

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