Die langsame Verdichtung des Tages, die so nicht vorgesehen war, aber immer imminenter wurde, je mehr ich mich am Nachmittag in die nach Mitternacht eingetroffenen “Fahnen” vertiefte und mir die Zeit zwar nicht davonlaufen, aber doch sich verjüngen sah, denn es war im Hinterkopf noch ein harmloses Filmchen zum Ausklang des Urlaubsmodus vorgesehen, denn es war klar geworden, daß ich ab heute mich brotarbeitmäßig wieder würde organisieren müssen.
Nach der Korrektur der “Fahnen” überfiel mich ein Heißhunger. So kam es zu einer abermaligen Verdichtung, nämlich zur “mantecazione” eines Risotto, was seine Zeit brauchte und ich diesen Risotto. Auch das Hineinschaufeln brauchte seine Zeit. Der gastrische Reizkern, die haptischen Einwendungen der Gabel, die Augenstiele dabei bildschirmwärts, die in den Fingern juckenden Hinterhältigkeiten, die einem beim Lesen zwiespaltig wie Paarhufer hinterköpfisch entfallen wollen. Und muß nun unwillkürlich an Kuhfladen denken. Hinterher immer: verkneifen, verkneifen, verkneifen! Ohrenkneifer sind’s.
So heißen sie zwar, aber es ist mir nie passiert, daß sie mich ins Ohr gekniffen hätten. Harmlose Tierchen, die im Verborgenen leben. Ich habe schon lange keinen mehr gesehen. Ich fürchte, ich vermisse sogar die Kuhfladen. Dies Weidegesprengsel. Fliegenreich.
Die Abende davor sah ich mir diverse WKII-Dokumentationen an, hauptsächlich Stalingrad, letzte Tage in Berlin. War schon so vollgelesen, brauchte lebende Bilder. Störsender. Als ob Bernhards “Auslöschung” nicht schon Verstörsender genug wäre, die nunmehr Sogwirkung sprießen läßt. Dennoch ist zuzugeben, daß dahinter sich auch Pasithea verbirgt (als ich gestern diesen Namen bei Egger las, war ich plötzlich der Meinung, er sei mir auch in den anderen Büchern gestern begegnet und somit ein ALLbekannter Name, aber das ist eher hypnothetisch einzustufen), als die zu allen laufende, und die Allgemeinheit und das Annehmliche des Schlafes bezeichnende, denn der ganze Stalingrad-Wahnsinn war – zynisch – nichts Anderes als Schlafvorbereitung.
Gleichviel, ich hatte noch die Chance, mir zumindest eine Stunde des Films anzutun, der unten im Chiostro Boccarini lief. Mir war danach, d.h. nach Leuten und Sentimentalität: Dublin, 80er-Jahre-Musik, wahrscheinlich Kitsch. Tatsächlich lief er schon. Und tatsächlich: beautiful blossoming talent and love mit den dazugehörigen dramatischen Fallenstellereien. Eine Art Tristan- und Isolde-Finale: Überfahrt nach England in einer “Nußschale”. ”Have you got any Sterlings?” – “No.” mit dem hypnotischen Ziel: London. >>>> Sing Street.
Ziemlich dreist fragte ich hinterher Gleichaltrige, denn es war ziemlich voll von solchen: “Na, jünger geworden?” (Gestern mußte ich sogar mein ZT-Pensum aussetzen, heute durft’ ich wieder um den Badeteich dort herumgehen: “100 %ijes PuddingGetue”).
Es kam der Vorschlag, noch ein Bier bei Valda zu trinken. Gegen zwei Uhr nachts wieder hier bei mir.