Arbeitsjournal. Sonntag, der 15. November 2009. Mit Roland Emmerichs 2012 und Daniela Danzens Türmer.

6.45 Uhr:

[Arbeitswohnung. Sculthorpe, Requiem für Cello solo.]

Mein Junge auf dem Vulkanlager, ich erst um halb sieben auf, latte macchiato, die erste Zigarette; Kopfhörer; will weiter lesen, Danz, >>>> Türmer. Heute sollte ich das Buch mindestens „fertig“haben (häßlich, häßlich, das Wort, und unangebracht); dann an den Eigner-Text gehen. –
Gestern war ich quasi allezeit bei meiner quasi-Familie; vom Aufwachen bis abends, da war nicht viel Arbeitszeit, aber es war auch gut so. (Pfeife stopfen…) Mit und bei den Zwillingskindlein gewesen, auch für लक dagewesen; vorabends bereits eine Hühnersuppe gekocht, weil mir meine Großmutter erinnerlich, daß solche Suppen gegen Erkältungen hülfen (es scheint zu stimmen); für meinen Buben dagewesen; schließlich hier hinüber, weil लक die Nacht durch arbeitet und die Zwillingskindlein für den Sonntag vom leiblichen Vater abgeholt wurden: für bis heute abend. Also mein Junge zu mir; ich überraschte ihn damit, daß ich zur Abendvorstellung Tickets für Roland Emmerichs „2012“ besorgt hatte; der Film ging bis fast zehn Minuten vor Mitternacht. Großes Kintop, keine Frage, mit einem gealterten Obama, der „bei seinen Menschen“ bleibt, anstelle sich zu retten; heiter dabei, eine Schauspielerin Angela Merkel darstellen zu sehen; untergejubelt nebenbei die Botschaft, nicht nur Obama bleibe bei seinen Menschen, nein, auch Berlusconi, der auf dem zerschmetternden Petersplatz mit seinen Menschen betete… da stellen sich dann ulkige Nähen in einem ansonsten glatt funktionierenden Film her, der Seelenkonflikte indes auf die bekannte US-Art löst: sind zwei „gute“ Männer bei einer Frau, zumal mit Kindern, muß einer von beiden sterben, hilft nichts, man will ja keine Ambivalenzen, jedenfalls nicht sie noch ins nächste Leben mit reinschleppen.

[Henze, Serenade für Cello solo.]

Die Bilder der Weltzerstörung sind tableauartig und so inszeniert, daß sie Grausamkeitslüsternheiten nicht unnötig bedienen; deshalb kann auch ein Junge mitschauen, wobei der Focus von den eigentlichen Gefahren selbstgemachter Naturzerstörung auf ein Unglück verschoben wird, das sich prinzipiell so wenig vermeiden ließe, daß schon die Mayas es haben voraussagen können. Daneben aber >>>> die behutsame, soghafte, doch vorsichtig distanzierte Sprache Daniela Danz‘ , ihre Liebe zu alten Wörtern, „Kerfe“, „Laibung“, in kleinen Kapiteln erzählt, entfernten Kapiteln, wie aus einer Erinnerung herausgeschrieben, die der Danzens ja doch nicht sein kann; dennoch trifft sie d e n, trifft sie also einen Ton: anschmiegsam, melancholisch, sanft mit den Dingen: „Und wenn sie hoch hochsahen, dann nicht wie zu ihresgleichen, zu einem, der sie beobachtete und sah, was keiner sehen sollte. Sondern wie zu einem, der alles wissen darf, weil er doch von einer anderen Welt ist und nicht als Mitwisser zählt.“ Danz zu lesen, stimmt einen selber poetisch. Meine drei Frauen, denke ich, denke/ein Satz Αναδυομένηs, weiter, vier/Frauen, fünf, wem hielt ich/in der Erinnerung, die/mich noch immer innert?
Gut. Ich lese jetzt weiter. Warte auf شجرة, daß sie sich über Skype meldet, wenn erwacht. Ich habe ein Löwinnenbild aufgenommen, so pikant wie innig, daß ich mir gern auf Postergröße abziehen ließe, um es dann mit ein paar Strichen, Farbe, weiterzuformen. Sie sagt: Tu das. Wie vor Bamberg kommt die Idee zurück, mit Bildern zu arbeiten. Es ist hier aber gar kein Platz. Und mein Cello steht und möchte gerne selbst wieder angefaßt werden. Doch ich lese jetzt erst einmal weiter. Mein Junge soll ausschlafen, so lange er mag.

8.59 Uhr:
[Hindemith, Requiem.]
Ich versuche gerade, das auf meiner Innsbrucker Dschungel-Lesung aufgenommene Video in Youtube zu laden. Dabei wieder dieser Hindemith mit Fischer-Dieskau. Beeindruckend, faßt mir sofort ums Herz, ich muß davon nur dreivier Klänge hören, schon hat‘s mich. Von Weitem schlagen Glocken leise in die Kopfhörermusik. Der Bub schläft noch, Du schläfst noch, mein schöner Junge…

17.15 Uhr:
[Schumann, Études symphoniques (S. Richter).]
Danz‘ Türmer fertiggelesen, jetzt ein paar Notizen übertragen, dann geht das Buch an K., die im Hörstück eine der Rollen sprechen soll und möchte, sich aber Prosa dafür gewünscht hat. Die Exzerpte, insgesamt, fertige ich später an, weil ich K. bitten mag, ihrerseits Stellen auszusuchen, die ihr gefallen. An sich würde ich jetzt gern kommentieren, zumal Danz einen sehr zärtlichen Gegenblick auf Serbien/Kroatien wirft, was nicht untergehen sollte, auf keinen Fall untergehen sollte; doch meine Kommentiererei stünde im Widerspruch zu meiner Vornahme, mich selbst, wie bei dem >>>> Filips-Hörstück, aller direkten (An-)Sprachen zu enthalten; was ich vermitteln möchte, soll allein aus der Montage und den in ihr verwendeten Tönen hervorgehen, seien es Musiken, seien es gesprochene Texte oder Auskünft, die mir die Dichterin-selbst gibt.

Nebenbei immer wieder versucht, das Video von meiner Innsbrucker Lesung auf Youtube hochzuladen; funktioniert nicht. Unnütze Zeitvergeudung, jedenfalls bisher. Noch mit meinem Jungen was für die Schule getan, gegen vier schoß er dann zu seiner Freundin ab. Um sechs soll er wieder hier sein: Cello. Danach geht‘s noch mal zu लक fürs Abendessen hinüber. Hinterher vielleicht Bar, aber ich bin unschlüssig, hab den Profi auch noch gar nicht angerufen, würde vielleicht gern weiterlesen: Arachne von Danz, Serimunt von Danz. Und sicher wird in der früheren Nacht die Löwin in Skype nach mir schauen.

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