[Arbeitswohnung. Massiaen, Quatour pour la fin du temps.]
Verzahnungen. Auf der Aufnahme spielt den Klavierpart Barenboim, der musikalische Herr des Hauses, in dem ich das Stück vorgestern >>>> von „seinen“, jetzt, Musikern hörte. Es macht stolz, nein, mich glücklich, wenn ich, wie gestern fast gegen Mitternacht, zu einer Musikkritik einen Brief Beteiligter bekomme; ich weiß dann, ich schreibe nicht gegen die Wand. Aber zitieren möchte ich daraus nicht, würde es vielleicht Ihnen gegenüber, Leserin, tun, nicht aber darf ich‘s ganz im allgemeinen. Die Grenzen des Privaten werden durch die Zustimmung gesteckt.
Allerdings, mittags rief mich meine Redakteurin wegen des Gerichtsvollzieher-Hörstücks an, das ja immer noch, sozusagen, herumliegt, und jetzt, sie verstehe das selbst nicht, gefalle es ihr mit einem Mal. Ja, sie habe sich Zeit gelassen und anderer Produktionen wegen lassen auch müssen, es wiederzuhören, und da aber… – Nur die einmontierten Werbeclips, nach wie vor, störten sie immens: zu plakativ, zu eindeutig, zu bekannt auch als Verfahren. Ob es dafür nicht doch eine andere Lösung gebe?
Wenn ich etwas Abstand habe, kann ich mich auch von mir in der Arbeit liebgewordenen Ideen wieder trennen, ohne daß es wirklich wehtut; dann habe ich auch schnell immer andere Ideen. So auch in diesem Fall. Also lassen Sie sich überraschen. Das Ding strebt jetzt seinem Ende zu. Vielleicht werde ich noch heute wieder drangehen, vielleicht erst morgen, vielleicht aber auch – in der Serengeti. Denn ich werde wieder einmal dahinfahren; es ist mir hier einfach zu kalt. Wenngleich heute strahlend, in mein Gemüth, die Sonne über das Eis dieses Frühlings scheint. Wer, übrigens, verstehen will, weshalb die scharfe Kälte tatsächlich mit der globalen Erderwärmung zu tun hat, d.h. ihre Folge ist, die und der mögen sich einfach vorstellen, daß, wenn in der Arktis das Eis zurückgeht – und das ist der Fall – mehr offene Meeresfläche Sonnenenergie aufnehmen kann. Das tut sie und erwärmt die direkt drüberliegenden Luftschichten, die aber, als eben wärmere, nun aufsteigen, so daß unter ihnen die kalten Luftschichten frei zu uns herströmen können. Das nun genau tun sie. – Erschreckend einfach, diese Zusammenhänge.
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. Ganz so, noch, geht es in >>>> Jan Kuhlbrods Sieben-Tage-Projekt n i c h t zu, jedenfalls noch nicht, und w i e es zugehen kann, können Sie mitbestimmen, sofern Sie zu den dort gestellten Fragen mitkommentieren. Wär schön, wenn Sie‘s täten; ich meinerseits tu‘s und >>>> weise gerne darauf hin. Solche Projekte leben von der Teilnahme ihrer Leser. Bedenken Sie dafür, daß der Mythos, um den es geht, unser aller ist.
Mit Freund L in der schriftlichen Diskussion wegen meiner musikphilosophischen Positionen, die er zum Teil falsch findet und nahezu immer dann, wenn ich den „Pop“ erwähne; er: „Dein ceterum censeo Pop“. Leider mag er sie, die Diskussion, nicht offen in Der Dschungel führen. Das ist für sie schmerzlich, weil genau daran – L steht ja nicht alleine – die Idee einer öffentlichen ästhetischen – und auch ideologischen – Diskussion scheitert und daß sich an ihr nicht nur einige Leser, sondern auch die je Mitwirkenden beteiligen, Musiker:innen, Regisseur:inn:e:n, Bühnenbildner:innen usw. Kritiken, die nur, selbst wenn sie n i c h t urteilen, urteilen, um dann zu Nächstem überzugehen, sind mir zu wenig. Vielmehr sollen sie ein Fortschreiten und Fortschreiben ästhetischer Wege sein, ihrerseits schließlich Kunst, über die ebenfalls gesprochen, diskutiert usw. wird. Was wir sehen, hören, fühlen, denken im Prozeß eines Kunstwerks, prägt ja; wo es aber nicht prägt, war es vergebens, war dann nichts als Unterhaltung. Die hat ihr Recht, bedarf aber keiner gesondert intensiven Auseinandersetzung, wie jede Kritik es ist oder doch sein sollte. Auch über Filme, die ich der Ablenkung, Besänftigung, wassen auch immer wegen sehe, schreibe ich nicht; so nicht über Musik, die ich höre, um meine Stimmung zu heben; ich schreibe ja auch nicht über Whirlpools, egal, wie angenehm sie mir sind. Ich finde es schön, daß es Whirlpools gibt und sitze gerne drin; drüber raus ist drüber nichts zu sagen. Eine Kritik zu Whirlpool-Musiken, Whirlpool-Literatur, Whirlpool-Filmen und Whirlpool-Bildern erschöpft sich in der Versicherung, man hab‘ sich gut darin gefühlt. Punkt. (Ein andres ist ihre ideologische Einschätzung: wofür soll das SichWohlFühlen dienen? – also politisch, zum Beispiel. In d e r Hinsicht, aber nur in ihr, lohnt sich eine Auseinandersetzung.)
Um jetzt wieder auf Reihe zu kommen – ich stand tatsächlich wieder erst um Viertel vor acht auf, schlief wieder bewußt, ohne den Wecker zu stellen, ein -, muß ich meine Tage erneut zu strukturieren anfangen. Die Argo-Verse kosten sehr viel Zeit; außerdem ist das Hörstück abzuschließen, sowie das nächste, zu Neapel, vorzubereiten. Wenn ich einfach so in den Tag hinein sinne, mich – ecco Pop!, meinem – allabendlich „ablenkend“, dann ist das alles nicht zu schaffen. Und mittlerweile liegen hier fünfsechs Entwürfe neuer Gedichte herum. Darüber hinaus ist der Herbst weiterzuplanen, die Argo-Lesungsreihe; ich müßte Angeboten hinterhertelefonieren, zumal ich – fürs ebenfalls dafür nötige „Sozializing“ – die Messe Leipzig >>>> habe sausen lassen. Und >>>> bei Kuhlbrodt möchte ich mit weitersprechen. Dazu die Lektüren, bei denen ich aufpassen muß, daß sie nicht einfach liegenbleiben. Ich habe genug durchgehangen, man glaubt gar nicht, wieviel Kraft es kostet, sich „zu entspannen“, wieviel Lebens- und also Schaffensenergie das absaugt, viel mehr, als wenn ich mich mal wieder ärgere oder verletzt oder wütend bin und ausflippe. Das, vielmehr, g i b t Kraft.
Luben Yordanoff – Albert Tétard – Claude Desurmont – Daniel Barenboim:
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