III, 226 – Betende Hände

Ich verstehe sogar ihn, der am Abend irgendwann mit seinem Auto vor der Garage unter meinem Küchenfenster ankommt und noch in voller Lautstärke seine Diskomusik laufen läßt, die bis hier hinaufdringt. Das dauert seine zwei Minuten und scheppert in den Ohren.
Merkwürdigerweise komme ich aber über >>>> dieses Bild, das mich an die Gestaltlosigkeit des vermeintlichen Gebetempfängers denken läßt, auf die einst so verkitschten Betenden Hände Dürers.
In meinem Leben habe ich vielleicht zwei-dreimal wirklich gebetet. Das eine Mal jedenfalls der Hostien-Donner, der bei der Konfirmation in den Leib fuhr, war aber wohl eher ein mystisches Erbeben. Immerhin, es funktionierte. Das andere Mal hatte ich mir den Arm gebrochen, aber es war gerade niemand zuhause. Und lag auf dem Sofa mit dem sich hervorwölbenden Knochen am Unterarm (den Arsch auf dem Fahrradrücksitz auf der Straße, die zur recht nahen Grenze führte, rasant in die Pedale getreten, bis ein Stein dazwischenkam).
An das dritte Mal glaube ich allerdings nicht mehr, weder hinsichtlich der Tatsächlichkeit noch der Substanz wegen. Eher schon Mantras im Nachhinein. Gelegentlich immer noch dasjenige, was mir eingeflüstert worden bei der Einführung in die transzendentale Meditation. Daß mir jetzt noch dentale Meditationen dazwischenfunken, hat allerdings eine Bewandtnis, die zwar auch mit der Zunge zu tun hat, aber recht jenseits ihrer Sprechfunktion.
Was kann man über die Dürers Betende Hände sagen? Es sind keine jungen Hände. ”auch eine Vorbereitung auf den Tod” (aus Bernhards ‘Frost’, es sagt dies der Maler (sic!), der sich als einen Menschen bezeichnet, der meistens die Augen geschlossen hält).
Nichts schmückt die Hände.
Hände bar aller Arme. Kein Körper gehört dazu. Läßt sich auch nicht dazudenken. Die Adern treten hervor. Flammende Hände.
Bittende Hände. Die schmucklos Materielles einfordern, wie der Nigerianer vorm Coop, dem ich immer einen Euro zustecke: “My friend!” Sagt er immer. Da er es aber nicht ist, habe ich schon lange den Coop-Supermarkt gemieden.
Denn im Grunde sind mir die Betenden Hände peinlich, so schön sie aussehen mögen, und so schön sich “my friend” anhören mag.
Es stimmt aber nicht.
Insofern mögen vielleicht Dürers Hände die Unzulänglichkeit der Welt ausdrücken, sich selbst genüge zu tun, ohne daß Hände und Welt wirklich einander kennten in der Illusion, man könne dennoch an etwas appellieren. Die Hände sehen sich selbst und finden Gefallen aneinander.
In ihrer Selbstheit sagen sie ‘ich’ zueinander.

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