Nebelkammer (1). Argo. Anderswelt. (64).

Dies war nun ein Kitzel, den Cordes festhalten wollte; zugleich erleichterte es ihn, daß es so schnell vorüberging. Er sah von hoch oben auf Wagen Frauen Publikum, dann schon den Ort insgesamt, aber schließlich nicht etwa Welt, sondern flüchtige, sich ständig erneuernde Kondensstreifen, kurze dünne Fäden und sich aufblähende Körper wie von Gespenster-Raupen, dann schon den glasgedeckten Kasten, vielleicht zwei Meter auf zwei Metern Fläche – und ein Gesicht, meines, das hineinschaut und den beiden Jungens erklärt: Alles, wir, der Raum, der Boden, die Versuchsgegenstände, die Berge und Häuser, der Kosmos selbst, sei durchzogen davon, so daß die Verfaßtheit von Welt, fotografierte man sie, aussähe wie eine tausendfach gesprungene Milchglasscheibe.
„Das ist auch in dir?“
„Auch in dir.“
„Und in Jascha?“
„Auch in Jascha.“
„Auch in der Mama?“
„Auch in der Mama. In uns allen. Und in allem. Das kennt keine Grenzen, das rast durch unsere Körper, aber nur in so einer Nebelkammer kann man es sichtbar machen.“
Die erste Berührung des kleinen Jungen mit der wirkenden Unendlichkeit. Dem wir, um uns ihr zu stellen, den Mythos schufen. Sprechen wir von ihm, dann meinen wir immer sie, meinen ihre Fremdheit, dachte Broglier, der ins Sinnen geraten war im SANGUE SICILIANO. Er stand wieder an der Theke, hörte die gegrölten Permessi des Wirts, die Schreie der Trinker waren zur Hintergrundstrahlung eines Weltalls geworden, durch das nun auch Dorata wieder einem Ziel entgegensauste, so menschenfern ungewiß, daß einem schwindlig werden konnte. Für eine Sekunde war sie, als Seele, sichtbar geworden, Spur eines Beta-Teilchens nur, gewölbt und warm hatte der Körper diese Sekunde lang an Broglier gelegen, dann war sie weitergerast, Seelen zeigen sich immer als Körper, nur so nehmen Menschen sie wahr und d e h n e n deshalb die Sekunden, falten Räume in sie hinein, in denen sie sich bergen lieben hassen können, sie stemmen sich mit Füßen und Händen gegen die Wände dieser Sekunden, drücken die Membranen auseinander, weshalb es Sekunden gibt, die Monate Jahre Jahrzehnte währen, aber sind die Jahrzehnte vorüber, ist es nur diese eine Sekunde gewesen und das Teilchen längst fort und verloren. Und man sieht dabei zu, wie selbst die S p u r zerfällt.

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