Beide wirklich blutjung, Anna Laakso am Klavier, >>>> Antti Tikkanen auf einer Stradivari von 1702, die ihm die Pohjola Bank Art Foundation zur Dauerverfügung gestellt hat – beeindruckend beide, wobei gerade Laakso eine schwere Kraft besitzt, mit der sie über die Tasten geht, temperamentvolle Schwerblütigkeit (übrigens „hängt“ sie überm Klavier wie ein Jazzpianist), wozu Tikkanen, vor allem bei Enescu, man hat den Eindruck: ganz bewußt nicht auf Schönklang setzt, sondern den expressiven Ausdruck vorzieht. Es lag nicht nur am Programm, daß die Charactere der Stücke nicht ohne klangliche Ähnlichkeit waren. Das betrifft auch den wahrscheinlich elegantesten Komponisten der drei, den Polen Karol Szymanowski, der am Beginn der modernen polnischen Musik steht, in Deutschland aber nur selten, hierzulande (in Finnland) vielleicht öfter zu Gehör gebracht wird. Seine Nocturne und Tarantella op. 28 spielen bereits mit dem Einfluß des frz. Impressionismus und drehen dann deftigst in den Tanzsatz ab, was das Stück ausgesprochen deutlich mit Enescus elf Jahre später geschriebener Dritte Violinsonate verklammert, namentlich mit ihrem dritten Satz. Was bei Szymanowski die Tarantella, sind dem Rumänen die Gipsy- und Klezmer-Elemente, bei denen er sich an der Volksmusik seines Landes orientierte.
Dazwischen Kaija Saariahos Calices von 2009, also eben gerade uraufgeführt: s e h r seltsam, wie wenig sich die moderne Klangsprache Saariahos von derjenigen der beiden anderen abhebt – deutlich bleibt die moderne Faktur, dennoch hatte ich den Eindruck einer geradezu ungebrochenen, fast tonalen Kontinität. Tatsächlich handelt es sich bei dem Violin/Klavierduo material um einen Rückgriff, nämlich auf Saariahos siebzehn Jahre altes Violinkonzert. Aber sie bereitet das Material nun anders auf, die Strukturen werden noch durchhörbarer; es ist fast, als hätte die älter gewordene Komponistin eine Arbeit der jüngeren interpretierend kommentieren wollen.
Eine eigenartige Stimmung war im Konzertsaal des Stadthauses am Hafen; man erschien in Alltagskleidung – so spielten die jungen Interpreten auch -, einige Leute hatten noch Einkaufstüten dabei. Die Kürze des Programms verweigerte die Pause. Es gab auch keinen Snack zwischen dem halbstündigen Einführungsvortrag zuvor und dem Konzert; der Vortragende ging, die Musiker traten auf, stimmten kurz, spielten. Und gedeckt fast, man hörte kaum Stimmen, gingen die Leute, nachdem sie applaudiert hatten, unten aus dem Stadthaus wieder hinaus; wenige schauten sich noch die Ausstellung im Foyer an. Es war hellgeblieben, na klar, 19 Uhr, und die letzten Händler bauten am Markt ab. Vom Plätzchen zwischen Etelä-und Pohoisesplanadi wehte ein E-Baß-Gewummer herüber.
Ich beneide Dich.
Dir eine gute Zeit!