Nicht ohne Kassiererinnenträume durchs Leben geschritten und in den Zimmern gehaust, auch wenn diesen Träumen keine Groschenromane zugrundeliegen. Jedenfalls scheinbar nicht. Meine Stiefmutter las die haufenweise, als ich mich schon nicht mehr verschonte und in den Schmidt mich hineinverbiß.
Ein Ausrutscher, der mir unfreiwillig über die Kassiererinnen kam. Denn wovon träumen die eigentlich? Wahrscheinlich irgendwo bei Schmidt, wo er mal programmatisch wird. Meine eine Schwester, die’s auch ist, schimpft eigentlich nur.
Man findet eine “blaugelbe Einkaufstasche” (ich hab’ es auf morgen verschoben, das Einkaufen), darin u.a. ein Tuch oder Lappen, wahrscheinlich ein Taschentuch, ein zerknitterter Zettel, Bin gleich wieder da steht darauf. Und ein Zauberkreisroman. Nummer 1687. (>>>>Otto Jägersberg, He he, ihr Mädchen und Frauen – nette Supermarktstudien, gibt ja auch ‘Nette Leute’ von ihm). Immerhin konnte ich so den Bogen zu den Groschenromanen schlagen.
Ich trau’ mich nicht, selber etwas zu denken. Darum die Zimmer. Denken ist eher ein Augen-Blick, ein Widerer-Wiedererkennen. Wie der Blick heute des öfteren auf die in einen Handteller passende Metallmaske mit der Zungenspitze, die aus den beiden Zahnreihen herausflutscht, ging. Eine Widerer-Maske. Obwohl der, der sie mir schenkte, gar kein Widerer war.
Er, N., ein wichtiger Freund von M., den er oft zum Fußballgucken aufsuchte, hatte sich mittlerweile zu einer eigenen Ausdruckskraft im Malen und Schnitzen und Metallgießen aufgeschwungen, er, der mal Friseur gewesen.
Nur, daß in dem Sommer damals, demselben, von dem gestern die Rede gewesen, ihm ein Krebs in den Körper gekrochen. Er wünschte sich, mit jemandem auf dem Boot bis Potsdam und wieder zurückzufahren (von wo aus eigentlich? Tegel? ich weiß es nicht mehr). M. konnte nicht, also erklärte ich mich bereit.
Saßen dann auf dem Boot, redeten ich weiß nicht mehr über was. Es hatte keinen Gehalt für mich, das Reden. Tranken Weißbier. Ich tat ihm einen Gefallen. Aber da saß kein Sterbender. Ich saß da mit ihm, und konnte nicht wirklich etwas damit anfangen. Im Grunde war ich gleichgültig. Ich tat in jenem Sommer, was mir passierte.
Wie es ausgelaufen, hat M. nie erfahren, er sei wahrscheinlich dann zu seiner Schwester nach Bamberg, N. aber habe nichts mehr verlauten lassen.
Das jetzt als Zimmer zu empfinden. An den Dingen vorbei oder in sie hineingehen. Die Verzimmerung des Erinnerns, das dann als solches nicht mehr gilt. Hab’ mir sowieso abgewöhnt, den Dingen nostalgisch nachzuhängen. Ich kann betreten, was plötzlich als zu öffnende Tür erscheint. Und schau’ mich um.
Das meinte ich wohl mit den Zimmern.
Und die Hasenpfote neben der Maske? Führt möglicherweise zu den Kassiererinnenträumen zurück und zu Gustav Gans, in den indirekt ich auch mich heutigentags versetzt wiedergefunden. Ok, beim nächsten Tabaccaio-Gang mal wieder ein Rubbellos. So einmal alle ein-zwei Monate: sportshalber.
Ramona Potecker schreit hysterisch auf und legt sich hin. Die Kunden und Angestellten kommen gelaufen.
Schimanek: Was ist geschehen?
Tschimmel: Ramona fiel in Ohnmacht, und eine Kundin stürzte sich übergebend ins Regal.
Schimanek: Zuerst wechsel die Musik: was Fröhlicheres. Dann hol den Arzt, dann Schrubber und Eimer.
Josef Tschimmel eilt in die Bürokabine, legt ein anderes Tonband auf, rennt dann von der Bühne. Die Kunden beugen sich über die Daliegenden. Die Rentner nutzen die Verwirrung und machen sich am Spirituosenregal zu schaffen. (ebd.).