III,75 – also beschreiben

Morgen sind unbedingt zwei Aufschübe zu erwirken: die Sachen wachsen mir ein bißchen über den Kopf: die 10-12-Stunden-Tage beginnen langsam, an der Substanz zu zehren und einen Aus-Tag herbeizusehnen. Vor einer halben Stunde meldete sich auch noch die Schweizerin: fünf kurze Dateien für morgen mittag. Für die nächste Woche bezieht nun M.L. eine der oberen Wohnungen im Hof. Daß sie angekommen, merkte ich sofort daran, daß bei mir kein Wasser mehr lief, denn ihr Hauptanschluss liegt direkt vor meinem, und den Griff hatte sie schon andere Male verwechselt. Sie schlich in der Tat gerade die Treppe hinauf, als ich die Tür aufmachte. Kurzes Zwischenspiel im Pianeta Verde, als ich Brot holen ging: N. ist wieder da aus Kolumbien, aber auch nur, um in ein paar Tagen in Sibiu Theater zu machen und Ende Juni in Spoleto. Herzliche Einladung zu ihrer Vorstellung dort. Werde mich wohl einer Fahrgemeinschaft anschließen. Sollte ich zumindest. Jenseitige Scherzreden mit meinem gleichaltrigen Widergänger Genna’, der auch dort war, zwar einen neapolitanischen Einschlag hat, aber aus Livorno stammt. Wie er mir erzählte, seien seine Vorfahren Hugenotten gewesen, die sich dort incognito niedergelassen hätten. Dennoch gab es jetzt streßbedingt eine Wahrnehmungsverzerrung: was die Schweizerin schickte, ist für Freitagmittag. Gut, gehört also in die Rubrik: Panik. Hatten wir schon mal. In solchen Situationen kommt es auch vor, daß ich nachts davon träume, eine Arbeit vergessen zu haben. Morgens dann das fieberhafte Durchsuchen der eingetroffenen Mails der letzten Tage. Und bevor ich mich dann doch ans Süppchen machte, fesselte mich der sehr distanzierte und auch wieder nicht distanzierte Reemtsma in einem Interview zum Thema Gewalt, Gefangenschaft und auch Depression: >>>> Wir sollten lieber genau anschauen, was passiert, also beschreiben, und uns nichts vormachen. Ob ich wirklich beschreibe, weiß ich allerdings nicht. Eher immer der Drang zu spüren, daß es ein Draußen gibt, das dem Drinnen den kleinen Finger reicht, damit dieses ihn als ganze Hand mißbrauchen kann.

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