III, 310 – Auf der anderen Seite

Gestern im Abendlicht nach dem Gewitter, das sich heute zweimal wiederholte, in der Tür stehend bemerkte ich nur noch das plumpe Flappen der Tauben, deren Ausscheidungen in der Oberstadt Verhältnisse schaffen wie in den Aborten Wiens laut Reger in >>>> ‘Alte Meister’ (die Wiener Toiletten sind insgesamt ein Skandal), dem, der sich seit mehr als dreißig Jahren alle zwei Tage am Vormittag vor Tintorettos >>>> ‘Weißbärtigen Mann’ setzt (und es ist völlig gleichgültig, ob es den Tatsachen entspricht oder nicht, in der Fiktion spricht der Fakt fiktiv für sich (abgesehen auch ganz davon, daß ich meiner Weißbärtigkeit alle zwei Stunden einen Spiegelblick antue, aber ich darf dafür nicht sitzen (mein Manko oder auch nicht: er stehe!))), und mir wurde bewußt, in diesem versonnenen Stehen, daß die Mauersegler ja gar nicht mehr da sind. Wahrscheinlich wollte der eine Mauersegler, der mir in den Wohnungseingang neulich gesegelt, damit nur einen geheimen Abschied andeuten, den er nur mir gewidmet, weil er spürte, daß ich ihrer Art zugetan bin.
Da es ziemlich nah blitzte und Einkäufe zu machen waren, nutzte ich den Moment der >>>> ‘Dear Prudence’ (heißt, ich nahm sämtliche vitalen Arbeitsgeräte vom Netz) und fuhr zum Supermarkt, was wegen des Regens dann Gelegenheit bot, mit den Scheibenwischern wenigstens den einen Taubenschiß auf der Windschutzscheibe zu Nichts zu zerreiben. Wenigstens diese Genugtuung.
Gedanken darüber, wie ich dem Freund Nachrichten vermitteln kann, der sich nicht rühren kann, mit dem ich sprach am Sonntag, was möglich war, weil jemand ihm das Handy ans Ohr hielt. Immerhin war Lachen möglich. Er habe es immerhin geschafft, selbständig ein Eis zu essen. Irgendein Trauma, nachdem er mit dem Fahrrad an einem Baum gelandet. Nosokomische Lungenentzündung dann, künstliches Koma (überstanden!), Verfrachtung von Braunschweig nach Hamburg. Reha, wie das so heißt. Wie lange? fragte ich. Er bzw. man rechne bis Weihnachten. Verdammt lange Zeit, sagte ich. Es tue ihm leid wegen der Geschenke.
Die Vorstellung, das nicht tun zu können (einschließlich schreiben!), was man normalerweise tut. Lesen könne er. Aber es läßt sich nicht wirklich vorstellen. Nachts vielleicht. Die Momente, in denen der Tiefschlaf endet. Allerdings angenehme Momente, die Nacht ist noch Freund. Träume rattern, feindlich oder freundlich je nach dem. Zum Glück nicht mehr diejenigen, die mich Dinge übersetzen lassen, die tags zuvor gar nicht auf dem Programm gestanden, sondern sich erst im Traum gebärdeten und Versäumnisse insinuierten.
Man dreht sich auf die andere Seite. Die man ja doch immer sucht.

III,309 <<<<

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