III,126 – Gehen

Eine Art Biotop die Wohnung hier in B. Vier Fruchtfliegen wie vier Musen, davon drei an der Fensterscheibe, eine am Schraubverschluß der Weinflasche. Aber die beiden Zitronen sehen weder sauer noch schimmlig aus, sondern sind einfach nur gelb. Man geht wie auf Zehenspitzen wie neulich im Wald, zumindest anfangs, bis man die Freistellen mitbekommt und sich in ihnen bequem macht. Sonst kam ich in der Vergangenheit immer nur kurz her, als ein Besuchen war. Ein Hausen mithin (ist aber nicht negativ besetzt, das Gegenteil wäre Wohnen, es sich gemütlich einrichten). Und Schwierigkeiten dann am Vormittag, nach der Lektüre zur Haustür zu gelangen und mich loszuhausen. Schon die Schwierigkeit des Essens. Überall gibt es irgendwas. Aber es bleibt ein Irgendwas. Beschloß also, auch in der Hinsicht zu hausen: Arcaden Schönhauser Allee Nordsee. Zu meiner perversen Freude gab es Fish & Chips. Tüte in die Faust und stracks die baumlose Allee hinunter, futternd, am Ende bloß noch automatisch Chips hineinstopfend. Ein Drittel davon wanderte dann in einem orangefarbenen Abfallsammler. Und ging einfach weiter. Bog ein paar Mal ab, das eine Mal angezogen durch die Formen einer spitzneugotischen Zionskirche, die es immerhin verstand, Figur von sich zu machen. Setzte mich an einen Tisch an der Straße, aber es kam niemand (wie funktioniert das hier eigentlich?). Irgendwann kam der Fernsehturm ins Blickfeld, auch eine U-Bahn-Station. Rosenthaler Platz. Fuhr also bis zum Alex. War aber überhaupt nicht mehr Platz, hatte an Weite eingebüßt im Vergleich zu früher, die komische Weltzeituhr nur noch Dekor und auch nur wahrgenommen, weil ich sie dort erwartete. Neugierde des Stadtschlosses halber. Wie’s aussieht, wird auf ein modernes Gerippe die alte Fassade aufgepappt. “Palazzo di Protzo” (Biermann, Bibel-Ballade). Dann nur noch Beinarbeit bis zur Friedrichstaße. Arcaden wieder. Kaiser’s. Einhausen. B.? Eine Schlafenszeit. Eine Stulle. Morgen zu Freund M.C. nach nunmehr acht Jahren wackliger und dann ins Stocken geratener Kommunikation. Ein Gang im wahrsten Sinne des Wortes.

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2 thoughts on “III,126 – Gehen

  1. Ja, Biotop. Wie seltsam und irgendwie auch märchenhaft, über die Arbeitswohnung aus Pariser Perspektive zu lesen – und wie sie anderweitig wirkt. Die “Arcaden” der Schönhauser Allee allerdings… Aber, ein Tip von K.: Geh abends dort aufs Dach, es gebe dort eine Bar und Liegestühle, und man sehe über ganz Berlin. (Ich selbst allerdings war dort noch nie).
    Für sehr gutes, sehr preiswertes Essen empfiehlt sich das kleine vietnamesische Restaurant, wenn Sie, Herr Lampe, von der Straße, darin die Wunderkammer, rechts auf die Stargarder biegen, die Straßenseite wechseln, dann die nächste Straße überqueren. Nun nur nioch zwanzig Schritte. Das Restaurantchen, man kann draußen sitzen, befindet sich links neben einem Gemüseladen, der die gesamte Nacht über geöffnet.

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