Arbeitsjournal. Dienstag, der 25. November 2008.

16.25 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Erst um halb sechs auf, erst nach eins ins Bett, also okay. Gestern war alles ein wenig durcheinander, aber lebendig, so daß das schon in Ordnung ist. Viel Administratives, außerdem wurde ich endlich die 500er los, die vorgestern kein Aas als Zahlungsmittel annehmen wollte, zumal man sich auch über Banken mehr als nur wundern kann: „Sind Sie bei uns Kunde? Wir sind doch keine Wechselstube.“ Ich hab gedacht, ich hör nicht recht, aber bezeugte einen Schein von Weisheit, weil ich eben n i c h t platzte, sondern es tatsächlich hinbekam, fast flirtend zu erwidern: „Aber für m i c h werden Sie es doch tun?“ Der gar nicht intendierte Nebensinn, der mir erst hinterher auffiel, schien gewirkt zu haben. Als ich dann die neuen Schuhe hatte, häßlich eigentlich, aber billig, und ich brauchte dringend neue, wollte nicht mehr warten, bis mich ein abermaliges Glück erwischt, das mich auf dem Flohmarkt hat nahezu neue Budapester Handgemachte finden lassen, die nicht nur perfekt passen, sondern auch meinen finanziellen Möglichkeiten entsprechen; ich habe, des’ seien Sie versichert, absolut kein Problem, Schuhe zu finden, wie ich sie will, aber sie zu bezahlen, da ist der Haken: das geht bei meinen Vorstellungen immer ab 180 Euro aufwärts. Also schwarze Schuhe für 15 Euro in einem Billigladen erstanden, die ich, sollte ich doch noch fündig werden, einfach an eine Parkbank stellen werde. Die Zeiten s i n d wieder, in denen es Menschen gibt, die solche Funde glücklich macht für einzwei Momente.
Die Zeiten sind wieder. Heute ist Strafpozeß gegen den Jungen, von dem ich schon einige Male schrieb und der so entglitt, eines Freundes. Die Staatsanwaltschaft will das Kind zwischen acht und zwölf Monaten ins Gefängnis stecken, unbedingt offenbar; man hätte den Fall auch niedriger hängen können. Der Bursche hat mit seinen Punkerfreunden während einer Demonstration Polizisten mit Flaschen beworfen, ihn fischte man aus dem Pulk und hat ihn dann angeklagt. Da er die Schule verweigert, da es ein Zuhause quasi für ihn nicht mehr gibt (die Mutter psychisch krank, zumindest labil, der Vater durch die Geschehnisse der letzten anderthalb Jahre völlig ausgebrannt), da der Junge zudem Drogen konsumiert, Alkohol sowieso, ich weiß nicht, was sonst, und bisher alle Therapieangebote verweigert hat, will man ihn von der Straße haben. Mein Standpunkt ist anders: Gibt man den Fünfzehnjährigen ins Gefängnis, wird er restlos gebrochen herauskommen; er ist ein schöner Junge, den werden die Mitgefangenen anal durchficken, bis ihm der After reißt; das ist ein Amen in der Knastkirche. Der Profi gestern nacht >>>> in der Bar, wo ich mit ihm den Fall lange besprach, bei dem ich als Zeuge gerufen bin: „Sag das bloß nicht vor Gericht!“ „Ja, aber weshalb nicht? Das entspricht der Realität. Jeder weiß es, die Anwälte, der Richter, jeder…“ „Sag es einfach nicht.“ Ist der Junge bei uns, wird er unmittelbar wieder Kind und spielt mit unserem sieben Jahre jüngeren Jungen mit Holzschwertern und baut stundenlang mit dem kleinen Freund Lego-Fantasien auf. Ich fahr also heute vormittag nicht in die Arbeitswohnung, sondern bleibe hier Am Terrarrium, auch um dann gemeinsam mit K. und den Zwillingskindlein aufzubrechen. Der Profi: „Hat euch der Anwalt des Jungen geraten, die Zwillinge mitzunehmen? Nein? Dann tut es. Es i s t doch ein Schöffengericht? Dann müßt ihr ins H e r z der Schöffen. Nehmt die Babies mit.“
Das hat dann noch lange das Nachtgespräch daheim beschäftigt; K. war noch auf, als ich kam.

Ich m u ß jetzt an die BAMBERGER ELEGIEN; ein anderer Freunde hat Gedichte geschrieben, die er ebenfalls >>>> Dielmann gab; dieser will deren Publikation an die Produktion der Elegien mit anhängen, material- und drucktechnisch. Der Freund rief mich an: „Kriegst du die Elegien fertig? Bitte. Es ist wichtig für mich.“ Dabei war ich im stillen mit mir übereingekommen, es weiterhin langsam anzugehen, auch wenn das bedeutete, daß die Elegien vielleicht erst in drei, vielleicht erst in zehn Jahren fertig würden. Jetzt muß ich konzerntriert durcharbeiten. DER ENGEL ORDNUNGEN, schrieb ich das schon?, sind dafür auf dem Weg: noch diese Woche, hieß es, solle ich ein erstes Exemplar in der Hand halten. Was mich noch einmal >>>> daran erinnert und daß da zu antworten ist, eine Antwort, die ich in allererster Linie eigentlich mir selbst geben muß. Was n a c h >>>> sumuzes Replik dann wieder an Müll steht, darauf mag ich hingegen n i c h t eingehen; dahinter stehen Probleme, die diese Leute mal besser mit sich selbst ausmachen und ihrer eigenen Selbst-Integrität. Ich selber kann wirklich nichts dazu, wenn sie ihre Sexualität derart verdrängend unters zensierende Über-Ich stellen; ich habe sowieso Glück, mit solchen Personen nicht schlafen zu müssen, sondern daß ich freien Umgang pflege.

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