Paul Reichenbachs Mittwoch, der 7. März 2007. Travestie.

Dorotea… kein Ding ist öffentlicher als die Liebe.
(Lope de Vega, La Dorotea)

Nichts blieb verborgen und geheim, wenn sie sang.
Ich wusste immer wann sie lieben wollte, ihr ganzer Körper, nicht nur der Kehlkopf vibrierte dann, war Spannung, Musik. Ihr einziges Problem beim Singen wäre, erzählte sie mir einmal, dass sie manchmal Angst habe die Kontrolle über ihren Unterleib und damit die Stimme zu verlieren. Ich bin ein Cello auf dem Händel, Mozart, Verdi und Wagner, über die Saiten streichen, und war gut, wenn ich mich beim letzten Ton fließen spüre. An ihrem Gesang konnte ich hören, ob sie ihren Eisprung oder die Regel hatte. An den Tagen ihrer Blutung sagte sie meist die Vorstellungen ab. Meine blecherne Röhre an solchen Tagen kann ich dem Publikum nicht zumuten, war ein stehender Satz von ihr.
Sie schlief mit mir, und ich führe hier nur Mozart an, als Dorabella, Cherubino und Ramiro. Wer sie wirklich war und ob sie mich meinte, das sollte ich nie erfahren. Einmal sang sie den Orfeo in Glucks Oper. Die Nacht danach – eine einzige Travestie – heilte mich. Von da an begannen das dicke Tau, die Fäden, die uns verbanden zu reißen. Und als sie in aller Öffentlichkeit mit einem Konzertgitarristen schmuste, einen verweichlichten Typen, und ich sie zur Rede stellte, schien sie ernsthaft erstaunt, schaute auf die Uhr und fragte empört: Was willst du denn? A. brauche ich als Euridice, das hat doch mit dir und uns nichts zu tun. Drehte sich um und ging mit diesem Detlev zur Theaterpforte. Ich sah ihr nach. Wütend und traurig. Sie aber blickte nicht zurück.

O DIESES ist das Tier, das es nicht giebt.
Sie wußtens nicht und habens jeden Falls
– sein Wandeln, seine Haltung, seinen Hals,
bis in des stillen Blickes Licht – geliebt….

Rilke

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