Ich stand vor einer Boutique von AUBADE.

Eine Frau drängte sich hinter dem Schaufenster in Spitze und Organzaband auf Zehenspitzen an ihren Banderas. Ich brachte in dem spiegelnden Schaufenster mein Gesicht mit dem seinen fast genau in Deckung. Dann schloß ich einen Moment lang die Augen und entschied mich. Hob die Lider wieder, suchte. Nach zweidrei um mich geworfenen Blicken sah ich schließlich sie. Kein fotografiertes Model, sondern eine reale Person. In Kostüm, leichtem Überwurfmantel und hellem Schal.
Aber das war es nicht.
Auch nicht, daß ich sie ansprach und sie lächelnd darum bat, ihr ein Dessous kaufen zu dürfen. Auch nicht, daß sie gar nicht geniert war, nicht einmal irritiert. Statt dessen lachte sie auf. “Das meinen Sie nicht ernst?”
Ich lachte meinerseits. “Aber ja doch, ja doch!” Und fügte als Erklärung hinzu: “Sehen Sie, ich bin zur Zeit solo. Doch ist mir danach, einer schönen Frau einen Body zu kaufen… oder Halbschalen, Hüftslip… was immer Sie mögen…”
“Sie kennen sich aus”, sagte sie deutlich amüsiert.
Darauf antwortete ich nicht, sondern rief “Nein, sagen Sie ihn nicht!” Mußte ich doch fürchten, sie stelle sich gleich vor und verdürbe damit unser Spiel. “Ich möchte Ihren Namen nicht wissen!”
“Nein?”
“Nein.”
Es war eine schmale, nicht sehr hochgewachsene Frau von ungefähr fünfunddreißig, der anzusehen war, daß sie luxuriöse Lingerie zu tragen gewohnt war und sich das in jeder, also auch anatomischer Hinsicht leisten konnte… ja ihr Körper, spürte ich, verlangte danach. Sie wiederum verspürte die Gegenwart dieses meines Instinkts und daß es also nicht nötig war, sich vor mir zu verbergen. Meine Hand lag bereits imaginär auf ihrer unbekleideten Hüfte. Ohne etwas zu fordern, selbstverständlich. Das spürte sie auch.
“Gut”, sagte sie dann. “Aber ich werde nicht mit Ihnen schlafen.”
Damit ließ sie sich in die Boutique leiten und übernahm so vollkommen wie spielerisch die Rolle einer Vertrauten, die sich von dem Mann ihres Begehrens ausstatten läßt. Aber alles das, wie gesagt, w a r es nicht. Auch nicht, daß sich der ausgezeichnete Geschmack meiner Begleiterin geradezu sofort bewies, weder, daß wir uns beide, unabhängig voneinander, für eine klassische Kombination aus der Bahia-Serie entschieden, noch daß sie mich tatsächlich an die Umkleidekabine heran- und hineinzuschauen bat, wobei sie meine Erregung selbstverständlich bemerkte, aber ebenso selbstverständlich unkommentiert ließ – nicht einmal eine Berührung erlaubte sie sich, dabei war ihre eigene Erregung nicht geringer… ein süßer Duft von Geschlecht stieg in dem Kabinchen aus ihrer Haut… sondern: die V e r k ä u f e r i n war es. Ihr Sandstein-Blick. Der diamantenstaubige Puder ihres Make-ups.
Er beschäftigte mich noch, nachdem sie die Dessous mit Seidenpapier umlegt und in die glänzende Schachtel gebettet, nachdem ich ihr meine Kreditkarte über den Tresen gereicht und die Rechnung unterschrieben hatte und nachdem wir, meine Begleiterin und ich, längst schon wieder aus der Boutique herausgetreten waren. Wir verabschiedeten uns höflich, sie lächelte ganz wundervoll, nahm dann ihr Päckchen aus meinen Händen, drehte sich um und schritt, ohne sich noch einmal umzudrehen, davon.

[Aus dem für den SWR geschriebenen Text aus Zeitgründen herausgestrichen. Und so nun einsames dschungel-erotisches Fragment, das allerdings auf den High Heels der Ironie zu schreiten versteht.]

3 thoughts on “Ich stand vor einer Boutique von AUBADE.

  1. neulich im Palmers … … … fand ich für sie den einzigen hochseriösen graugestreiften sehr schönen schlafanzug dort inmitten eines ladens der vollgestopft war mit “hauchs von nichts”, und blätterte den kaufpreis den erztirolerischen mittfünfzigerinnen (“Es bediente Sie Bertha”) auf einen ladentisch, dessen geldschale mit soft-porno-motiven anmutig verziert war.

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