Abebbend nochkrank. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 3. Dezember 2012. Mit einer Note zum Deutschen Literaturfonds. Verlust des Lichts am Nachmittag.

9.47 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Versuchsweise wieder am Schreibtisch, seit einer halben Stunde. Noch aber keine Lust auf den Latte macchiato, nur auf die Morgenpfeife; dazu Erkältungstee, wenngleich ich „erkältet“, außer vielleicht symbolisch, gar nicht war. Ich mag nicht mehr liegen, zumal ich im Bett keine zehn Seiten Text am Stück schaffe, ohne wieder sofort müde zu werden oder abgelenkt und dann anderes zu tun; ich kann im Bett ja nicht mal lesen, konnte das noch nie. Also zwar mich ausschlafen lassen, die Löwin weckte um halb neun, aber Nötigstes getan dann, vor allem in der saumäßig aussehenden Küche. Überhaupt sieht hier alles nach Schweinestall aus. Ich habe gestern nacht vergessen, mich um den Ofen zu kümmern, weshalb er heute morgen erloschen war; das bißchen Restglut langte zur Neuentflammung nicht; neu eingeheizt also, ebenfalls eben. Die Kacheln sind aber noch warm.
Jetzt wenigstens zehn Seiten Argo, dann unter die Dusche, „Organe aufwärmen“, wie man in Japan sagt, dann sehen, ob es mit dem Schreibtisch weiterhin geht, ansonsten noch mal langlegen.
Mein Junge soll heute noch nicht herkommen, möglicherweise bin ich noch ansteckend. Ich schwitze sowas sowieso lieber alleine für mich aus, bin da wie ein Tier, das sich verkriecht, bis der Zustand ausgestanden ist. Immerhin ist das Arbeitsjournal eine Schlinge, die ich an die Außenwelt geknüpft hab und das Seil, durch das ich verbunden bleibe. Wer dran zieht, merkt, daß ich da bin; Grund zur Besorgnis besteht nicht.
Argo.

In der Post gefunden, bereits jetzt, die erneute Absage vom Deutschen Literaturfonds: Das Kuratorium habe in seiner letzten Herbstsitzung beschlossen, daß sich abgelehnte Bewerber erst wieder nach Ablauf eines Jahres neu bewerben dürften. Auf diese Weise schützt man sich vor Arbeit, schon kapiert. Mir ist nur nicht ganz klar, ob ein solcher Beschluß nicht eigentlich einer Satzungsänderung bedarf, aber bin zu müde, um das zu überprüfen, ja ärgere mich nicht einmal. ‘s geht halt alles seinen literaturbetriebssozialistischen Gang.

15.56 Uhr:
Argo bis TS 335, dann wurde ich wieder müde, nachdem ich überdies ein wenig gegessen hatte, legte mich wieder und schlief tatsächlich sofort ein und fast drei tiefe, von Träumen durchwühlte Stunden hindurch, in denen ich versuchte, Die Dschungel zu einer Zeitschrift zu machen, die in einem Buchladenfenster ausdekoriert werden sollte, was abermals ich selbst unternahm. Hatte dazu einen Umschlagsentwurf, auf dem ein Schädel zu sehen war, nur seine Knochen, und oben drin ein Gehirn. Die Rückseite zeigt die Hinterseite des Schädels, komischerweise aber ohne das Gehirn. Man versuchte, mich daran zu hindern, ganze Exemplare, die ich ausgedruckt hatte, wurden gestohlen, aber ich wehrte mich nicht, sondern druckte immer neu aus. Letztlich blieb das Schaufenster nicht leer, nein, aber es wirkte immer wie ausgeräubert provisorisch. Einiges andere geschah, ich weiß aber nicht mehr was.
Jetzt wieder am Schreibtisch, etwas benommen, was daran liegen kann, daß ich keinerlei Kaffee zu mir genommen habe – „bedöst“ kann man diesen Zustand nennen. Die Pfeife macht einigermaßen klar. Der Ofen brennt wieder gut, strahlt enorme Wärme aus. Ich versuche, wieder etwas zu arbeiten.
Spannende Metrik-Diskussion >>>> dort. Und in Faust-Kultur steht >>>> ein anfangs sehr guter Artikel Sieglinde Oerhleins, der leider, sowie sie auf die Inszenierung-selbst zu sprechen kommt, konventionell wird und schließlich sogar, dramaturgisch, wegbricht.
Also Argo:Er war einsam geworden. Ja, man würde ihn feiern, wenn es gelang. Falls nicht, wäre er Verbrecher. Wäre ein Monstrum. Das wußte er und nahm es inkauf, setzte die eigene Auslöschung ein – doch, was ihn schlimmer treffen würde: die sei­ner alten Firma.

16.23 Uhr:
Und schon ist es wieder dunkel draußen. Sowas geht aufs Herz. Man hat das Gefühl von Verlust.

3 thoughts on “Abebbend nochkrank. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 3. Dezember 2012. Mit einer Note zum Deutschen Literaturfonds. Verlust des Lichts am Nachmittag.

  1. Der Lauf der Dinge Schade ist das. Solche literaturbetriebssozialistische Gänge gehörten richtungsverändert. Herbst-Sitzung freilich paßt. Weiterhin: gute Besserung.

  2. Der „Lauf der Dinge“? Man könnte höchstens ‚Dumm gelaufen‘ dazu sagen. Allerdings steht ganz unten als letzter Eintrag unter Aktuelles auf der Seite des Lit-Fonds tatsächlich:

    „Das Kuratorium hat außerdem beschlossen, dass abgelehnte Bewerber sich ab sofort erst nach Ablauf eines Jahres erneut bewerben können.“

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