Il giornale amerino di venerdì, 26 mese di agosto 2016.


[Casa di Schulze
Il nuovo posto di lavoro, ore 6.43
Primo sigarillo della mattina]

Amelia Panetteria Patrizia
Amelia, Panetteria Patrizia


Um 5.50 Uhr hoch und die Tagesplanung gleich übern Haufen geworfen, das DTs >>>> ganz neu gefaßt; es ist mir morgens schlichtweg zu kühl auf den Stufen – meine Güte, im August in Italien! -, und ich kann ja, weil‘s im Cortile erst ab halb sieben hell wird, auf meinen Stufen auch gar nicht gleich lesen. Also werden DTs und Arbeitsjournal ab nun vorgezogen, ebenso die Contessa – wobei die Tipperei in „meinem“ Zimmer ebenfalls kleine Tücken hat, denn auch darin ist es wirklich hell erst ab jetzt. Die Lampe in meinem Rücken ist zu schummrig, auf dem Arbeitstisch selbst gibt es keine. Ich tippe also verlangsamt, schreibe ja nur „halbblind“. Ist aber hinzukriegen.
Und lesen werde ich nun immer erst ab 10.30/11 Uhr, wenn die Sonne auch prall in den Hof fällt; in der Sonne also; dort. Es kann nicht angehen, daß ich im Süden bin und nicht wenigstens e t w a s Farbe bekomnme. Selbst hier im Zimmer sitze ich mit zwei Schals über den Schultern – derweil in Paris die Hitze schmort.

(Das Netz wirft mich dauernd raus. Nervig. Netzverbindung deaktivieren, neu aktivieren, WLan+Paßwort wieder eingeben, dann funktioniert‘s, aber nicht dauerhaft. Prozeß wiederholen usw. Hab ich mir was eingefangen?)

Jedenfalls fast wieder rasend geschrieben gestern. Erst morgens, nach dem >>>> Kjaerstad, bis etwa mittags. Dann nachmittags gleich weiter. Das Problem ist, den Ton einer Frau zu treffen. Also in Facetime die ersten anderthalb Seiten der Löwin vorgelesen, die, sagen wir, verhalten reagierte, ich spürte es sofort. Bei mir dann immer erst mal ein Aufwallen von Ärger, die alte Cholerik, dann nachdenken – und schließlich alles verworfen und mittags völlig neu angesetzt. Da hatte ich‘s. Schrieb quasi bis zum Abend durch, dann noch mal spätabends nach dem Essen. Die >>>> Béart ließ ich Béart sein. Wollte unbedingt fertig werden mit dem Entwurf dieses ersten Kapitels.
Als ich zwischendurch, nachmittags, nach unten zur Piazza spazierte, wo ich meine Lieblingsbäckerei aber geschlossen fand (giovedì pomeriggio, nicht dran gedacht), zur nächsten spazierte, ebenfalls geschlossen, dann halt d o c h Supermarkt, und als ich diesmal unten um den kleinen Ört herum zum Löwentor spazierte, durch dieses nun wieder hinauf, sah ich die Szene permanent vor mir, die Personen wurden plastisch, einzelne Bonmots fielen; eigentlich hätte ich dauernd stehenbleiben und sie mir notieren müssen. Und schon war das Ende dieses Eingangskapitels da. Ich hörte den Freund der Heldin sprechen, mir ins Ohr sprechen, als wäre ich sie. Was, darf ich hier selbstverständlich nicht schreiben.
Cagliostro kam mir in den Sinn, gespielt von Jean Marais.
Dazu, wieder oben, permanente Recherche nach Modeaccessoires; außerdem wurde deutlich, daß ich noch einmal in dieses Düsseldorfer Hotel fahren, mir das Interieur noch einmal selbst ansehen, am besten auch abfotografieren muß; die paar Bilder im Netz reichen nicht, und >>>> meine Erinnerung ist unzuverlässig.
Es sind immer die Details.
Am wichtigsten bleibt aber die Perspektive. Um so gespannter war ich auf der Löwin Meinung, spätabends, nach der Fertigstellung zur Frühnacht. Ich schickte ihr den Entwurf, wollte ihr Auge unbedingt drübergegangen wissen, bevor ich den Text zur Contessa gäbe – also raus damit und, bis sie sich melden würde, dem Freund vorgelesen.
Der skeptisch war. Er höre immer mich, keine Frau. Wandte die großen Dichterinnen ein, aber keine von denen hatte je über die High Society geschrieben, nicht mal in ihr gelebt, meistens nicht mal Berührung mit ihr gehabt.
Um so gespannter auf die Löwin.
Die sich völlig einverstanden erklärte. Da war ich ziemlich erleichtert, der Freund allerdings nicht erbaut. Zweimal unterstrich er seine Sichtweise: „Bin ein Bauernsohn“, pochte auf die Grundlagen, Marx hätte „den Unterbau“ geschrieben. Tatsächlich ist die Löwin, in ihrem Berufsleben-Wien, ja Bestandteil der schönen, reichen Welt, not-,na jà,-gedrungener-,quasi,-weise. Und kennt sich aus.
Ich glaube, den Freund stört prinzipiell das Milieu, es ärgert ihn fast. Mir hingegen gefällt es; ich mag es, zwischen den Welten zu surfen, auch real. Es hat mir schon zu Börsenzeiten sehr gefallen, auch wenn man dann hier wie dort stets nur ein Gast ist. Ich habe, kurz gesagt, kein Klassenbewußtsein; ich habe auch keines für meine Generation, teile nicht mal ihre Erinnerungen. Wird auch hier manchmal deutlich, wenn wir Musik hören. Wie viele unserer Generation liebt er die E-Gitarre, indessen ich ihren jaulenden Klang ziemlich unerträglich finde, von seltenen Ausnahmen abgesehen (etwa Meyer Kupfermans Cellokonzert, durch das eine E-Gitarre klingt; auch Pendereckis Partita von 1971).
Einen einzigen Satz nahm die Löwin mir weg: „Das würde keine Frau je denken“ – es war ein körperlicher Satz; sie meinte vor allem eine an sich indes harmlose Vokabel für eine auch nicht sehr heikle Körperregion. – Ich dachte nicht mal dran, auf dem Wort zu beharren. „Gestrichen“, sagte ich. Und war es ziemlich zufrieden.
Gut, einen Beschreibungsschlenker noch. „Wirf‘s raus, hält auf“, sagte die Löwin. Ich abermals: „Gestrichen.“
Sie kennt sich auch gut mit dem Mainstream aus, hat sich quer durch die Unterhaltungsromane gelesen, nicht nur, aber besonders auch die von Frauen geschriebenen. „Gab es überhaupt schon eine Frau“, fragte der Freund, „die in der Hochliteratur mondäne Welten beschrieb?“ Wir rätselten beide. Aber es geht ja nicht um Hochliteratur. Keine Anspielungen, keine Bildungsinhalte, keine langen Reflektionen. Nicht seicht werden, nein, aber auf der Oberfläche bleiben. Daß die See darunter tief ist, darf man allenfalls ahnen.
Das Pfiffige wird später nun sein, den Roman wieder auf eine männliche Perspektive umzuschreiben; die Contessa will ja einen männlichen Autor, >>>> Clancy und so. Zur Glaubwürdigkeit müssen aber Spuren der weiblichen erhalten bleiben – auch und besonders für den – ich nenne es mal: anderen Ton.
Nicht unlustig.
Und immerhin fanden wir, der Freund und ich, nachdem ich mir für den männlichen Helden einen italienischen Namen ausgedacht hatte, einen tatsächlich guten für ihn; eigentlich fand ihn nur der Freund. Darf ich hier natürlich auch nicht hinschreiben.
Jedenfalls kommt mein Kopfmotor wieder auf Drehzahlen, die sich sehen lassen können. Jetzt bin ich auf der Contessa Reaktion gespannt.

Noch einmal alles durchlesen, abschmecken. Dann hinausgeschickt damit!

(Weiß schon, wie das zweite Kapitel beginnt, und wo und wann. Werde auch gleich damit anfangen. Und damit steht auch das dritte fest. Doch sollte ich, m u ß ich mich bremsen, weil die „story line“, sagt man, noch nicht steht. Romane tendieren dazu, sich selbständig zu machen, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Hier geht‘s aber nicht um den ihren, also nicht um Kunst, sondern um den der Contessa. – Ob stimmt, was ich gerade dachte, daß nämlich Kunst genau deshalb verunsichert, indessen der Mainstream-Roman Sicherheit überträgt – die Sicherheit des Geplanten? Weil eben nichts unerwartet dazwischenkommen kann, sondern man sich verlassen? Was mir noch im >>>> Traumschiff Verlaß war, nämlich daß sich ein Text letztlich selbst schreibt, man selbst nur Medium ist – >>>> Fichte spricht von „ausgraben“ -, wird in diesem Projekt zum Hindernis. Genau das darf nicht geschehen. – Verstehen Sie, Freundin, was ich Ihnen mitteilen will?)

(Passenderweise spätspätnachts noch einen Film anzuschauen begonnen, der in geradezu demselben Milieu spielt wie der Roman, sogar in fast derselben Branche. Aber es wurde zu spät, um weiterzuschauen; um 5.45 Uhr wollte ich raus. Übrigens merke ich langsam die nur vier bis viereinhalb Nachtstunden Schlafs mittags nun doch. Deshalb wieder die ausgesprochen kreativitätsfördernde Routine des Mittagsschlafens aufgenommen.)

(Zweifel, ob ich in dieser Gestimmtheit, dieser Konzentriertheit auf den Roman, durch dessen Szenen mein Geist leibhaftig dauernd spaziert, den Ton der Béart überhaupt noch treffen kann, ob ich den Zyklus nicht doch erst einmal beiseitelegen muß. Es hat ja auch etwas Begeisterndes, so völlig in eine neue Welt einzutauchen, die dadurch immer plastischer wird, gegenständlich, voller Gerüche und Blicke. Und die Personen – l e b e n.)

*

(16.15 Uhr)
Das Wichtigste heute, sicherlich: Großes Gefallen bei der Contessa am Entwurf des Ersten Kapitels. Ich schrieb: rausgeschickt, sie whatsappte zurück: Lese schon. Pssst. Dann, paar Minuten später: Schreib sofort weiter! Wieso hört das auf? Und noch in derselben Minute: weiterrrrrrrrr!
Später paar kleine Einwände, Innigkeiten, die sie bewahrt wissen möchte, bei denen ich aber skeptisch bin, literarisch gesehen, nicht tatsächlich. Auch ein neuer Buchtitel flatterte herüber; aber der wird sich sowieso noch einige Male ändern.

Zum Fischwagen runter, Moscardini und Cozze gekauft, wieder rauf. Und in der prallen Sonne die Kjaerstad-Lektüre wieder aufgenommen.
Nun ist wieder Schatten im Hof, aber die Haut braucht auch Ruhe.
Abermals noch ein bißchen an die Contessa-Arbeit. Will mit dem Anfang des zweiten Kapitels herumspielen. Damit es richtige Form bekommt, muß ich aber erst nach Sardinien.Wie ich schon mehrfach schrieb: Erst der tatsächlich sinnliche Kontakt mit einem Ort läßt ihn für mich poetisch transferierbar werden; ich brauche seine Seele. – Doch läßt sich der Claim ohne das schon markieren.

Nebenan, hör ich, öffnet der Freund schon den Wein. Ich für meinen Teil werde bis 17 Uhr warten. Don’t ever touch a running system.

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