4.50 Uhr:
Arbeitswohnung.
(Erster Latte macchiato.)
Bis neun Uhr an Argo gearbeitet, vorgedrungen bis TS 398 oben; morgen überschreite ich die 400er, was aber noch nicht die Hälfte ist. Dann den heutigen Argo-Auszug fertiggemacht und >>>> eingestellt, dabei die im Netz entdeckten Fehlerchen dort, aber gleich auch im Haupttyposkript korrigiert.
Bestätigung der Rezension Sillig kam; kurzer Mailwechsel mit Schock/SF:
eigentlich legen wir Wert auf einen O-Ton in jedem Beitrag (falls möglich). In diesem Fall habe ich mich von Ihrer Begeisterung anstecken lassen. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie keine Lust oder Zeit haben, von einem Autor, den Sie rezensieren, einen Oton einzuholen.
Na ja, der Autor lebt in der Schweiz. Das würde entweder sehr teuer, oder ich muß Töne vom Telefon nehmen. Was geht, klar. Nur: Wird das dann nicht eine Personality-Show, die mit dem Buch wenig zu tun hat? Ein Autor ist nicht sein Text, sondern, wenn der Text gut ist, kommt er ganz ohne den Autor aus. Der stört eher den Blick.
Denke ich.
Bevor ich wieder an den Galouye gehe, sind zweidrei Briefe zu schreiben und zur Post zu bringen; eine private Sendung nämlich eilt.
Die >>>> Mißstimmung von gestern ist verflogen. Ich sprach ein wenig mit der Löwin darüber. Es sei auffällig, daß mich sowas immer dann heimsuche, wenn ich Abstand von meinem Schreibtisch nähme. „Eine einzige Rezension der Elegien in FAZ oder der Süddeutschen würde das Problem beheben. Je älter man wird, desto schwerer ist es auszuhalten, wenn man nicht gewürdigt wird.“ Womit sie recht hat. Dabei ist die Sache lächerlich, im Grunde; ich weiß ja genau, wie das Feuilleton funktioniert und nach welchen simplen Kriterien genannt und nicht genannt wird. Dennoch leidet das Ansehen, auch für einen selbst.
Das hört sofort immer auf, wenn ich in meinen Texten bin, mit ihnen umgehe, an ihnen arbeite; dann ist alles andere egal, ja: eitel. Nicht aber, wenn man die enge Verbindung zur Arbeit löst und gleichsam auf sich und seine Stellung wie auf etwas Fremdes schaut: auf die, gewissermaßen, eines anderen, den man einschätzt. Dann geht es los mit der Bitternis.
Die Konsequenz daraus? Sich so wenig wie möglich von seiner Arbeit entfernen, dem nicht nachgeben, daß man auch mal Urlaub braucht oder, wie heißt das? – Freizeit. Braucht man nicht. Sie ist sogar schädlich, für die Seele nämlich, wenn sie nicht kaputtgehen will. Es läßt sich nicht mitten in einem Gefecht mal eben ein Spaziergang durch das Grüne machen.
Mit UF einiges über Halle und Naumburg hin- und hergemailt. Es wäre nämlich d o c h von >>>> meiner kleinen Reise ein bißchen was zu erzählen.
Lehrreich und gut nachzuvollziehen: „Das hört sofort immer auf, wenn ich in meinen Texten bin, mit ihnen umgehe, an ihnen arbeite; dann ist alles andere egal, ja: eitel. Nicht aber, wenn man die enge Verbindung zur Arbeit löst und gleichsam auf sich und seine Stellung wie auf etwas Fremdes schaut: auf die, gewissermaßen, eines anderen, den man einschätzt. Dann geht es los mit der Bitternis.
Die Konsequenz daraus? Sich so wenig wie möglich von seiner Arbeit entfernen, dem nicht nachgeben, daß man auch mal Urlaub braucht oder, wie heißt das? – Freizeit. Braucht man nicht. Sie ist sogar schädlich, für die Seele nämlich, wenn sie nicht kaputtgehen will. Es läßt sich nicht mitten in einem Gefecht mal eben ein Spaziergang durch das Grüne machen.“
Nur bei der Konsequenz daraus bin ich mir nicht ganz so sicher, es klingt logisch und auch nach der einzigen Lösung, aber einzige Lösungen haben für mich auch etwas Bedrohliches, dass ich oft denke, man muss aber auch irgendwie lernen den Zustand, der sonst zur Bitternis führt, zu transformieren, ohne dass das sofort Flucht in die Arbeit bedeutet. Das Problem, das ich habe, ich kann nicht in die Arbeit fliehen, ich kann nicht arbeiten, wenn meine Welt wankt, ich kann kein Leid transformieren, zum künstlerischen Arbeiten muss es mir gut gehen, um einen Urlaub zu genießen im übrigen auch. Aber ich verstehe sonst sehr gut, was Sie meinen und beneide Sie auch um diese Gabe. Es ist nur, ich kann leider meine Kunst nicht therapeutisch einsetzen, obgleich ich mal einige Semester Kunsttherapie studiert habe, es funktioniert nicht, ich sehe bei vielen, dass es funktioniert, aber bei mir funktioniert es leider nicht, im Gegenteil, dann erscheint mir alles noch viel sinnloser und verzweifelter und ich schaue auf das alles, wie von einem fernen Planeten.
„flüchten“@diadorim. Ich glaube nicht, daß „Flucht“ der richtige Begriff ist; es geht um Flucht nicht. Sondern darum, daß man eingeht in die Arbeit, aufgesogen wird von den inneren Szenen (ich sehe meine Figure, sehe ihre Räume, es ist wie ein Film; ich spreche mit ihnen, sie mit mir usw.; in deren Welt spielt mein Glück oder Unglück überhaupt keine Rolle, auch nicht, ob ich kränkele oder besonders gesund bin – aber möglicherweise, das fällt mir jetzt erst ein, ist es mit Prosa anders als bei Lyrik, also mit einer Prosa, die erzählt, spricht: Welten entwirft und das „lyrische Ich“ verwirft, weil der Platz für andere Ichs gebraucht wird: v von denen der Romanfiguren).
Ja, kann durchaus sein, dass das einen Unterschied macht. In Ihrem Fall ist es ja auch keine Flucht, wenn ich mich aber ran setze, in dem Moment, wo mich andere Lebensbaustellen quälen, empfinde ich es bei mir so, und das macht mich dann noch viel weniger froh, das versaut mir im Gegenteil noch das Schöne meiner Arbeit mit, die ich aber doch von dem Zeug frei halten will, die soll für mich leuchten, durchscheinen, und nicht all das Beschwerliche haben, was Problemzwangliteratur heut gern hat, niemand soll denken, gut, dass das mal jemand so sagt im Sinne von, so gings mir auch schon, sondern man soll denken, wow, an dem Ort war ich noch nie, wenn man mein Schreibland betritt, deshalb brauch ich für meine Probleme was anderes als die Arbeit.