III, 311 – Die Dame mit dem Hündchen

Vorgestern begannen die Festivitäten für den Palio. Es blies aus allen Rohren, drinnen Miles Davis und draußen, von Trommeln begleitet, dito trompetenähnliche Fanfaren. Auf dem Rathausplatz unter der Gedenktafel für >>>> Alarico Silvestri, dem auf Kreta im Kampf gegen die Türken gefallenen Garibaldiner war ein Altar aufgebaut, die priesterliche Belegschaft war bereits zugegen, wie auch alle davor aufgestellten Stühle besetzt waren, von rechts näherten sich bereits die Trommler im Gleichschritt (wahrscheinlich). Heute wurde der halbe Platz unter den Fenstern für Autos gesperrt, glücklicherweise nur der Teil, in dem mein Auto nicht steht. Als ich mich dem Gemeinde-Schupo näherte, um Näheres über die Verordnungen zu erfahren, nahm er mich gleich in Verdacht und zeigte auf ein Auto, das neben ihm stand: “Ist das Ihr Auto?” War aber doch in der Lage, der junge Mensch in Uniform, mir ausreichend Antwort zu geben. Das Dumme dabei ist nur, das Auto wird dort, wo es steht und wahrscheinlich auch geraume Zeit stehenbleiben wird, ein Opfer des Taubendrecks. Theoretisch wäre das bis zum 15. August, wenn dann endlich alles vorbei ist. Ich enthalte mich aber jetzt dessen, was der Reger in ‘Alte Meister’ über den Prater zu sagen hat. Auch, weil ich mich nicht wirklich mit einem 83jährigen in denselben Topf werfen mag.
Dafür sind meine wuscheligen Haare noch viel zu toll, die ich auch heute erfolgreich vor dem Friseur bewahrte, obwohl ich mit dem Kopf-ab!-Termin liebäugelte, denn gleich nebenan wartet auch die Versicherung auf mein Erscheinen: Kfz-halber. Montag ist der letzte Tag. Aber da ist der Friseur nicht auf. Wenn er dann auch noch augusthalber schließt, muß es halt weiter wachsen. Ich bin da recht phlegmatisch.
Ein bißchen Aufräumaktivität am Vormittag. Das Callcenter der Telecom hatte abermals angerufen, um das neue Telefonpaket anzubieten: niedrigere Rechnung, neues Modem für Breitband (vorgesehen für die nächsten Monate in Amelia), TIM-Vision (Films & films & films (mit Vorsicht zu genießen)), und willigte ziemlich mundfaul in den Besuch eines Telecom-Menschen ein, für heute 13 Uhr. Deshalb und vor allem die spinnweben- und staubverseuchte Ecke, wo die Telecomschachtel sich befindet. War nicht wirklich notwendig, aber auch nicht überflüssig. Der wieder auflebende Gedanke an eine Putzfrau.
Der Mann rief tatsächlich an. Erklärte ihm die Lage der Wohnung. Und wahrscheinlich, weil er Sizilianer war – man hörte es an der Aussprache des ‘r’, die eher einem ‘s’ glich (Provinz Ragusa, nicht weit vom Meer, er freue sich schon darauf hinzufahren) -, kam er eine dreiviertel Stunde später. Jedenfalls gebe ich ihm diesen Sympathievorsprung. In einer Woche komme dann das neue Modem. Und Friedrich Wilhelms hier und dort.
Noch einen weiteren Tag davor ein bißchen Amsterdamer Luft und merkwürdigerweise auch Tschechow. M.L.’s Tochter machte sich in der Wohnung über mir zu schaffen, die sonst leer steht. Kam auch bald herunter, mich zu begrüßen. Es gab Probleme mit dem Wasser, die ich lösen konnte, aber daß kein Strom da ist, wird an den unbezahlten Rechnungen liegen. Die Geschichte ist kompliziert, denn die Wohnung gehört dem vor drei Jahren gestorbenen Vater. Und hier kommt Neapel ins Spiel und dessen Zeitauffassung, was die Klärung der Verhältnisse betrifft. Eine Freundin von ihr aus Amelia stand dabei im Hof mit langem, zu einem Gesichtsrahmen zugeschnittenem dunklem Haar, die nichts tat, als zu lächeln und ein Hündchen an der Leine zu halten.
Sie war eine hochgewachsene Frau mit dunklen Augenbrauen, von aufrechter Haltung, stattlich, solid und, wie sie selbst sich nannte, eine denkende Frau. Tschechow, >>>> Die Dame mit dem Hündchen. Obwohl sie buchstäblich absolut nichts sagte und in ihrem Lächeln nicht mal ein Denken verriet. Ihr fehlte nur ein Schirmchen.

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