In dem Garten der Pfade, die sich verzweigen: Sitzend. Eine arkadische Fantasie, um Jorge Luis Borges gesonnen. Erste und Zweite Szene.

Quain
Ferri
Ashe
:
Drei sehr alte Männer; sie sprechen
eher hart; sentimental sind sie nur
dort, wo eigens angegeben.
Junge Frau:
Die sehr junge Stimme sollte in
die einer älteren Frau wandelbar sein
Kinderstimmen (Archiv).

Der Friedhof Plainpalais in Genf. Man hört Vogelgezwitscher, bisweilen etwas Wind in Geäst, dann wieder entfernte Stimmen. Einmal zieht ein kleiner Trupp Trauernder vorüber; dann wieder weint jemand. Das ist aber alles sehr undeutlich. In der Ferne vielleicht auch ein gelegentliches Autogeräusch. Die drei Alten halten jeder für sich dasselbe Selbstgespräch.

QUAIN Ich habe mich immer gefragt, wie eine Eibe klingt.
FERRI Jaja. Summt einen Tango.
QUAIN Eigentlich schade, daß ich nie singen konnte.
FERRI Bioy konnte es. Wie Bioy singen konnte!
QUAIN Adolfito. Wobei er etwas ironisch lacht: Ein guter Junge. Spöttisch: J o y c e hat er geliebt!
FERRI War das 1930? Ich entsinne mich nicht… I c h konnte den Ulysses n i e zuende lesen.
QUAIN Oder 1932? 1932 wird es gewesen sein…
FERRI Er hat mir gerne zugehört.
QUAIN Das hat mir immer gefallen. Er war so viel jünger. Ich habe nicht mehr nur für mich gesprochen.
Stumm. Nur die Friedhofsgeräusche.
QUAIN Und kann jetzt die Eibe hören.
FERRI Sie klingt schön. Also der Wind in ihr.
QUAIN Da liegt er nun… Wie vom eigenen Gedanken irritiert: Er?
FERRI Liegt da, und ich gucke ihm beim Liegen zu. – Eigentlich geht mir der Wind auf die Nerven.
FERRI Auch die Eibe. Also diese Eibe geht mir auf die Nerven.
ASHE Gab es Zuhause Eiben?
QUAIN Ach Palermo.
FERRI Buenos Aires.
QUAIN Selbst in Adrogué gab es keine Eiben. Aber was bemerkt man schon als Kind?
FERRI Im Garten standen die Palme, die Windmühle… Sentimental: War die Windmühle nicht rot?
ASHE Das Universum setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen…
QUAIN Wenn e r nicht gewesen wäre, hätten Norah und ich immer weiterspielen können. Sie ist nun schon lange tot.
ASHE Alt werden ist so. Kein Gefühl!: Alle gehen weg.
FERRI auch ohne Gefühl: María nicht. Sie ist rührend.
ASHE Mastronardi, Milton, Victoria, Farid Hushfar, Carlos Argentino… Nicht klagen, nur feststellen!: Sie fragen einen nicht, bevor sie gehen.
FERRI Mein Altern ist eine Art, geliebt zu werden.
QUAIN Allein bin ich seit je. Ein Ding ist mehrere Dinge.
FERRI Ich habe mich immer vor Spiegeln gefürchtet.
ASHE In meinem Kinderzimmer hingen drei große Spiegel, und ich hatte heftige Angst vor ihnen, denn ich sah mich selbst im Dämmerlicht.
FERRI Ich hatte große Angst davor, daß die drei Schemen vielleicht beginnen würden, sich von selbst zu bewegen.
QUAIN Spiegel vervielfachen uns.
FERRI schroff ablenkend, grantig: Norah soll sich endlich melden!
ASHE milder: Wahrscheinlich findet sie nicht her, sie hat sich verlaufen. Das wird die Erklärung sein.
FERRI Oder daß sie nach Quilos sucht… Aber nein! Wie könnte sie!
ASHE Quilos ist eine Erfindung von Norah und mir gewesen… als wir Kinder waren…
FERRI Ich war Kind. In sich: Wann soll das gewesen sein?
ASHE Papa hat uns ja nicht in die Schule gelassen… Wir erfanden uns die Spielkameraden. Er hat allen Institutionen mißtraut. Erst als ich neun war, durfte ich hin. Ich hatte bereits Homer gelesen.
QUAIN Na gut… ich übertreibe.
FERRI Aber ich schwindle nicht: Mit zehn ist meine erste Übersetzung erschienen.
QUAIN stolz: In „El País“!
FERRI Man hat es natürlich für Vaters Übersetzung gehalten.
ASHE wegwerfend: Es ist ohne Bedeutung, wer der Urheber ist
FERRI Doch seit meinem sechsten Lebensjahr wollte ich Schriftsteller werden.
ASHE Wie ich den Eukalyptusduft vermisse! D a s ist Kindheit: Eukalyptus.
FERRI E r wollte Schriftsteller werden, nicht ich.
QUAIN Gegen ihn haben Norah und ich uns Quilos erfunden…. Das war ein Tunichtgut!
ASHE Windmühle aber auch! Windmühle war sogar noch frecher als Quilos.
FERRI Rosebud.
Stumm. Nur die Friedhofsgeräusche.
FERRI in Richtung des Grabes: E r ist schuld. Er hat aus unserem Garten eine Bibliothek gemacht…
ASHE …mit weiten Entlüftungsschächten in der Mitte, die mit sehr niedrigen Geländern eingefaßt sind. Von jedem Sechseck aus kann man die unteren und oberen Stockwerke sehen: ohne ein Ende.
FERRI spuckt verächtlich aus.
QUAIN Irgendwo da hocke ich jetzt.
FERRI Ich höre mir zu.
ASHE Ich spreche in einer der zahllosen Galerien.
QUAIN Sitzend. Im Garten der Pfade, die sich verzweigen.
FERRI Die Spiegel hatten recht.
QUAIN Ich hatte recht, mich vor ihnen zu fürchten.
ASHE Manchmal brauche ich einen Stock, manchmal nicht.
FERRI Manchmal bin ich blind. Manchmal nicht.
ASHE ruft ins Leere: Hört mich jemand? Lauscht.
Stumm. Nur die Friedhofsgeräusche. Oder, allenfalls ungefähr, Kinderstimmen. Irrt er sich, irren wir, die Hörer, uns? Was haben wir da eben vernommen?

[Auf Halde.
Entstanden um 1980.
Wird fortgesetzt.]

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