Martin Halter. In der FAZ. Die Niedertracht der Musik.

“Es ist schon irgendwie großartig, aber mich ekelt’s ein bißchen.” So kommentierte eben ein Freund die Bewegungsenergie dieser bereits in der online-Ausgabe der FAZ erschienenen Rezension:

(…) Die dreizehn Erzählungen sind so kunstvoll und diszipliniert komponiert wie klassische Novellen oder Fugen. Inhaltlich macht Herbst freilich keine Abstriche von seiner Poetik des Skandals. Seine Blumen des Bösen sind dunkle Nachtschattengewächse, angepflanzt im Humus von Wahn und Rausch, gedüngt mit Obsessionen, Exzessen und multiplen Perversionen, bewässert mit einigen Kannen Symbolismus und Surrealismus, Poe und Pynchon. Was Herbsts hybride Helden – Außenseiter, Sonderlinge, dämonische Forscher, Psychopathen – umtreibt, spottet jeder bürgerlichen Realität und psychologischen Einfühlung. (…) „Das Herz ist der Motor meiner Arbeit“, schreibt Herbst in seinem Internet-Tagebuch. Hier freilich wirken seine anderen Zustände so kühl konstruiert und raffiniert illuminiert wie seine Tabubrüche; selbst die Webfehler seiner Prosa erscheinen wie bewußt plazierte Signale. So führen alle Zitate, Anspielungen und verdeckten Fährten zurück in einen pubertären Narzißmus, der durch den intellektuellen Aufwand und die souveräne Beherrschung der Form nur um so unappetitlicher erscheint.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Juli 2005

Es wäre ihm lieber, schreibt also der Rezensent, der Herr Herbst schriebe schlechter.* Dann nämlich wären wir, die bürgerlichen Realitätsler, ihn endlich – endlich – los.

Ein homerisches Lachen geht durch Die Dschungel.

*) (Es kann auch eine Rezensentin gewesen sein; die online-Ausgabe verschweigt nämlich bislang den Namen. Aber sein Sie’s gewiß, wir tragen ihn nach. Oder, lächelnd, auch n i c h t.)

(P.S.: Nun haben wir den Namen d o c h genannt, aber einzig deshalb, damit er bei google gefunden wird. Das ist, der Sache angemessen, ein niederträchtiges Projekt, das den spitzen Fingern, die einen doch besser nicht anfassen sollten, mit dem Lineal eins drübergibt.)

3 thoughts on “Martin Halter. In der FAZ. Die Niedertracht der Musik.

  1. Meine. Sorge ist, dass die Leser des Artikels das Selbstverräterische nicht erkennen, oder wenn, dann nur sehr wenige. Ich zerbreche mir fortwährend den Kopf darüber, weshalb Ihre Kunst auf derart heftigen Widerstand stösst. Und die einzige Antwort, die ich bislang fand, ist, dass sie beunruhigt. Sie macht unruhig. Sie nimmt einem die Ruhe. Raubt einem gelegentlich auch den Schlaf.
    Lange dachte ich, es läge an Ihrem schonungslos ehrlichen Tagebuch. In dummen Köpfen weckt es Ressentiments, wenn sie sich darin wiederfinden.
    Der Punkt aber ist, glaube ich, dieser: Ihre Kunst verlangt schonungslos ehrliche L e s e r. Und hiermit verlangt sie von den meisten Lesern (und Kritikern) zu viel.

    Wer meint, Fiktion biete einen sicheren Rückzug in die Gaukelei, findet sich plötzlich in einer entlarvten Wirklichkeit wieder.

    1. Das Risiko war immer bekannt. Irgendwann käme der Moment, an dem einer nichts anderes beruflich mehr tun könne. Ist er dann nicht durchgesetzt oder – was es ebenfalls oft gibt – wieder vergessen, folgt möglicherweise soziales Elend. Dieses nimmt aber jeder in Kauf, der sich auf Kunst e i n l ä ß t, das heißt: sich keiner Marktströmung beugt, sofern er sie für ästhetisch unwahr hält. Wie heftig so etwas niedergerungen wird oder werden soll, läßt sich zur Zeit an den Diskussionen um den sogenannten „Relevanten Realismus“ zeigen: Seine Autoren haben sich die Zähne gummiert, damit ihr Biß ja auch niemandem wehtut. Hettche, Dean und die übrigen zwei wissen nämlich ziemlich genau, was sie andernfalls riskierten; und also riskieren sie nicht. Sie rufen „Wir sind auch da“, wie generationshalber Politicky bereits vor ein paar wenigen Jahren – aber sind höllisch panisch bemüht, niemandem auf die Füße zu treten, der Macht haben (oder bekommen) könnte.
      Desungeachtet lebten Die Dschungel gleichwohl einige Jahre g e g e n den Markt auffallend gut, jedenfalls gemessen an vielen anderen Dichtern. Mit dem verbotenen Buch freilich hörte das auf, denn nun bekamen auch die Mitläufer Gründe.

  2. Mir scheint, als träfe Halter auf seinen eigenen pubertierenden Narziß, wenngleich dieser an anderen Altären opfern mag.
    Und so treffen ihrer zwei aufeinander – mit dem Unterschied, dass der bemängelte Narziß vielleicht weniger einen Hehl macht. Ja, Halter hat Recht mit dem Narzißmus und mit der Diskrepanz, welche im Leser aufreißt und auf das Eine oder Andere schließen lässt – eben auch im Leser. Jedoch bleibt an- und zu bemerken, dass die Projektion des Dämonischen immer Symptom für das eigene, unerfoschte Land ist, in dessen Dunkel man „das Böse“ vermummt, statt es (das
    L a n d, wohlgemerkt) schlicht als Unbekanntes zu sehen. Das jedoch würde Neutralität erfordern. Wohlan, die wird von Kritikern aber nicht erwartet. Für mich bleibt eine doppelte Fragwürdigkeit des Narzißmus an sich, denn er erscheint mir dem Handwerk unangemessen – auch dem des Kritikers. Des Schriftstellers sowieso.

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