Paul Reichenbach am Donnerstag, den 26. Juli 2007. Stilblüten.

Der Tag begann heute nicht, wie er sonst normalerweise beginnt. Schlecht gelaunt, was selten vorkommt, morgenmuffelhaft, stand ich vorm Spiegel im Bad und wollte mich rasieren, als plötzlich, es war so gegen 6.00 Uhr, das Telefon klingelte. Ich solle doch, schrie mir da eine weibliche Stimme entgegen, mir die Perlen sonst wohin schieben, sie wäre nicht zu kaufen, tönte sie noch, als ich einwendete, dass ich nicht weiß wer sie ist und wovon sie rede. Bist du nicht Karl Schmidt ? Nein – sagte ich lachend, und ich merkte wie die Dame, sichtlich verlegen offenbar, etwas entspannter wurde. Sie haben mich beim Rasieren gestört meinte ich noch, als sie bereits aufgelegt hatte. Nein, ich heiße nicht Karl Schmidt und werde weder mit K und DT, wie der Besitzer eines Fuhrbetriebes im Nachbarort, noch mit C und TT, wie der nicht ganz makellose Rechtsprofessor Carl Schmitt, geschrieben. Ich habe überhaupt kein C im Vornamen und im Familiennamen ist auch kein T präsent. Carl Schmitt, der Anruf brachte mir in Erinnerung, dass ich meine Hausaufgaben noch nicht vollständig gemacht hatte. Denn über jenen, mit Schuld behafteten Staats – und Völkerrechtler ,bin ich IHR noch eine lange Mail schuldig. Schmitt ist ein hervorragender Stilist, wird jeder sofort merken, wenn er etwas von ihm liest und ein Exempel dafür, dass Formenbeherrschung nicht automatisch edler macht.

Nehmen wir den Maler >>>La Tour z.B.: Er ist für mich, ohne Frage, einer der bedeutendsten Künstler, der mir via Bücher und Galerien über den Weg gelaufen ist. Menschlich war er, dass was man eine Sau nennen kann. Als Kleinbürgersohn, der im absolutistischen Frankreich in den kleinen Adel hinein geheiratet hatte, zeigte er sich seinen Mitbürgern in Luneville aristokratischer als jeder Aristokrat, dessen Wurzeln vielleicht bis zu Karl den Großen reichten. Dass La Tour der Maler einfacher Bauern, Bettler und Heiligen war, steht nur scheinbar im Widerspruch zu seiner verächtlichen Arroganz gegenüber den kleinen Leuten von Luneville, die den reichen Grundbesitzer und Maler hassten. Lange von der Kunstgeschichte vergessen, wurde er im Frankreich der Volksfront, wieder entdeckt und musste sogleich, wegen seiner Sujets, als Volksfreund, herhalten. La Tour, ich zitiere frei nach John Berger, wurde kompromisslose Wahrheitssuche und ein Gefühl der Sympathie, das alle Menschen vereint, unterstellt. Im Gegensatz zu Caravaggio, ich würde Pasolini als seinen Wiedergänger bezeichnen, der seine Bilder situativ lebte, bevor er sie malte, wirken La Tours Gemälde auf mich irgendwie kalt. Malt er Menschenfleisch, dann leuchtet es, wie bei Caravaggio, hat aber, so meine ich, kein Leben. Ihn interessierte mehr die Wirkung eines Schlagschattens auf der Leinwand als Schläge, die die Armen empfingen, le peuple, und, die sie im Schatten halten sollten. Die Bilder sind konstruierte Harmonien der Kälte. Sie bilden Schemata, Allegorien ab, denen jede Moral fremd ist. Sie urteilen nicht.
Scheme – bedeutet im Englischen, lasse ich mich von Berger belehren, nicht nur Plan, sondern auch: Projekt, Vision, abgekartetes Spiel und Intrige. Der Künstler La Tour sieht die Welt, den Menschen allegorisch, als immer wiederkehrendes Muster, das sich nicht verändern lässt. Die Bedeutung des Anderen, des Du, anders bei Caravaggio, bleibt ihm verborgen. Seine Kunst, weder Chiffre noch Symbol, ästhetisch auf höchstem Niveau, ohne Sentiment, ist den Ansichten eines Valmont (Les Liaisons dangereuses) mehr verwandt, als mancher, darunter zähle auch ich, wahrhaben kann und will.

Ich verliere mich….

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .