9 thoughts on “Neunundzwanzig.

  1. Erinnerung Dies Buch hat mich als Kind so beeindruckt, daß ich noch weiß, wo ich es las: bei einem Besuch meiner Großeltern Ende der 50-er Jahre in Rimsting am Chiemsee.
    Was für eine nette Idee, an diese Werke zu erinnern. Danke und viel Inspiration und Erfolg für Ihren Jungenroman. Die Leser der Dschungel erfahren doch hoffentlich, wie man Ihre Jungenromane bekommt. Unter Ihrem Namen werden sie ja nicht auffindbar sein.

    1. @Cellofreund. Nein, ich werde das in Der Dschungel nicht öffentlich machen. Ich darf das gar nicht, wenn ich nicht genau das mir hereinholen will, wovor diese Jugendbücher geschützt werden sollen. Einige meiner Gegner haben keine Moral, wenn es darum geht, mir Schaden zuzufügen. Es gibt auch andere, aber diese Einigen haben zu viel Macht.

  2. Adirondacks Keine Landschaft ist mir je so unter die Haut gegangen wie die Wälder, Berge und Seen der Adirondacks. Dafür mag James F. Cooper verantwortlich sein, dessen Erzählungen ich geradezu verschlang. Aber auch ein anderes Buch (von – vielleicht, ich kann das rückblickend nicht sagen – geringerer literarischer Qualität) hat seinen Anteil daran: „Mein Feuer brennt im Land der fallenden Wasser“, die Geschichte Mary Jemisons, die zur Irokesin wurde.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Jemison

    Im Sommer 1992 trafen wir in den Wäldern der Adirondacks einen Irokesen, der aus den Reservaten im Westen zurückgekehrt war und sich mit eigenen Händen ein Langhaus erbaut hatte an einem der glasklaren Seen. Er behauptete über 100 Jahre alt zu sein.

    Was für eine Sehnsucht mich da plötzlich wieder überkommt nach dem tiefen Grün und dem dunklen Blau der Adirondacks…Ob ich noch einmal dahin zurückkehren kann und an der Reling eines Schiffes stehen, das den Lake Champlain überquert?

    1. @Melusine zu den Adirondacks. Als ich für das Vierteljahr 1999 im Rowohlt House, Hudson, leben sollte, hielt ich es dort nicht lange aus. Eine Woche, vielleicht. Danach trieb es mich davon, und zwar nordwestlich, und trieb mich in die Adirondacks, ohne daß ich damals realisierte, wie sehr sie zu den Lederstrumpf-Erzählungen gehören – sie und dann das nahe Canada mit seinen riesigen Wäldern.
      Ich nahm, ein Greenhorn, im April den Indian Pass. Mußte schließlich abbrechen, weil ich den vergletscherten Berg nicht hinaufkam und keine Menschenseele irgendwo war. Ich war auch nicht ausgerüstet wie Bumppo. Denn in New York City war es heiß gewesen. Wer rechnete mit Schnee und der Schmelze?
      Rednecks, als ich sehr erschöpft und verdreckt zurückgefunden hatte, nahmen mich, kann man sagen, auf. Auch durchaus ein bißchen spöttisch. Sie hatten da auch recht. Wie man mich aber, als ich ins Rowohl House zurückkehrte, aufnahm, erzähl ich besser nicht. Ich sollte, war erwartet worden, socialising treiben, dienern und Verleger umwerben, bzw. ihre Scouts, aber ich hatte von ‚Scout‘ einen andern Begriff – einen, der von Cooper herkam und den diese Betriebsler längst vergessen hatten. Obwohl er ihnen, als US-Amerikaner, hätte nähersein müssen als mir. Vielleicht… ja, vielleicht: wären sie indianischer Abkunft gewesen… –
      Ich bin dann noch einmal zurückgekehrt in die Adirondacks und entdeckte meinen ersten Biberbau, einen, der nicht angelegt und nicht reservatiert war. Dieser Anblick sitzt tief in mir. Erst da, glaube ich heute, verstand ich, wo ich gewesen.

    1. @Walhalladada zum Jugendbuch. Das kann ich, wie ich >>>> dort eben schrieb, sehr gut verstehen. Dennoch, auch das habe ich unten erwähnt, handelt es sich nicht um Jugendbücher. Vielmehr sind sie bearbeitet worden, und zwar in mehrerlei Hinsicht, um als Jugendbücher ‚tauglich‘ zu sein. Im Falle Coopers ist das nicht ganz so schlimm wie etwa bei Swifts Gulliver, bei dem man in der Jugendbuchgestalt sogar von grober – und beabsichtigter – Verfälschung sprechen muß, ähnlich wie bei den Disney-Bearbeitungen etwa der Dschungelbücher Kiplings. Der Geist Coopers weht auch durch die Jugendfassungen, indes der Geist Swifts ebenso zerstört worden ist, ja vernichtet, wie im Fall einer anderen, geradezu skandalösen Bearbeitung zu einem Jugendbuch hinab, nämlich des Moby Dicks von Melville.
      Tragisch an solchen Bearbeitungen ist in den allermeisten Fällen, daß die jungen Leute später die eigentlichen Bücher nicht mehr lesen werden, es sei denn, sie bekommen beruflich mit ihnen zu tun, und in einem Beruf, den man liebt. Der Prozeß läßt sich jedenfalls mit schlechten Verfilmungen vergleichen, heute (es gibt allerdings auch gute). Letztlich ist der kulturelle Schaden, der mit den sogenannten Bearbeitungen angerichtet wurde, kaum zu ermessen. Andererseits sind sie für viele Menschen die oft einzige Begegnung, die sie eines Tages mit der Dichtung gehabt haben werden. Und für mich war in diesem Fall, wie offensichtlich für sie, die Begegnung mit einer Bearbeitung von lebenslanger Bedeutung.

    2. Ihr Erinnerungsvermögen sei gelobt! Ich weiß nichts mehr, außer dass ich mein Heil im Lesen gesucht habe. Mit den gekürzten Jugendfassungen haben Sie sicherlich recht, aber einen vollständigen Swift hätte ich damals nicht verstanden. Einen Defoe auch nicht, insofern mag die Grundlage des Wachstums ruhig in der Verkürzung liegen. Ich habe mit ihr insofern keine Probleme.

  3. James Fenimore Cooper, Die Lederstrumpf-Erzählungen.

    Der Junge, der ich war, war nie ein wirklicher Freund der Wildwest-Romane, so wenig, wie ich gerne Western sah. Mir war das immer zu viel Ballerei, auch wenn es dann später doch Figuren gab, die mich beschäftigten, etwa Wyatt Earp: auf eine seltsame Weise Vaterfiguren, IchIdealVäter, etwas in dieser Art. Dagegen zog mich die herbe Schönheit der Adirondacks, die ich, >>>> wie MelusineB, Jahrzehnte später wirklich erlebte, ungeheuer an. So sind es in Coopers Erzählungen, die eigentlich Romane sind und eben nicht Erzählungen, vor allem diejenigen Passagen, in denen die Hauptrolle tatsächlich Natur innehat, was mich packte: dieses nahezu phantastisch-Freie samt aller Härten und Süßheiten, der Sonnenschmelz auf dem See und das Inselhafte, das die Charactere gerade des ersten Romanes, des Wildtöters, auch dort in sich tragen, wo gar kein See mehr ist, sondern Wald nur, Dickicht, Felsenhänge. Das Bild von Natur, das Cooper hier vermittelt, hat mein gesamtes Bild von Natur, bis heute, beeinflußt. So nimmt es nicht wunder, daß ich, je weiter die Chronologie dieser Romane voranschreitet, ihrer zunehmend müde wurde, und zwar eben, weil die Zivilisation vordringt, unaufhaltsam, ausrottend auch, weil sie wie ein Keil, der ein Bulldozer ist, in das Ungebundene eindringt und nichts mehr zurückläßt von ihm.
    Dazu kam die Ambivalenz der Charactere, die mich beschäftigte; man kann bei Cooper nur selten sagen, jemand sei böse, jemand sei gut. So auch der skeptische und doch auch Blick Nathaniel Bumppos, etwa auf seinen Freund Harry Marsh, genannt Hurry Skurry, ein ehemals Deutscher, Heinrich Marsch, der ganz sicher Rassist ist, aber Rassist aus seiner Zeit und eines so wilden und simplen wie seltsam reinen Herzens imgrunde – ganz so wie Magua, der indianische „Schuft“ aus dem Letzten Mohikaner, tatsächlich politisch nichts anderes wahrt als das Recht seines Volkes, und beide, Magua wie Marsh, begehen schweres Unrecht. Bei Cooper sind Indianer durchaus nicht die edlen Wilden, und das weiße Siedlervolk ist ebenso wenig edel, zumal, ganz wie die Indianerstämme, miteinander in Krieg. Es gibt schlichtweg keine Wahrheit der Moral, sondern immer nur das, was geschieht, und wie es jeweils der Einzelne wertet, für sich allein oder, bzw. und, für die Kultur, der er entstammt. Ich spürte damals zum ersten Mal, während meiner Lektüre, daß Situationen möglich sind, geschichtliche und individuelle, in denen es objektiv keine Möglichkeit der Koexistenz gibt und daß in ihnen gleiches Recht auf allen Seiten ist, doch ein Recht, das sich ausschließt. Es setzt sich schlicht der Stärkere durch – wodurch die Stärke nun immer auch definiert, was immer die Stärke jeweils auch sei. Das Wild, auch Großwild, und sei es noch so wendig, hat gegen Menschen keine Chance und der sogenannte Wilde nicht gegen die seßhaften Siedler, die einem Auftrag, nicht zu jagen und zu sammeln, folgen, sondern sich untertan zu machen, aus was dann später geerntet wird: es planbar zu machen, kalkulierbar.
    Zugleich sind diese Erzählungen Erzählungen des Rückzugs; sie suchen, wie Bumppo, nach etwas Geerdetem, über das noch nicht die Konventionen des Sozialen wie tausend Gitter geworfen sind, zwischen denen der freie Mann zerpreßt wird – freie Frauen, selbstverständlich, zerpreßte es auch, aber sie spielten zur Zeit der Lederstrumpfbücher eine als solche nur geringe Rolle, bzw. nahmen sie sich die Rolle in der Wildnis bedingt zwar heraus, doch blieben in der Abhängigkeit. In jedem Fall kann man sagen, daß es sich bei Coopers Dichtungen um vielleicht die ersten Aussteiger-Romane handelt, die überhaupt je geschrieben wurden – und eben nicht so sehr um Glückssucher-Romane, deren es schon davor viele gab; da macht eben nicht einer sein Glück durch den Goldfund, um reich zurückzukehren, und nicht sein Unglück, sondern er lebt in dem, was er findet und schmiegt sich darin ein: in ein Gesetz, das nicht von Menschen gemacht ist. Zu denen in diesem Fall auch Gott zählt, als Gesetzgeber nämlich.
    Die Schilderung der Klarheit und Härte dieses Lebens hat meine Auffassung geprägt, wie gelebt werden müßte, eigentlich, und ein bißchen meiner Sehnsucht danach ging niemals verloren, als eine Utopie, indes, zurück, von der schon dem Fünfzehnjährigen klar war, daß sie niemals wieder werden wird können. Schon Bumppo und sein mohikanischer Gefährte, sicherlich das Vorbild für Old Shatterhand und Winnetou, aber ohne den christentümelnden und bei May immer auch geheuchelten, weil verklemmt verborgenen homoerotischen Schmock einer verkitschtesten „Weihnacht im Wilden Westen“, – schon also Bumppo und Chingachgook ziehen sich im Lauf der Romane immer weiter in die letzten Überreste einer Natur zurück, die noch nicht eine Zweite genannt werden muß, und stoßen zugleich in sie vor – womit sie deren Untergang selbst den Weg bereiten. Das ist das Tragische daran.
    Das Eigentliche aber an diesen Büchern ist und bleibt die Naturschilderung. Bleibt die Zeit, die Länge der Zeit, bleibt ihre enorme Langsamkeit, die in den nicht „für die Jugend bearbeiteten“ Büchern noch viel stärker zutage tritt. Das erfuhr ich aber erst viele Jahre – fast drei Jahrz e h n t e nämlich – später. Als ich die ungekürzten Ausgaben zu lesen begann.

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