III,114 – Gärten

Ob verwunschen oder wohlgepflegt, Gärten sind umgeben von Mauern. Wenn man Glück hat, kann man, das Kinn auf die Mauer gelehnt, die Hände stützend etwas nachhelfen, den Blick hinüberrecken und sich nach Feigen sehnen oder von Oliven träumen, die vorerst nur kleine grüne Beeren sind. Oder man kann tatsächlich den Oberbauch als Knickstelle benutzen und sich breiten über Beete, Bäume, Blüten, während eine weißhaarige alte Frau (keine Tautologie: es gibt auch weißhaarige jüngere Frauen) sich über ein Geländer weiter unten beugt und auch mal zu uns hinaufschaut, ein roter Mähdrescher ein Feld in knalles Gelb verwandelt, grüne Traktoren auf die Ausbeute warten und der Blick so weit reicht wie das Auge. Castelli Romani? Da ganz hinten. Wer weiß? Tief dunkel die Silhouette des Soratte. Einmal noch wieder hinauf, als gelte es… Was? Das Leben? Sähe man nur die Mauer, man sähe die Gärten nicht. Vor den Häusern knallen Blumen sich in bestäubende Zufälligkeiten und riechen hier und da zudem recht süß. Als lebt ich auf dem Lande nach wie vor. Sie hatte es mir ja geweissagt, als sie ein paar Schritte im abendlichen Tag noch vorschlug: das gebe doch bestimmt ein paar Anregungen. Wie recht sie hatte. Sonst hätte ich schreiben müssen vom Schlaf, vom Dennoch-Sein, vom gestrigen Abend, zu dem nichts Wirkliches zu sagen, als daß man war inmitten all der Andern, die es auch war’n, aber nicht als Andere. Und “war” meint hier: Präteritum von “Sein”, ohne daß heute nicht auch eins gewesen. Mich juckt der Zeigefinger (wenn so ich’s sag’, ist ein Hervorzieh’n in hoher Absicht schon gemeint), aber jetzt darin blätternd (Hippel, ‘Handzeichnungen nach der Natur’), trau’ ich mich nicht mehr. Zu innig und – ich fürcht’ – für heutige Zeiten widersinnig. Schöpfer sei jeder Mensch, nur nicht jeder Erhalter. Und in der allgemeinen Gottgefälligkeit spiegelt sich heute nichts mehr. Die Zeiten sind nicht so. Mein “gut so!” meint etwas Anderes (das fortwährende Abtauchen ins späte 18. Jahrhundert ist’s). Unterhalb der Weißhaarigen bückte sich ihr Mann. Wir gehen zurück durch die enge Gasse. L’ami belgique auch wieder da: man sieht’s an den Windeln am Fenster. Katzenweh dräut’ in den Tag: die rotschwarzweiße Cleopatra sei schwanger, habe einen tödlichen Schnupfen: “Kauf bitte eine Schachtel Katzenfutter!” Bevor ich zum Supermarkt fuhr am Vormittag. Mein Inneres versuchte die Sorge abzuwiegeln. Etwas sperrt sich in mir. Gegen ein Sorge-Tragen. Gilt in gewissem Maße auch mir gegenüber.

III,113 <<<<

2 thoughts on “III,114 – Gärten

  1. @ Bruno Lampe: S  e  h  r schön, dieses sichBeugen übers Geländer! (Auch wenn ich selbst, als die Stelle noch fehlte, an diese kleine Szene in der >>> AEOLIA dachte:

    Draußen, hinterm langen Zaun, in dem Garten
    ein altes Weibchen, dunkel umschalt, das sich bückt
    und einmal hersieht, wie fragend, während sie pflückt
    zu i  h  m sieht, dann sieht sie hoch bergan

    sieht ganz, den Kopf im Nacken, hinauf zum Vulkan
    als ob von dort eine Antwort käme
    die s  i  e nicht, sondern e  r vernähme
    wendet sich schon zum Boden zurück

    und pflückt weiter ihre Gräser.
    Sie findet was und tut das Stück
    in ihren Beutel, während dorfher Bläser

    die vom Friedhof, denkt man, stiegen
    wie um die Antwort leis zu feiern
    sie in Musik zusammenfügen –

    ).

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .