Und plötzlich ein Bogen von Eichendorff zu Ungaretti, aber eher ein Bogen von einer Ausschließlichkeit zu einer Einschließlichkeit: Wohl vor lauter Sinnen, Singen / Kommen wir nicht recht zum Leben; / Wieder ohne rechtes Leben / Muß zu Ende gehn das Singen; / Ging zu Ende dann das Singen: / Mögen wir auch nicht länger leben. versus >>>> SPRICHWORTE (1966-1969) /// EINS (Rom, im Bett, dösend, in der nacht vom 27. auf den 28. juni 1966) // […] DREI // wer zum singen geboren, / singt auch im sterben // […]. Im Sterben singen oder sterben, wenn’s singen nicht mehr geht. Scheint beides eine Notwendigkeit anzudeuten. Mehr noch: ein tiefer Abgrund zwischen ‘leben’ und ‘rechtem Leben’ bei Eichendorff. Und lag selber dösend, aber zur Mittagszeit, dachte an alles andere als an das. Schlief einfach nur ein, nachdem ich zähflüssig ins ‘rechte Leben’ mich gefügt und auch das ‘eigentliche’ versuchte einzuflechten. Denn es war notwendig, Kaffee und Zucker zu besorgen, und das Hinaus und Über-den-Platz bewerkstelligte dann die Präsenz von St. auf dem Platz (wohl vor lauter Fenstern kommen wir nicht recht zum Leben, und sobald wir auf dem Platze, implodiert das Singen / es singet sich zurechte dann – hinter Wiederfenstern), den ich als sonst recht Wohlinformierten über den heutigen Abend ausfragen konnte. Er bestätigte tatsächlich, dass heut’ wie jedes Jahr die Nachbarschaft in der einen Gasse zwischen hier und dem Theater zum Mampfen versammelt. Gestern war’s nur eine zufällige Andeutung von Sinaida (M’s, der Ukrainerin Mutter), mit der ich zufällig den gemeinsamen Weg hinunter machte zur Via Roma, nämlich, ob ich morgen dabei sei. Stikum, nach dem Zigarettengang, ging es in besagte Gasse zum Spionieren, während auch die Sonne schien, und am End’ derselben auf Lara und Laura, die einen Grill über die Straße wuchteten. “Kommst du auch?” Sinaidas Enkel kam hinzu, fragte mit einem Ball unter dem rechten Fuß nach Lauras Sohn, öffnete plötzlich eine Tür gegenüber zu einer Einzimmer-Höhle, wo ich nie so etwas vermutet hätte. Sinaida darin. Stand auf einem Schemel, und ich dachte, wer weiß was (geistige Stricke strickend). “Entra!” Tat’s aber nur mit den Augen. Tout n’est que vent (Enten Eller – Diapsalmata, aber was heißt das genau?). Es soll also wohl das rechte Leben sein, das unserer dann harrt heute abend. …möchten doch neue Leiden deine Seele martern, und möchten doch die Lippen so geformt bleiben wie bisher; denn der Schrei würde uns bloß ängstigen, die Musik aber, die ist lieblich. (ebd.) Und so ging dieses Bild in La-Lau über und in die Hand, die beim Rückweg ein Rosmaringewächs magisch anzog. Und so beharzt und beherzt, fiel mir ein, daß ich den Samstag mit dem Sonntag verwechselt, was parallel zu ihrem Satz “Ich wußte gar nicht, daß es Samstag ist” entstanden war, weil sie sich wunderte, daß ich heut’ nachmittag noch Zigaretten holen ging, was ich damit erklärte, daß des Tabaccaio Vater eben sonntags den Laden dennoch offen halte, denn er habe sonst nichts zu tun, womit ich schon den Sonntag meinte, um dann die Gasse aufzusuchen, in der … Sie wissen schon. Pour mieux dire, tout n’est rien. (ebd.).
„Когда умирают кони“
Sterben die Gräser, verdorrn sie,
Sterben die Sonnen, erlöschen sie wieder,
Sterben die Menschen, dann singen sie Lieder.
Velimir Chlebnikov, >>> 1912, (dtsch. von mir)