Sein oder Wären. Das Wiener Arbeitsjournal des Sonntags, dem 15. Mai 2016, Pfingstens nämlich I und mit Anselm Kiefer, wahrscheinlich.


[Canettinahchicparisien, 7.53 Uhr
Wiener Melange]


>>>> Wiener Schauspielhaus des 13. Maiabends


Ein Anlaß hierherzufahren, war die öffentliche, >>>> im Rahmen eines Wettbewerbs stattfindende, bzw. nun stattgefundene öffentliche Lesung des neuen Stückes Sophie Nikolitschs; halbinszenierte Lesungen, mit teils Regieeinfällen, teils auch keinen oder nur wenigen. Den Zuschlag bekam Nikolitsch schließlich nicht, saß zitternd, die Hände ziemlich kalt, neben mir, hatte schon vorher halb über sich selbst erbost, halb auch ein wenig schockiert gesagt: „Ich darf meine Stücke nicht kürzen für sowas, meine Texte funktionieren so nicht.“ Also war sie aufs Verlieren ziemlich vorbereitet, was die Teilnahme an solch einem Wettspiel aber nicht weniger unangenehm macht. Auch C. hatte geschimpft, derartige „Events“ zeugten von wenig Menschlichkeit.
Kunstbetriebe sind nicht menschlich, und Entscheidungen, schließlich, nicht unbedingt alleine künstlerisch begründet, oft sogar in nur wenigen Fällen. In diesem war sie nachvollziehbar, weil Miroslava Svolikovas Szenen aus witzigen, vor allem gut spielbaren Einfällen bestehen, die sofort die Gunst des Publikums hatten, auch wenn der Text-selbst, soweit er vorgeführt wurde und für meinen Geschmack, zunehmend banal wird und das, was Falk Richter in der Jurybegründung „poetisch“ nannte, vielleicht sogar das Gegenteil war. Aber man hat sich ja auch angewöhnt, Robert Gernhard für einen großen Dichter zu halten, in dessen und als im Namen eines solchen heutzutage Literaturpreise vergeben werden. Für Wersnichtweiß: in Frankfurt am Main.
Die deutsche Sprache verliere ihre Differenziertheit, banalisiere sich sogar grammatisch: Darüber hab ich dieser Tage viel gesprochen. So sprach auch einer der Eröffnungsreder von der, ich glaube, Ansicht „des Büro für soundso“; der Genitiv wird entbehrlich: „An den Ufern des Nil“, „Die Ringe des Saturn“ und was dergleichen Unsäglichkeiten mehr sind, zu denen auch auch die Verwendung des Irrealis in der indirekten Rede gehört, eine gleichsam Überschüttung der „sei“s mit den „wäre“s: Whether ‚tis nobler in the mind to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing, end them? To die: to sleep –

Ich geh hier viel, eigentlich alles zu Fuß, die Fahrt vom Flughafen ausgenommen und die | heut abend zu ihm. Unterdessen habe ich ein ganz gutes Gefühl für die innere Topographie der Stadt, war allerdings erstaunt, wie lang sich der Naschmarkt hinzieht, den ich gestern auf dem Weg zum Rüdigerhof entlangflanierte, wo ich Jürgen Schütz, Verleger von >>>> Septime, traf. Wir saßen, endlich schien sie wieder und prallte sogar ein bißchen, draußen in der Sonne. Ich habe ihm meine Lektorin vermittelt, die nun eines der dort neuen Debuts betreuen wird, für den Anfang; Schütz hat mehr mit ihr vor. Gut. Ob nicht auch ich aber… –
Ich erzählte von den Triestbriefen, sagte aber nur “eine Art Liebesroman”. Wichtiger war, daß Septime nun das zweite große Buch Jan Kjaerstads herausbringt, für das ich mich auf jeden Fall einsetzen werde. Sowie erschienen, geht es zu mir auf den Postweg. Dann kam >>>>Terpsichore dazu, die sich unterdessen zu einer, muß man wohl sagen, Meisterstudentin der analytischen Philosophie geschält hat, die Deckblätter der lange drunter verborgenen Blüte haben sie, also diese, freigegeben, und ein glühendes Pfingstrosenrot, des Rationalismus, explodierte hervor, saß so extrem langbeinig, die präzisen Blicke hinter dunklen Divengläsern, vor mir, ruhend in sich die ganze Person, die Hände an sicheren Relingsläufen über dem sich in Windstille tarnenenden Meer.
Ich las zweidrei Gedichte vor, war gut gestimmt, weil ich morgens tatsächlich den gesamten Lyrikband fertigbekommen hatte, fertigbekommen habe, sollte und muß das heißen. Über den Daumen gepeilt 250 bis 300 Buchseiten, je nach Satzgröße. Natürlich höchst fraglich, wer sowas herausbringt. Heute geht das Typoskript an >>>> Elfenbein hinaus, wiewohl mir der Verleger schon gesagt hat, er wolle das derzeit flüssige Geld erst einmal in die drängenden Neuauflagen von >>>> Thetis und >>>> Buenos Aires stecken; für einen weiteren Gedichtband sei da nicht Raum, zumal eh schon zwei neue Lyrikbände im Programm stehn.
Einsichtig.
Doch der Vorlauf.
Wieso “produziert” man so viel. War auch eine Frage, über die ich mit Schütz sprach. – Weil man muß. “Hätte ich”, sagte ich, “das Geld, würde ich einmal um die Welt reisen, einzwei Jahre lang, dann ließe ich alle Projekte liegen.” Es liegt eh schon zu viel. Etwa stockt die seit nun schon Jahren geplante Zusammenstellung und Überarbeitung der >>>> Paralipomena, vor allem auch ihre interne Verlinkung zu einer Art von halb assoziativem, halb deduktivem System: etwas, das sich nur als eBook realisieren läßt, zwar dieses dann als literarische Form ernst nähme, aber ausgesprochen kompliziert ist, und dies nicht nur, weil es eines Programierers, den ich ja habe, bedarf. Ich werde Schütz mit >>>> Broßmann zusammenbringen, weil er, Schütz, über etwas ähnliches nachdenkt, eines anderen Autors: Das Register als interaktiv verschaltendes Kunstwerk, man könnte es eine neumediale Performance nennen.
Friedrich II, meine Lektüre, steht grad ebenfalls still.
Mein Flieger zurück nach Berlin wird um 21 Uhr starten.
Der Gedichtband hat seinen Namen bekommen: Derelvelieder, nach dem gleichnamigen Zyklus darin. Ich habe her- und hinüberlegt, sagen wir: locker besonnen.

Gestern nacht dann abermals >>>> Filmbar. Nur wenige Leute dort, zu meiner Überraschung. Das Glas Wein zu zweidreißig. Wir sprachen über Syberberg und Godard. Nikolitsch kam hinzu, sehr spät dann auch C. noch, mit dem ich mich auf dem Rückweg stritt. Die Verletzungen brachen wieder auf. War heftig und nicht schön. Ich verzog mich ins Bett, C. setzte sich kurz an den Rand, nahm meine Hand. Das weiß ich noch. Dann war ich weg. Alle Beruhigung ist kaum eine Haut.
Heute morgen, im Aufwachen-selber, fiel mir ein: Man hat ein Bein abgesägt und einen Plock drangebunden bekommen. Den soll man nun als Erfolg begreifen, denn immerhin: so läßt sich’s wieder fortbewegen. Doch bleibt’s halt ein Pflock, und mühselig hinkt man sich weiter. Um von den Schmerzen besser erst gar nicht zu sprechen. Sie nicht zu zeigen, hat man gelernt, und trägt Anzug.
Allein der Text ist ehrlich.

ANH

P.S.: Wenn ich’s schaffe und nicht zu nervös nachher bin, geht’s mittags >>>> in die Albertina: Ich habe diese Holzschnitte noch nie im Original gesehen::


Die Videos >>>> d o r t.

P.P.S.: Gegen 19 Uhr in die S7, mitternachts wieder daheim.

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