Wieder Gedichte schreiben. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 1. August 2013. Zur Dreizahl: Das Leben als einen Roman betrachten (13).

9.50 Uhr:
[Arbeitswohnung. Noch keine Musik.
Nachher: Mozart (späte Sinfonien, Bruno Walter).]

Höre ich konsequent, wie gestern den Beethoven, einen Komponisten „durch“, kommt irgendwann der Zeitpunkt einer sehnenden Assoziation, steigt irgendwann das Bewußtsein seltsamer, doch organischer Verwandtheiten; manchmal bifurkiert sich das. So gestern spätabends, als ich aus Beethoven IV (oder war es XIII?) plötzlich das Bedürfnis hatte, Tschaikowski I zu hören. Was mich abhielt? Wahrscheinlich die Titeltung der Sinfonie: „Winterträume“. Mir ist nach Sommer. Dennoch werde ich diesen frühen Tschaikowski nachher anhören… – Gibt es eigentlich ein spezielles Wort für akustische Lektüre? Man müßte es bilden.
Wonach ich dann tatsächlich griff, waren die späten Mozart-Sinfonien unter Bruno Walter, CBS-Pressungen aus den Siebzigern von für Walters auch späten Aufnahmejahre faszinierender Klangqualität; er starb 1962 im Alter von 86 Jahren. Ich hörte aber nur seine „Haffner“, dann wollte ich die Nachbarn nicht mehr stören, und nach Kopfhörern war mir nicht. – Komisch, daß ich auf Mozart kam, der mir oft zu sehr rokokotet, also tändelt. Seine späten Sinfonien aber gehen in Beethovens frühe über wie Mütter und Väter in Töchter und Söhne.
Als Ruhe war, begann ich das erste Amelia-Gedicht. Heute morgen, nach dem mit acht Uhr zu spätem Aufstehen (wiewohl ich doch um Mitternacht im Bett lag), nahm ich es als allererstes wieder vor, eilte, mußte nur ein Weniges umstellen, und ein Wort mußte hinzu, und >>>> da steht es nun. Sofort, nachdem ich es eingestellt hatte, begann ich das zweite:Hier sind auch die Wände Mauern
Hier ist kein fugenloses Weiß
Nichts ist hier glatt wie Glas
Daran werde ich gleich weiterschreiben. Wie in den meisten meiner Gedichtzyklen will ich auch hier jedes Gedicht in möglichst anderer Form haben, von klassisch gebundenen bis zu „modernen“ freien Rhythmen. Wie viele Texte es werden, weiß ich freilich noch nicht.
Aber noch ein weiteres Wort ist zu ersetzen, aber das, das es ersetzt, erst zu finden. Der Klappentext von Argo schreibt von „Herbsts traditionsreichem Protagonisten Hans Erich Deters“; mich stört das „traditionsreich“ immens, weil ja nur ausgedrückt werden soll, daß Deters in meinen Romanen schon oft eine Rolle, nicht selten eine führende, gespielt hat, nicht aber, daß daraus eine „Tradition“ erwachsen ist – das geht schon deshalb nicht, weil Traditionen keine individuellen, sondern kollektive Erscheinungen sind. Einen Begriff aber brauche ich, weil ich es umständlich und unangemessen fände, ausholend zu erzählen, und in einem Klappentext meist bereits ein Relativsatz zu weit ausholt. Also darüber muß ich, wechselweise mit dem Gedicht, nachgrübeln. Vielleicht kommt mir >>>> Freund Schulzes Gewohnheit zupaß, die Arbeit an Übersetzungsaufträgen immer wieder mit eigener Lektüre, derzeit Jean Pauls, zu durchsetzen.
Zweiter Latte macchiato, zweite Morgenpfeife. Noch ist das Bett nicht gemacht.
Bis etwa zwölf arbeiten, dann zur Fußpflege (dringend, nach dem häufigen Barfuß der Reise), danach zehn Kilometer Laufen durch den Friedrichshain. Das Training nahm zu viel Zeit, oft bis zu drei Stunden täglich; also muß ich das reduzieren. Es geht ja auch nicht mehr ums Abnehmen, das ist abgehakt. Neue, bereits begonnene Planung: Jeden Tag anderthalb Stunden zuzüglich Anfahrt, also runde zwei, und zwar alternierend Schwimmen, Krafttraining, Laufen. Vielleicht mal je einen Tag Pause zwischen den Dreiergruppen. Und wieder: die Drei. Ich trage am Finger die Triskele:
,

die auch im Wappen Siziliens die Grundfigur ist:

Alles webt sich ineinander: die Dreieinigkeit, meine Sexualität und die Rhythmen meiner poetischen Formen, das dialektische Modell als Grundform eines nicht-binären Denkens: zu A und non A kommt noch ein mögliches A hinzu. Wobei ich mir klar darüber bin, daß eine solche Lebensauffassung ihrerseits poetisch ist, also fiktiv, denn die „Wahrheit“ ist, daß Leben jäh abreißen, ohne daß sie ein Formgebot erfüllt hätten, nicht einmal, meistens, das der Schönheit. Die Geschehen erfüllen sich nicht, sie geschehen einfach und hören einfach auf. Aber wir können versuchen, eine Form hineinzuprojezieren und sie dadurch werden zu lassen.

Daß er f o r m t, ist eben das Menschliche, Menschengemäße; genau deshalb spricht das Haus der Kulturen der Welt vom >>>> Anthropozän. Als ich gestern darüber nachsann, kam mir momentlang der Gedanke, daß Argo dessen letzten Ären erzählt – aber ich verwarf ihn schnell wieder, weil es auch n a c h Argo weitergeht. Dennoch ist etwas an ihm, was stimmt. Im übrigen schreibt >>>> Gustaw Herling von einem Unterschied zwischen „lieben“ und „bewußt lieben“:Dann ging er mühelos vorwärts und glaubte, durch das Rauschen in den Ohren hindurch einen reinen beruhigenden Ton, der von unten heraufkam, zu hören. Vielleicht war es das Blut in seinen Adern, dessen Rhythmus auf geheimnisvolle Weise mit dem Pulsschlag der Insel übereinstimmte, der Insel, auf der er geboren wurde und die er früher mit bewußter Liebe geliebt hatte.
Herling, >>>> Die Insel, S. 47.

„Mit bewußter Liebe lieben“. Aber die eigentliche Kraft hat hier das „von unten herauf“. Es ist eigentümlich, welche Macht Sätze aus Novellen und Romanen erlangen können, wenn man sie aus der Gesamterzählung herauslöst.

In einem Monat wird Argo da sein. Noch fasse ich es nicht wirklich:

An das zweite Mauerngedicht:Hier ist ein Leben in den Fugen
Hier allerwo ein Wimmeln

9 thoughts on “Wieder Gedichte schreiben. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 1. August 2013. Zur Dreizahl: Das Leben als einen Roman betrachten (13).

  1. diese gewaltige poetische kraft koko kot und die dreibeinigkeit meiner sexualität. allerwo ein wimmel, hebts wümmeln die wemmeln, wies spasti spastet. noch erfasse ichs nicht ganz.

    1. no pasaran.

      @ profi : erreichen sie profil, verlieren sie womöglich andersweitig profil u.nd andersweitig

    2. sie haben es halt noch nicht ganz begriffen, was es heisst sich ein griechengottkostümchen überzustreifen und ein wenig 12 ton singerei dazu zu veranstalten oder klassich modern zu cantieren zur differenz zu allem anderen, was sich die rübe einhauen kann, ist es mal zu bühnenreife gelangt 🙂
      ( like heino oder scooter bis rammstein / castorff / hagen )

    3. profi : manche mögen frauen, manche mögen gutaussehende frauen … und manche mögen ganz besondere frauen ( mein frauentyp ist nicht scharf definiert : er reicht :: mein frauetyp von flint, katja bis becker, meret – da gibt es weder vor noch dazwischen und danach )
      gut, jetzt oute ich mich als lesbe.

      naja.chickthessen

    4. okey, da lass ich noch ariane sommer, die sehr bis äussserst frühe skunk anansie und mein covk ou veins ran ( run )

    5. das problem könnte doch vorest darin begründet sein, dass die vulva imgrunde keine gliedgrösae sucht.
      vielleicht nähmaschinenfreuquenzen.
      vielleicht einen kopf über dem glaqnskopf.
      und wie einfach differnzier das scgon daherzukommen vermag.

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