Das Argo- und Galouye-Journal des Dienstags, dem 17. April 2012. Mal wieder mit der Schule.

8.40 Uhr:
[Arbeitswohnung.]

Keine Ahnung, weshalb: aber um halb sieben erst aufgewacht. Sogleich, freilich mit dem Latte macchiato, an den Schreibtisch und in einem Zug die heikle Passage, von der ich >>>> gestern erzählte, fertigbekommen. Jetzt steht sie. Bin also auf der Argoseite 425 und mache jetzt wieder handschriftlich weiter, bis 12.30 Uhr, wenn‘s an das Cello gehen soll. Galouye dann am Nachmittag bis zum Abend: da will ich heute umformatieren auf mein „normales“ Handformat, das Gerüst einkopieren und vielleicht schon die Sprecher zuordnen, so daß die Rohfassung des Typoskriptes damit fertig sein wird. Ist viel Arbeit, ich muß mich also ranhalten. Der Abend soll wieder dem Wallenstein gelten.
Paar Kleinigkeiten zwischendurch: Post, Geld, Briefe. Und der Junge selbstverständlich. Mal sehen, wie die Lateinarbeit ausgefallen ist, die heute zurückkommt. Es sind, denke ich, Entscheidungen zu treffen, noch bevor das Schuljahr zuende geht. Die Hauptsache ist, daß der Bursche lebt, springlebendig ist. Was mir nie aus dem Kopf geht und mir das Herz schnürt, ist die Aussage seiner Lehrerin: Heute haben Kinder keine Freizeit mehr, wenn sie aufs Gymnasium gehen. Danach müssen sie und Sie sich verhalten. So viel Affirmation! Ich selbst war konzentationsunfähig auf dem Tagesgymnasium, nicht konzentrationsunfähig an sich, denn ich schrieb ja bereits, und viel. Aber ich mußte wollen. Bei meinem Jungen wird das nicht anders sein. Sein Umgang mit dem Cello jetzt ist ein gutes Beispiel. Seit er die neue Lehrerin hat, die aber auch die ganze vergangene Quälerei nicht erlebt hat, dieses NichtGeübtHaben, dauernd die Noten vergessen oder sogar verschludern, was eine(n) wirklich nerven kann, sondern diese neue Lehrerin hat ihn nur einmal öffentlich spielen gehört, und er hatte da diesen Ton, seither bekommt er Bestätigung um Bestätigung, und seither übt er. Viel mehr, als er „müßte“. Ich könne mir gar nicht vorstellen, wie ihm das Instrument gefehlt habe, als er jetzt bei seiner Großmutter war – „nächstes Mal nehme ich das Cello mit“.
Es geht also darum. Problematisch ist freilich auch, daß die Lehrerin und ich uns deutlich ungrün sind; der Junge spürt selbstverständlich, daß ich ihr keine Autorität zugestehe. Das war von Anfang an so, seit sie nämlich bei der Einschulung der Neu-Gymnasiasten als einzige Lehrerin nicht da war und hinterher sagte, sie habe die Einschulung „ganz vergessen, tut mir leid“. Ich hab gedacht, ich hör nicht richtig. Meines Jungen Mama auch.
Mein Junge wird sich eines Tages, wie ich tat, seinen eigenen Plan machen. Ich begegnete meiner Konzentrationsschwäche mit Selbstdisziplinierung durch unbedingte Vornahmen. Die literarischen Projekte halfen: daß sie so umfangreich waren und daß ich sie wollte. Das Abendgymnasium kam dazu, auch das wollte ich. Am Tagesgymnasum war ich Fünfer-Schüler, blieb zweimal sitzen, flog. Mein Abi machte ich mit 1,1. Da war ich aber schon 26, hatte ein deutliches Ziel – selbstgewählt. Es war mein eigener Druck, eigene Selbstverantwortung, und so ist es geblieben; übte jemand von außen Druck auf mich aus, bin ich immer störrisch gewesen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Bei ihm wird das ähnlich sein, ihn wird einmal etwas anderes treiben. Und Training fokussiert, am Cello merkt er‘s schon und sagt es auch.

Weiterarbeiten. Dazu den zweiten Latte macchiato.

19.35 Uhr:
So, das Galouye-Typoskript ist in Erster Fassung fertig. Es gibt nur das Problem, daß ich eine Reihe von Einzelstimmen brauche, die nicht viel zu sprechen haben; eine Aufnahme im Studio wäre dafür schlichtweg zu kostenintensiv. Also werd ich mir mal wieder was überlegen – zumal ich ohnedies mit dem Gedanken spiele, im Studio nur solche Passagen aufzunehmen, die unbedingt eine trockene Akustik brauchen, also hervorgehobene Zitate. Bin im Moment noch unsicher, muß auch noch einmal ganz lesen, am besten auf dem Papier, und die benötigten Zusatzstimmen gesondert notieren. Und für eine Stimme habe ich eine Idee – und sie auch bereits so ins Skript geschrieben -, die ich Ihnen nicht verraten möchte, um Ihnen die Überraschung nicht zu verderben, nicht das Erstaunen, nicht die Ergreifung, wie ich sie mir vorstelle. Vorausgesetzt, die Passagen werden auch richtig gesprochen. Die nun gehören ins Studio. Vorher aber werde ich sie auch hier schon mal aufnehmen – das braucht mehr Vorbereitung als anderes, damit das sitzt und nicht danebengeht.

Leider kamen mein Junge und ich nicht zum Duospielen; er hockte zu lange über der Berichtigung seines Deutsch-Aufsatzes. So werde ich jetzt für mich allein noch etwas dahinspielen, dann mein Abendessen erwärmen und zur Wallenstein-Lektüre übergehen.

(Bin abgespannt. Mit dem Mittagsschlaf war‘s nichts. Plötzlich, ich war kaum weggedöst, ging die Türklingel. Ich hin. Niemand mehr da. Aber ich war wach.)

23.25 Uhr:
Bis eben gelesen, werde auch noch weiterlesen. So:

Aber mußte eben das DTs für morgen schreiben, sah auch nach der Post. An sich hätte ich morgen gern die ersten O-Ton-Aufnahmen gefertigt (Spaziergang Unter den Linden bis Friedrichstraße, in sie hinein und ums Eck zum und über den Gandarmenmarkt zu Max Plancks Showroom), aber das alte Cello wurde heute nicht abgeholt, und ich möchte außerdem meinen Mittagsschlaf haben, der heute entfiel. Also Donnerstag oder Freitag; besser: Freitag, denn donnerstags bin ich mittags mit meinem alten verehrten Lektor essen, den ich gerne überzeugen möchte, daß er das Lektorat von Argo übernimmt. Dann wäre die gesamte Trilogie aus einem Guß.
Jedenfalls wäre mir wohler als mir jetzt, nach Abschluß der ersten Typoskriptfassung, sowieso schon ist, wenn ich die wichtigsten Töne schon im Kasten hätte.

Weiterlesen, bis eine halbe Stunde nach Mitternacht, denk ich. Oder nur noch eine halbe Stunde. Mal sehn.

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