[Arbeitswohnung. Britten, Doppelkonzert (für Geige, Bratsche und Orchester).]
Um Viertel vor fünf auf, wenngleich schon um 4.30 Uhr wachgewesen; doch eine Verwirrung säuselte mir zu, es sei ein DasUndDas imgange, weshalb ich… jedenfalls erkannte ich den Mar erst fünfzehn Minuten zu spät. Und schoß auf. Da lagst Du, meine Junge, bis jetzt noch weiter, in friedlichem Schlafen. Um halb sieben, denk ich, werd ich Dich wecken mit Deinem Morgenkakao, bis dahin weiterlesen.
Aber das ist das Thema nicht von „Eros“, sondern eine Obsession. Die könnte, da hat Kausser in einem Interview sehr recht, auch ohne Hitler begonnen haben; es ist rein eine Frage der Chronologik, daß sie im sog. Dritten Reich anhebt – wenn er denn, Krausser, das Buch in der deutschen Gegenwart spielen lassen wollte; eine andre aber kennt er zu wenig: Er braucht, spüre ich, Bekanntschaft mit den Orten. Das gilt sogar für das „Melodien“ der Renaissance, worin zu spüren ist, wo er, wo immer noch möglich, jeden Handlungsort eigenfüßig betreten hat und ihn mit eigenen Augen betrachtet. Nicht anders ging und geht es mir ja selbst, ob für mein >>>> New-York-, ob fürs >>>> Sizilienbuch, ob für >>>> Wolpertinger und (soviel zur „Science Fiction“) >>>> Anderswelt. – Also weiterlesen; während der Zugfahrt werde ich auch „Eros“ fertigbekommen, dann zum >>>> Pucciniroman übergehen.
Gestern noch mit Dumont telefoniert; man habe mir die mir fehlenden Bücher über die Verlagsauslieferung hinausschicken lassen, jedenfalls wollen; offenbar sei der Vorgang steckengeblieben. Jetzt schicke sie, die Pressedame, die Bücher direkt vom Verlag aus hinaus; ich werde sie nach meiner Rückkehr vorfinden, hoff ich. – Ebenfalls gestern noch ein Mailwechsel, worin >>>> Umblätters Paco fragte, ob er das Hörstück bereits vor der Sendung hören könne; er wolle etwas vorab drüber schreiben, in der Süddeutschen. Ich sagte selbstverständlich zu. Das wäre, wenn das klappte, auf bittre Weise heiter, weil ausgerechnet für dieses Stück ich derart hasten muß. Ja, ich will auf Studioaufnahmen verzichten und statt dessen nur mit O-Ton-Stimmen arbeiten: viel Welt, keine Konserve. Dauernd gehen mir Ansätze im Kopf herum, Klang- und Themenansätze; „Ansatz“ wie bei einer Aufgabe der Mathematik. Das unterlaufende Backgammon-Match werde ich statt mit Krausser selbst, der ja nach wie vor nicht antwortet, mit BRSMA führen.
Und dann, während des Mailwechsels mit Paco, wurde mir klar, daß eine geradezu prachtvolle Linie des Hörstücks meine Krausser betreffenden Eintragungen hier im Arbeitsjournal sein könnten; er lese nämlich, schrieb er, „atemlos mit“. Prachtvoll, weil aus meinen Notaten die Ambivalenzen so deutlich werden, in die einen die Lektüre Kraussers stürzt; außerdem gibt es da eine Direktheit der Auseinandersetzung, wie man sie artifiziell in keinen Dialog bekommt, geschweige in eine essayartige Behandlung des Stoffes; das alles setzte wieder viel zu viel Distanz. Man kann das an den habbaren Interviews bemerken. So ist denn dieses hier die
Bis zum Erwachen des Jungen also lesen, dann ihm das Frühstück bereiten, mitfrühstücken und, wenn er zur Schule los ist, mich selbst fertig machen. Punkt zehn im Reisebüro, um die Ticketts zu kaufen (das ist etwas Blödes, wenn man weder mehr Kreditkarte noch ein eigenes Konto hat, daß man so vielen Umständlichkeiten nachgehen muß; aber vor allem für meine Ästhetik ist das unangemessen); um halb zwölf schließlich bringt mich die S-Bahn zum Gesundbrunnen, von wo aus der ICE losfahren wird. Dann wieder, knappe fünf Stunden, Lesezeit. Am Abend bereits Beginn des Seminars, des dritte in diesem Jahr.
Guten Morgen. Sehn Sie? Schon brauch ich den zweiten Latte macchiato.
11.37 Uhr:
[ICE Berlin – Leipzig.]
Im Zug. Zum Lesen kam ich heute früh gar nicht mehr, aber jetzt habe ich gut Zeit. Allerdings muß in Leipzig noch umgestiegen werden. (Seltsamer Hotelname, übrigens, am Zielort: Albergo Sankt Untersproß – vergeblich habe ich vorhin versucht, wenigstens über Google etwas herauszubekommen. Ich fand einzig >>>> dieses. Nun hab ich ein mulmiges Gefühl, zumal dort, unter der angegebenen Telefonnummer, niemand abgenommen hat. – Die Türen schließen. Wir fahren ab. Ich werde während der Fahrt versuchen, >>>> meine Coachin zu erreichen, die ebenfalls schon unterwegs sein wird. Hoffentlich habe ich heute abend ein Netz für das Netz… -)
Sind Sie angekommen in diesem Hotel? Sie machen Ihrer Leser:innenschaft ja richtig Angst. Doch wenn sich der Hotelier nicht grade mit Howard P. Lovecraft vorstellt, kann’s so schlimm ja nicht sein! Oder?