Musik als Heimat. Ernst Bloch, Geist der Utopie: Philosophie der Musik.

Wenn das Tonhafte nur andeutend, noch uneigentlich bleibt, so ist es nicht etwa in Zeichen gestellt, so will uns seine Rätselsprache nichts überirdisch schön Gelöstes verbergen, sondern die Funktion der Musik ist vollste Offenheit, und das Geheimnis, das verständlich-Unverständliche, das Symbolische an ihr ist der eigene, sich selber s a c h l i c h verhüllte Menschengegenstand selber. Der Ton geht mit uns und ist Wir, nicht nur so wie die bildenden Künste bloß bis zum Grabe mitgehen, die doch vorher so hoch über uns hinaus ins Strenge, Objektive, Kosmische zu weisen schienen, sondern wie die guten Werke auch noch über das Grab hinaus mitgehen; und zwar gerade deshalb, weil das Erhabene der Musik, das neue, nicht mehr pädagogische, sondern r e a l e S y m b o l in der Musik so sehr niedrig, so sehr nur bloßer feuriger Ausbruch in unserer Atmosphäre (zu sein) scheint, obwohl es doch ein Licht am fernsten, allerdings innersten Fixsternhimmel, ja das Selbst- und Wirrproblem selber ist. Der gestaltete Klang bleibt so kein Gegenüber, sondern es ist etwas in ihm, das uns die Hand aufs Herz legt, das uns mit uns selber beschwört, umstellt und derart unsere bedürftige, ewig fragende Rezeptivität mit sich selbst, zum mindesten mit ihrer unabgelenkten, rein gewordenen, als sie selbst widerhallenden Frage nach der Heimat beantwortet.

(1923).

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