Wieder in Berlin. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 12. Februar 2013. Und rein in die Arbeit.


Aus dem Gabinetto segreto.
Museo archeologico nazionale, Napoli.
10.05 Uhr:
[Arbeitswohnung.]

Leider sieht man die Ziegenzunge nicht; nie zuvor sah ich eine Zunge so verklärt blicken. Doch eigentlich war ich einer anderen Figur wegen in dieses Museum gegangen:

Jedesmal wieder bin ich entzückt, und mein Herz schlägt.

Das tat es weniger, als wir in Schönefeld landeten und dick die winterliche Brühe über dem Land lag. Gestern morgen aber schien uns die Sonne von Napoli hinterhergezogen zu sein, so daß es zwar immer noch nicht leicht ist, wieder in die Arbeit zu finden, aber doch der Schmerz deutlich sich mildert. Wobei heute schon wieder die Brühe über der Stadt hängt.
So bin ich etwas konfus. Das >>>> Gerichtsvollzieher-Hörstück müßte abgeschlossen werden, nur ist in Köln derzeit Karneval, und nichts geht außer ihm. Dennoch gestern mit der Redakteurin telefoniert, privat, weil im Funk erwartungsgemäß niemand abnahm. Die Frage, die sich auch prinzipiell stellt, ist, wie geht man damit um, wenn Menschen aus Sorge, sie könnten sich selbst damit schaden, keine Auskünfte geben, in „meinem“ Fall die Gerichtsvollzieher, die quasi alle erst die vorgesetzte Abteilung fragen wollten, ob sie sprechen dürften, und entweder haben sie das schließlich nicht getan oder aber die Abteilung hat schlichtweg nein gesagt, möglicherweise juristischer Bedenken wegen. Also hatte ich nach Gedächtnisprotokollen meiner Gespräche die Gericvhtsvollzieher-Aussagen in Rollenprosa umgeschrieben und dann Schauspieler sprechen lassen. Das ist zu hören; der Ton wird nach Theaterart künstlich. Ich sage dies im Hörstück auch, indem ich einen Absagebrief und meine Antwort auf ihn zitiere. Die Ebene des „rein“ Dokumentarischen wird entsprechend verlassen. Nun möchte meine Redakteurin in der Redaktion genau darüber eine Diskussion führen: inwieweit dies nicht generell ein Weg sei, mit solchen Problemlagen umzugehen, oder ob man funkseitig eher von solchen Problemlagen Abstand nehmen müsse, d.h. auf einen großen Teil der jedenfalls journalistischen Feature-Arbeit verzichten. So hat meine Arbeit witzigerweise etwas angestoßen, das als Problem ohnehin, erzählte mir die Redakteuerin, immer wieder aufgetreten war und auch weiterhin auftreten wird. Eine andere Arbeit, die ich für den Rundfunk vorhabe und die die Redakteurin auch gerne realisiert sähe, wird davon ebenfalls betroffen sein. Dazu dann später einmal, in der, denke, ich, zweiten Jahreshälfte. Vorher möchte ich an das Neapel-Hörstück und das Hörstück zum >>>> Giacomo Joyce.

Vordringlich ist allerdings >>>> die neue Erzählung, an der ich heute weiterschreiben will. Und muß. Erst am späten Nachmittag werde ich aus Köln erfahren, inwieweit ich an dem Gerichtsvollzieher-Hörstück noch etwas modifizieren soll. Und ich habe eine Frist für die Steuererklärung gesetzt bekommen, die ich schon habe verlängern lassen. Das Ding muß also auch noch dazwischengeschoben werden. Imgrunde habe ich gar keine Zeit, mich wieder zu akklimatisieren. Und aus Neapel habe ich fünf Stunden O-Töne mitgebracht, die protokolliert werden müssen. Allerdings werde ich, im Mai oder Juni, noch ein zweites Mal hinreisen, dann allein, um weitere Töne heimzuholen und vielleicht das Stück selbst direkt vor Ort zu schreiben. Vor allem brauche ich Hitze dazu; die gab es nun Anfang Februar nicht.

Guten Morgen, erst einmal.

11.56 Uhr:
[Verdi, Rigoletto mit Rootering, Aragall, Weikl und Popp.]
Daß ich mal den jüngeren Verdi höre! Aber ich muß irgenwie einen Schnitt machen; es geht nicht so einfach zu Pettersson und nicht zu Britten zurück. UF hatte mir die Aufnahme geschickt.
Neapel ist wie eine Zeit zwischen zwei Ären und hat sich als Klapptür über die Yüe-Ling-Erzählung gelegt – eine verschlossne, und ich hab den Schlüssel verlegt. Also erstmal alles wieder lesen, was schon da ist; vielleicht auch noch mal alles umwerfen. Dafür ein nur begonnenes, nie fortgesetztes Gedicht entdeckt, zwischen dem und der Erzählung ich hin- und herklicke:

Über den Mond steigen aber

gut die Füße heben bei den Flaggen die nicht wehen
können weil sie starr überm Staub vergessen stehen
so wie die Meere aus denen die delphinen Spindeln kamen
die im nassen Spreu der sinkenden Sonne den Samen
(…)

Was hatte ich erzählen wollen? Die Musik hebt mich auf ein Floß, das über den Assoziationen zwar schwankt, aber nicht wirklich voranzukommen scheint. Und >>>> Sigurd Wendland will mich malen, schrieb er heute früh. Eigenartiges Ansinnen, zu dem ich überhaupt kein Verhältnis habe.

Die Neapeljournale <<<<

3 thoughts on “Wieder in Berlin. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 12. Februar 2013. Und rein in die Arbeit.

  1. Nach einem ersten (zugegeben noch flüchtigen) Rundumblick auf Wendlands Website beschleicht mich der Eindruck, dass Sie sich für das Porträt werden entkleiden müssen, lieber ANH. Ich schlage vor, den Sitzungen im Atelier auch eine Ziege beizufügen!
    Herzlich, Ihre
    Miss TT

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