Vergeltung für Bewunderung.

Der, hätte Nietzsche formuliert, feine Charakter hat allen Grund, sich an persönlich ihm gegenüber geäußerter Bewunderung zu rächen. Denn sie vereinnahmt.

(LXXXIV)

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[NACHTRAG (9. September):



sich an persönlich ihm gegenüber geäußerter Bewunderung


Hier muß etwas geändert werden, die Formulierung stimmt noch nicht. Sie ist unschön. Was ästhetisch bedeutet: Noch ist sie nicht zur Gänze wahr.
Es geht, spüre ich, um den Rhythmus einer Wahrheit.]

7 thoughts on “Vergeltung für Bewunderung.

    1. Bewunderung? Pfffhhh! Warum? Weil sie nicht auf einem Verstandesurteil beruht, sondern bloß auf Gefühlen; und die können sich jederzeit ändern. Just deshalb werden Idole heute angebetet und morgen verteufelt. Wertschätzung hingegen ist ganz etwas anderes. Sie wird einem von Personen zuteil, die etwas von der jeweiligen Materie verstehen. Ihnen geht es allein um die Sache, ohne Ansehen der Person. Nur solche Menschen sind letztlich dazu in der Lage, die Bedeutung eines Menschen oder eines Werks zu ermessen.

      Hier ein Beispiel. Nach meinem ersten Auftritt mit der Bremer Band Schwarze Spiegel wurde ich von der Toilette von einem wildfremden jungen Mädchen begeistert umarmt. Abgesehen von dieser Distanzlosigkeit war es mir unangenehm, weil sie mir sagte, ich hätte sooo toll Schlagzeug gespielt. Dies aber, so spürte ich sehr deutlich, hätte sie mir nie gesagt, wäre ich ein Mann gewesen. Es ging ihr nicht um die Leistung als solche, sondern darum, daß eine Frau sie erbracht hatte; denn schlagzeugspielende Frauen waren damals noch seltener als heute. Also fühlte ich mich unwillkürlich von ihr (wie in ähnlichen Fällen auch von anderen Frauen und von Männern) vereinnahmt: weil sie in mir eine Erweiterung ihrer Person sah, so wie alle Fans. Der Star auf der Bühne muß stellvertretend für sie das tun, wozu sie nicht fähig sind. Ist er aber ein feiner Charakter, so liegt ihm gar nichts daran. Denn er begreift sich nicht als Diener des Publikums, sondern der Kunst.

      Alles darüber (und also auch über die vermeintliche Arroganz des Künstlers) hat Thomas Mann in seiner Erzählung Das Wunderkind geschrieben.

    2. @ ferromonte:

      eben, und ist er ein feiner charakter, wird er sich davon auch nicht vereinnahmt fühlen. *lächel*

      Sie irren und lächeln gar zu früh, mein Herr. Und warum? Weil Gefühle weder fein noch unfein sind. Sie sind einfach da und haben ein Naturrecht darauf, gefühlt zu werden. Besonders feine (d.h. unverbogene) Charaktere billigen ihnen dies Existenzrecht zu. Letztlich zeichnen sich nur dadurch aus, daß sie vernünftiger (d.h. sozial verträglicher) mit ihren Gefühlen umgehen können als 95 % der übrigen Menschheit. Seit Freud sollte dies allgemein bekannt sein.

    3. ah, ich verstehe: der neue wilde, sensible und unverbogene, ursprügliche, der weint, wenn ihm danach ist oder sich von einem bewunderer beleidigt fühlt. wie schön, natürlich und fein. und sozial verträglich, auch wenn das nur eine elite von 5% der menschheit betrifft.
      aber künstler wollen sich solche übermenschlichkeiten herausnehmen dürfen, frei nach nietzsche.
      diese feinheit, wie ich sie sehe, fordert noch mehr: soviel soziales gefühl, daß sie den bewunderer in seiner situation (meinetwegen: die pathologie des starlets) sieht/erkennt und daher die hervorgerufenen gefühle richtig interpretiert .

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