Alberto Zedda und sein Rossini, das hat an der Deutschen Oper Berlin unterdessen Tradition. Wirklich, und berechtigterweise, hat der >>>> kleine alte, hochnervöse, immerlächelnde Mann dort nicht nur Fans… nein, er wird geliebt. Das war gestern abend wieder deutlich zu spüren; auch wenn das Haus nicht ausverkauft war; der Applaus wogte, wie wenn es überfüllt gewesen wäre. Zedda schwimmt in dieser Liebe, nicht eitel, sondern aufgehoben. So dirigiert er auch, mit einem Temperament, das dem Orchester manchmal etwas vorausläuft, es aber immer wieder mitzieht und dann, es befeuernd, ganz herrlich musizieren läßt.
Leider, vielleicht aus Kostengründen, war >>>> Lothar Zagroseks Ansatz einer konzertanten Erzählung bis hier nicht vorgedrungen, so daß es trotz des unsichtbar auf die Hinterbühne positionierten Fernorchesters bei einer konservativen konzertanten Aufführung blieb – auch wenn vor allem, das ist ein Frauenname, >>>> Hadar Halévy als stimmlich enorm präsenter Malcolm, aber auch >>>> Reinhard Hagens Duglas immer wieder versuchten, wenigstens durch Blicke ein wenig Spiel auf die Bühne zu bekommen. Tatsächlich braucht, wer die Geschichte kennt, keine Bühne, die schafft er sich, auch mithilfe der Musik, in seinem Innern selbst. Doch die Interaktion zwischen den Sängern muß stimmen. Dann sieht man auch ohne großen technischen Aufwand einer Inszenierung zu, zumal einer, die, weil eben Innenbild, nie peinlich werden kann: Was einer in Innenbildern schafft, staffiert er sich ja selbst aus. Doch in der Deutschen Oper, gestern abend, letztlich, focussierte sich „Inszenierung“ allein auf den Rossiniforscher und Dirigenten Zedda – was freilich ein Genuß ist, der das rundweg rechtfertigt. Wie hier die Liebe eines Interpreten zu seinem lebenslangen Forschungsobjekt auf Orchester und Publikum übergeht und wie sie mit Liebe erwidert wird, die wiederum Zeddas Liebe zu Rossini zusätzlich anheizt, und wie diese Liebe manchen Beteiligten zu künstlerischen Leistungen ja, verführt, die sonst vielleicht über ihre Kraft gingen, ihnen so aber eben diese Kraft verleiht – dem kann man in der Tat nur mit Glücksgefühlen folgen und jubelt völlig zu recht. Dabei ist etwa >>>> Antonino Siragusas, der den Uberto sang, Tenor besonders in den Höhen nicht sehr schön; der Mann gleicht das paradoxerweise dadurch aus, daß er sie dennoch nimmt und immer, in den einfacheren Lagen der Schlußsentenzen, mit einer besonderen Phrasierung abschließt, einer kleinen, doch merklichen Volte, die etwas momenthaft Deklamierendes in die Arie gibt. Hat man dann in der Höhe, weil sie leicht schrill, leicht gepreßt wirkte, zusammengezuckt, ist es, schließt der Sänger wieder ab, als streichelte er einem, vermittels dieses besonders seelenvollen Tones, gleich doppelt das Herz: solche beseligenden Momente wären ohne eine kurze Schrillheit zuvor gar nicht möglich.
Und Inszenierung war auch die – in für den Stoff szenefremder Abendgarderobe – stupende Schönheit >>>> Ruxandra Donoses, deren dunkles Collier so permanent hell über ihren Schlüsselbeinen und durch den ganzen Abend funkelte, wie ihre weiblich-samtige Stimme voll dunklen Lichtes war: Frau Donose erfüllte das szenische Spiel, indem sie quasi über dem Spiel ihren Partnern und Einsatzgebern zulächelte, und auch ins Publikum lächelte, was etwas von einer durchaus nicht unerotischen Leitung durch die Handlung hatte, die einen neben der Handlung an die Hand nimmt.
Nein, kein Abend der Erkenntnis, keiner der inneren Auseinandersetzung und des Erfahrungsgewinns. Aber einer des guten Einverständnisses, einer, an dem man zusammenkommt, um hörend zu feiern und sich dabei wohlzufühlen. Keine Tat, gewiß nicht, aber ein Fest, und musikalisch auf hohem Niveau. Rossinis, >>>> der so gerne aß, Genie hätte das, ich bin mir sicher, mehr als nur gefreut. Wäre nicht an diesem Tag ein anderes Genie, eines unter uns, wäre gestern nicht Karlheinz Stockhausen gestorben, ich hörte bis jetzt noch in den hohen Gläsern des Klanges Champagnerperlen funkeln. So haben wir nun, Sopran-Solo nach Brahms und der Bibel gesungen, Traurigkeit. Aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen.
[Weitere Aufführungen:
>>>> Sonntag, 9. 12., 19 Uhr.
Mittwoch, 12. 12., 19.30 Uhr.]
Zedda zu Rossini finden Sie >>>> hier.)
NOTA:
Stockhausen starb bereits am 5. Dezember, die Nachricht hat mich aber erst gestern erreicht. Insofern stimmt mein Schluß der Rezension, auch wenn er sachlich irrt. Hier möchte ich das so stehenlassen. Fürs >>>> Opernnetz hab ich ihn umformuliert: „Hätte mich nicht direkt danach die Nachricht erreicht, es sei gerade ein anderes Genie, eines unter uns, gestorben, wäre nicht Karlheinz Stockhausen gestorben, ich hörte bis jetzt noch in den hohen Gläsern des Klanges Champagnerperlen funkeln. “