Paul Reichenbachs Mittwoch, der 11.Juli 2007. Leviathan.

Chacun prend à l’ennemi,
qu’il le veuille ou non.

Französisch liest sich der Satz – Jeder stiehlt vom Feind, ob er es will oder nicht. – angenehmer als im Deutschen. Wenn das eigene Phantasma übermächtig zu werden droht, leiht man sich gern Methoden des Gegners aus, selbst wenn er daran nachweislich erstickt und untergegangen ist. Es ist nicht die Person oder die Denke unseres Innenministers, den Mann schlugen bereits finstere Götter, der mich auf die Palme bringt, sondern die Reaktion an der „Basis. Ich war gestern in der Kneipe, mein Stammtisch traf sich. Alles honorige Herren, das politische Spektrum ist da in fast allen Farben vertreten, dachte ich noch bis zu dem Moment, als das Gespräch auf die mir Angst machende Schäubelei kam. Präventiven Finalschuss fanden sie ebenso okay, wie die Einrichtung von Internierungslagern. Handy- und Internetverbot für „Gefährder“ – was für ein perverser Begriff ! – wird mit der Bemerkung „Wir müssen uns schützen“ billigend in Kauf genommen. Nehmen wir mal an mein kleinbürgerlicher Stammtisch sei repräsentativ für eine breite Schicht in der Bevölkerung, dann sehe ich schwarz für unsere Gesellschaft. Auch wenn zur Zeit die Medien noch Gegenhalten wird das nicht viel nützen. In einem anderen Zusammenhang, es geht um Methodenrealismus in der Justiz, schreibt der >>>Konstanzer Juraprofessor Bernd Rüthers:Einmal etablierte Systemideologien wirken in der Regel weit über den Bestand des zugehörigen politischen Systems hinaus. Je nach Dauer von dessen Existenz und der Intensität seiner Verwurzelung in den Köpfen und Herzen wirken sie bisweilen noch Generationen später.* Wie wahr, dachte ich beim Lesen. Und mein Stammtisch fiel mir ein. Es ist fatal, wenn außerrechtliche Glaubensätze und Wertvorstellungen mit allgemeiner Jurisprudenz verknüpft werden. Schäuble tut dies und eine Frau deckt ihn.

* Quelle: Juristenzeitung 2006, Heft 2, S.53 ff.

7 thoughts on “Paul Reichenbachs Mittwoch, der 11.Juli 2007. Leviathan.

  1. Es sei kein Demokrat mehr, hat Günter Gaus vor seinem Tod gesagt. Dem ist wenig hinzuzufügen. Aber das Wenige bedeutete viel: sich über die Bedingungen der Möglichkeit von Demokratie noch einmal grundsätzlich zu verständigen – und zu verstehen, wo sie – durch sich selbst – von Beginn an gefährdet ist. Vielleicht muß man sie verwerfen – falls sie, w e i l Postulate, so wenig wie Kants Postulat Gottes t a u g e n.

  2. ‘Demokratie ist tun, was geschieht’, sagt Dr. Meingast im ‘Mann ohne Eigenschaften’ und das scheint mir nach wie vor die überzeugendste,
    weil unverblümteste Definition zu sein…

  3. Nehmen wir mal an mein kleinbürgerlicher Stammtisch sei repräsentativ für eine breite Schicht in der Bevölkerung,…

    Ita est. Da überkommt einen wirklich ein eiskaltes Grausen.

    1. Lassen Sie mich mit Werner Krauss antworten, knapp zwar und doch treffend , wie ich finde.
      Die Unverträglichkeit eines schwankenden Lebensgefühls führt den Menschen in die Isolation einer eingebildeteten Sendung, macht ihn zur Beute einer lebenszerstörenden Ideologie. (Werner Krauss, Moliere und das Problem des Verstehens. )
      Die Furcht, gespeist von Xenophobie, wobei hier nichr nur die Fremden gemeint sind, sondern das “Fremde an sich” mitzudenken ist, vor Veränderungen eingefahrener und scheinbar bewährter (bewehrter) Verhältnisse regiert die Mehrheit, vermute ich. Es ihr nicht vorzuwerfen. Mein Vorwurf gilt denjenigen, die sich propagandistisch als apokalytische Reiter verdingt haben. Ihr derzeitiger Parforceritt der Angst ist von einfachem Interesse, dem des Machtausbaus, geleitet. Die Kontrolle über die Bürger verspricht mehr Sicherheit für sie, als für die Gesellschaft. Wer schleichend den Einsatz einer Wehrpflichtarmee, ich erinne an die Vorfälle während des G8 – Gipfels, vorbereitet, bereitet unabhängig, ob gewollt oder nicht, zukünftigen bürgerkriegsartigen Szenarien den Boden. Im absolutistischen Staat, auch im demokratischen, galt die Devise, wenn auch unvollkommen, des Interessenausgleiches. Diese friedensstiftende Linie der Balance ist längst verlassen worden. Ergo reagiert der Stammtisch und findet dann die Sündenböcke, die ihm unmerklich eingeflüstert wurden.

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