[Geschrieben für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Dort erschienen am 28. 12. 2011.]
Dort erschienen am 28. 12. 2011.]
Lange hat Frank Martin gebraucht, um seinen magischen Personalstil zu finden. Der erfaßt auch „Uneingeweihte“ – am schnellstens wahrscheinlich in seiner unheimlichen Vertonung von Rilkes Cornet, vor allem mit Marjana Lipovsek unter Lothar Zagrosek, sowie Dietrich Fischer-Dieskaus Interpretation der Monologe Prosperos aus Frank Martins einziger, 1956 in Wien uraufgeführter Oper nach Shakespeares „Der Sturm“ in Schlegels Nachdichtung. Jahrzehntelang war diese Aufnahme der einzig mögliche Kontakt zu dem Stück.
So ist es eine kleine Sensation, daß das englische Label Hyperion nunmehr eine Gesamteinspielung der Oper vorgelegt hat, und zwar nach dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung im Concertgebouw Amsterdam. Zwar reicht Robert Holls Interpretation des Prosperos an Fischer-Dieskaus, für den die Partie einst geschrieben wurde, intensive Deklamatorik nicht ganz heran, da kann er so wundervoll singen, wie er nur will – aber endlich erschließt sich der gesamte Kosmos, zumal wenn man das der Cassette beigegebene Libretto mitliest. Da will man‘s am liebsten auswendig wissen, um der musikalischen Führung in einer Direktheit folgen zu können, die den Genuß – und den Schrecken – erst vollkommen macht. Das ist vor allem bei den Partien Ariels, des Luftgeistes, wichtig, dessen Klang-Erscheinung Frank Martin dem Chor schrieb; ihm galt schon früh eine seiner Lieben und, wie dem Klang des Cembalos, Vorlieben. Dieses ertönt auch in Martins Instrumentalwerken immer wieder und übernimmt gern die Führung, wenigstens eine, an der sich auch unkomplizierte Hörer schnell orientieren. Martin nahm damit etwas vorweg, was erst zwanzig/dreißig Jahre später in postmodernen Kompositionen, etwa bei Schnittke, Mode wurde. Und der zitathafte Einsatz des Saxophons für den tumben Caliban und das burleske Spiel mit Couplets ist von koketter Raffinesse. Überhaupt scheint heute ein Podium gebreitet zu sein, auf dem nicht nur Martin, sondern auch Komponisten wie Hindemith und Schoeck ihre Renaissance erwarten könnte. Jener klingt in dem Sturm bisweilen auf, klingt herüber, möchte ich schreiben: aus einer Zeit, die für die E-Musik kompositorisch die vielleicht jemals freiste gewesen, als zwar das Gerüst der überkommenen Tonalität brüchig geworden, aber noch stand: ich meine die zwanziger und frühen dreißiger Jahre. Davon werden auch nicht-ausgebildete Musikliebhaber soghaft berückt. Bis in den Rausch kann das gehen – bei Martin etwa in den Zauberszenen der Oper, wenn alles nur noch flirrt und schillert und doch so unstet wie das Meer Debussys ist. Ergreifend dann der Epilog, worin der menschenliebe Alte auf seine Kunst verzichtet und sich den Elementen, ihrer Willkür, freien Willens wieder aussetzt. Spätestens hier, wie nach dem zweiten Hören insgesamt, wird ein jederman erfaßt sein, der Ohren für die Schönheit hat und das Tragödische nicht abwehrt.
So ist es eine kleine Sensation, daß das englische Label Hyperion nunmehr eine Gesamteinspielung der Oper vorgelegt hat, und zwar nach dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung im Concertgebouw Amsterdam. Zwar reicht Robert Holls Interpretation des Prosperos an Fischer-Dieskaus, für den die Partie einst geschrieben wurde, intensive Deklamatorik nicht ganz heran, da kann er so wundervoll singen, wie er nur will – aber endlich erschließt sich der gesamte Kosmos, zumal wenn man das der Cassette beigegebene Libretto mitliest. Da will man‘s am liebsten auswendig wissen, um der musikalischen Führung in einer Direktheit folgen zu können, die den Genuß – und den Schrecken – erst vollkommen macht. Das ist vor allem bei den Partien Ariels, des Luftgeistes, wichtig, dessen Klang-Erscheinung Frank Martin dem Chor schrieb; ihm galt schon früh eine seiner Lieben und, wie dem Klang des Cembalos, Vorlieben. Dieses ertönt auch in Martins Instrumentalwerken immer wieder und übernimmt gern die Führung, wenigstens eine, an der sich auch unkomplizierte Hörer schnell orientieren. Martin nahm damit etwas vorweg, was erst zwanzig/dreißig Jahre später in postmodernen Kompositionen, etwa bei Schnittke, Mode wurde. Und der zitathafte Einsatz des Saxophons für den tumben Caliban und das burleske Spiel mit Couplets ist von koketter Raffinesse. Überhaupt scheint heute ein Podium gebreitet zu sein, auf dem nicht nur Martin, sondern auch Komponisten wie Hindemith und Schoeck ihre Renaissance erwarten könnte. Jener klingt in dem Sturm bisweilen auf, klingt herüber, möchte ich schreiben: aus einer Zeit, die für die E-Musik kompositorisch die vielleicht jemals freiste gewesen, als zwar das Gerüst der überkommenen Tonalität brüchig geworden, aber noch stand: ich meine die zwanziger und frühen dreißiger Jahre. Davon werden auch nicht-ausgebildete Musikliebhaber soghaft berückt. Bis in den Rausch kann das gehen – bei Martin etwa in den Zauberszenen der Oper, wenn alles nur noch flirrt und schillert und doch so unstet wie das Meer Debussys ist. Ergreifend dann der Epilog, worin der menschenliebe Alte auf seine Kunst verzichtet und sich den Elementen, ihrer Willkür, freien Willens wieder aussetzt. Spätestens hier, wie nach dem zweiten Hören insgesamt, wird ein jederman erfaßt sein, der Ohren für die Schönheit hat und das Tragödische nicht abwehrt.
Robert Holl, James Gilchrist, Christine Buffle, Marcel Beekman
Netherlands Radio Philhamonic Orchestra
Thierry Fischer
Hyperion , DDD, 2010
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