„Ausdruck, nie Mitteilung.“ Gegen den Z w e c k. Und abermals für die tragödischen Alten.

HOFMANNSTHAL
Ich liebe es nicht, wenn das Drama sich auf der dialektischen Ebene bewegt. Ich mißtraue dem zweckvollen Gespräch als einem Verhikel des Dramatischen. Ich scheue die Worte; sie bringen uns um das Beste.
STRAUSS
Aber der Dichter hat doch nichts anderes, um seine Figuren zu Existenz zu bringen, als daß er sie reden läßt. Für Sie sind doch die Worte, was für mich die Töne und für einen Maler die Farben sind.
HOFMANNSTHAL
Die Worte, ja. Aber nicht die zweckhafte, ausgeklügelte Rede. Nicht das, was man Kunst des Dialogs oder psychologischen Diskurs nennt und was von Hebbel bis Ibsen und darüber hinaus hoch im Kurs zu stehen schien, auch übrigens schon bei Euripides – und auch bei Shaw, aber sehr gemildert durch seine Lust am Witz, der die Dialektik des Dialogs wieder aufhebt.
STRAUSS
Und bei Shakespeare?
HOFMANNTSHAL
Oh, nicht die Spur davon! Bei ihm ist das Wort immer Ausdruck, nie Mitteilung. Shakespeare hat in diesem Sinn lauter Opern geschrieben, er ist ganz bei Aischylos und meilenfern von Euripides.

[Nach >>>> Helena. Aus dem Programmheft. Vorbereitungslektüre.
Poetologie.]

Ausdruck: darum und n u r darum geht es. Alles andere ist in der Kunst soziopolitischer Tinnef.

7 thoughts on “„Ausdruck, nie Mitteilung.“ Gegen den Z w e c k. Und abermals für die tragödischen Alten.

  1. UND GEGEN DEN (literarischen) REALISMUS.

    (Der Dichter) kann fühlen machen, wie zusammengesetzt das scheinbar Einfache, wie nahe beisammen das weit Auseinanderliegende ist. Er kann zeigen, wie aus einer Frau eine Göttin wird, wie aus einem Lebendigen ein Totes heraustritt – er kann das ungeheure Gemenge ahnen lassen, das durch eine Maske des Ich(s) zur Person wird. Darum nannten die Alten ja Maske und Person mit dem gleichen Wort. Er kann das Verschwiegene anklingen, das Ferne plötzlich dasein lassen. Er kann seine Gestalten über sich selbst ins Riesige hinauswachsen lassen, denn das tun Sterbliche in gewissen seltenen Momenten. In einem ‘natürlich’ geführten Dialog aber ist dafür kein Raum. Das ‘Natürliche’ ist die Projektion des ungreifbaren Lebens auf eine sehr willkürlich gewählte soziale Ebene. Das Maximum unserer kosmisch bewegten, Zeiten und Räume umspannenden Menschennatur läßt sich nicht durch die Natürlichkeit einfangen.
    Hofmannsthal, ebenda.

  2. An dieser Stelle hapert es aber gewaltig: “Er kann seine Gestalten über sich selbst ins Riesige hinauswachsen lassen, denn das tun Sterbliche in gewissen seltenen Momenten. In einem ‘natürlich’ geführten Dialog aber ist dafür kein Raum.” Hier widerspricht er sich erheblich (so er mit den seltenen Momenten solche des Dialoges meint, aber anders machte mir der Einsprengsel keinen rechten Sinn). Wenn Sterbliche das “in gewissen seltenen Momenten” können, dann ist da eben doch Raum dafür im natürlich geführten Dialog. Oder Sterbliche könnten das niemals!

    Ein Bruch, der den Rest der Argumentation – und damit die gesamte – nutzlos macht.

    1. @sumuze und Herbst Logisch betrachtet (denn das versuchen Sie ja wohl), sehe ich keine Notwendigkeit, die “seltenen Momente” des Ins-Riesenhafte-Wachsens ins Herbsts Statement mit Dialogen zu identifizieren. Er lässt das wohl offen: Es könnten auch beliebig andere, z.B. “monologische” Augenblicke sein. Insofern sticht Ihr Einwand nicht.
      Mich würde vielmehr interessieren, was für ein stark gestriges Verständnis von “Natürlichkeit” in der Literatur in Herbsts Denken wirkt. Da wird doch nich etwa der alte Popanz der “natur-getreuen” Abbildung in der Literatur mit Dreck beworfen?

    2. Ein Monolog kann gesehen werden als Dialog mit einem verallgemeinerten Gegenüber. Dann würde mein Einwand doch wieder zutreffen.

      Ich habe aber nochmals über den Text nachgedacht und vermute jetzt auch, daß mit diesen Momenten durchaus solche einer ‘intuitiven Wesensschau’ oder Ähnliches gemeint sein können. Was meinen Einwand dann in der Tat aufhöbe, da sich die kritisierte Aussage dann gegen immanente Kritik immunisieren könnte (via: ich meinte ja was ganz anderes..).

    3. @sumuze. Er meint den “realen” Menschen, nicht den als Literaturgeschöpf. Letztlich spielt er auf das an, was man s e h r allgemein Heldenhaftigkeit nennt, womit wiederum ich Haltungen meine, die gegen die eigene Wohlfahrt zugunsten anderer auch mit ihrem Leben einstehen. Es sind d i e s e Momente, die Hofmannsthal mit mir für d e n Gegenstand der Dichtung hält: imgrunde den kompletten Gegenentwurf zu einer nüchternen sagen wir: Literatur der Arbeits- und Familienwelt. Ich meinerseits habe solche Haltungen >>>> hier behandelt.

    4. @albanikolaiherbst Danke für den Link und den Hinweis. Jetzt werde ich emsig nach Gründen suchen, warum ich anderer Meinung bin 😉 – und mich dann vielleicht wieder hier melden!

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