Donnerstag, den 14. Juli 2005.

8.07 Uhr:
Kurz nach sieben hoch, eine Dschungel-Überlegung, latte macchiato. Ein kleines schlechtes Gewissen wegen der Erzählung von vorgestern und dennoch Lust daran. U. gestern abend: “Wenn du wenigstens nicht geschrieben hättest, jetzt habe sie etwas über Dichtung gelernt! Dann wäre der Text okay gewesen.” Da hat sie recht, und dennoch w a r es so, ist es so. Ich kann gar nicht oft genug darauf beharren, daß poetische Arbeit körperlich sein muß, vor allem erotisch angetrieben. In einer sich zunehmend kybernetisch abstrahierenden und dann logischerweise moralisierenden Welt wird der Körper entweder zum MarktObjekt, also, über die Äquivalenzform, ebenfalls abstrahiert, oder aber er verweigert sich dem und wird dadurch Träger des eigentlichen Widerstandes. Das Problem besteht nun darin, daß ein quasi-bäuerliches Beharren auf dem “direkten Leben” an der modernen Welt selbst vorbeigeht; vielmehr muß das ‘Kybernetische’, das recht eigentlich die gesellschaftliche Realisierung eines Poetischen – nämlich des Imaginären – ist, ständig mit dem erotischen Körper konfrontiert werden muß: Nur über diesen Widerspruch ist er, eben auch poetisch, wirksam. “Das Unmögliche vereinen wollen”: Ja.

[Wobei ‘vereinen’ schon wieder eines im anderen aufgehen ließe; passiert das, ist der Körper schon wieder entschärft. Also: Auf dem Seil gehen, das zwischen hier und da bis nahe ans Zerreißen aufgespannt ist. Das bedarf einer Balance, zu deren Geschick das ständige Trainieren gehört: Sich einlassen auf die sich abstrahierende Welt, ja sie bewußt mitformen und zugleich auf dem Primat des Körpers beharren – also auf seinen Bedürfnisse, deren für die Art grundlegendstes die Sexualität ist.]

Und mit welchem liebevollen Neid ich derzeit die vielen schwangeren Frauen ansehe, die in die Biergärten kommen, sei’s vorgestern in den Pratergarten, sei’s gestern zu Heinz Minki. Ich habe, muß ich mir eingestehen, eine sehr große Lust, einen weiteren Körper in die Welt zu setzen – nicht immer nur Bücher. Zugleich ist mir das unbehaglich, nicht der ‘Sache’ selbst wegen oder ökonomischer Konflikte halber, sondern weil ich nicht weiß, wie ich das mit meiner Liebe zu meinem Jungen vereinbaren kann. Ich müßte sie dann teilen, jedenfalls dann, stammte das neue Kind von einer anderen Frau. Und teilen wiederum möchte ich nicht. Ich hätte also gerne ein weiteres Kind von derselben Frau. So einfach ist das. Und so kompliziert.

Ansonsten: Reisevorbereitungen.

7 thoughts on “Donnerstag, den 14. Juli 2005.

  1. Ich müßte sie dann teilen, jedenfalls dann, stammte das neue Kind von einer anderen Frau.
    merkwürdig. diese ausschließlichkeit mit adrians mutter – warum dieses bestehen auf einer liebe? was ist liebe? besitzen wollen? kann es ja nicht sein.
    liebe muß doch ein paradoxes sein: das, was wir fast nie tun, weil wir immer nur nehmen, bekommen wollen:
    geben, unendlich geben, verströmen, ohne gegenleistung, ohne kalkül. lieben eben.
    das würde dann keinen konflikt schaffen bei einem kind mit einer anderen frau, das ebenso zu lieben wäre ..

    1. Für mich. Eben schon. Es ist selten, daß man seinem eigenen weiblichen Archetypen begegnet. Weshalb der das aber i s t, darüber denke ich unablässig nach. Es gibt in der Liebe einen starken projektiven Anteil, der sich manchmal realisiert. Insofern ist sie – oder hat sie viel von – Kunst. Magisch betrachtet, bin ich mir nicht ganz sicher, ob diese Projektion d e r Frau nicht tatsächlich einigermaßen unabhängig von außen in demjenigen erzeugt wird, der sie sich zuneigt. Pragmatisch ist das natürlich Unfug, emphatisch aber gerade nicht. Ich kann das leider noch nicht genauer formulieren, was bedeutet: noch nicht genauer denken. Ich wittere da aber einen Wirkzusammenhang, den zum Beispiel eine Dichtung darstellt, nicht aber beschreibt und erklären kann.

  2. Ein Gedanke Frauen sind für Sie wie Meere, in denen Sie sich wie eine Handvoll Sand verlieren. Das ist zwar schön, aber gefährlich. Eine Frau zu lieben, die Sie nicht (oder nicht mehr) bekommen können gibt Ihnen doppelte Sicherheit. In den real vorhandenen Frauen können Sie sich nicht, bzw. nur kontrolliert verlieren und die andere sehen Sie aus gefahrloser Ferne. Der Aspekt der Kontrolle erklärt auch, warum die Frauen immer jünger werden.

    1. Das ist ein sehr kluger Gedanke. Der in mancherlei Hinsicht stimmen mag. Aber es gibt wahrscheinlich Einschränkungen, deren eine etwas mit dem zu tun hat, was bei Goethe das hinanziehende Ewig-Weibliche ist, also sich um das Feld „Inspiration“ anlagert, und deren andere in dem speziellen Bezug zur Wunsch-Mutter eines Wunsch-Kindes ruht; ich weiß genau, wann und wo ich meinen Jungen zeugte, und ich wußte es, a l s ich es tat. Bei der Geburt dabeigewesen zu sein und real als allererster das Kind herauskommen gesehen und es auch von der Nabelschnur gelöst zu haben, tun ein übriges hinzu. Metaphorisch gesprochen, war, die Nabelschnur zu druchschneiden, zugleich der Akt einer schließlich dann leider vergeblichen imaginären Triangulation; letzteres ist diesmal nicht als psychoanalytischer Terminus gemeint, sondern als ungefähres Wort für ein durch den genannten Akt aufgespanntes Netz von liebenden Verbindlichkeiten. Die ich selbst dann später, das ist zuzugeben, verletzte.

    2. Ein Kind ist wie der Baum, der Sand und Wasser haltbar verbindet, in dieser Verbindung wurzelt und zu etwas neuem, sinnvollen heranwächst. Klar, das ist das Idealbild, daß der Realität schwer standhält, erklärt aber wahrscheinlich, warum Sie gerne noch weitere Kinder hätten.

    3. Ich hatte eben noch, während ich unterwegs war. Um Imprägnierspray fürs Zelt und eine selbstaufblasende hauchdünne Luftmatratze zu besorgen, zwei weitere Gedanken zu meinem Verrhältnis zu jungen Frauen.

      Selbstverständlich ist es eben auch ein Privileg, mit fünfzig noch von so jungen Frauen begehrt zu sein, und ich genieße das. Es tut, weshalb das nicht zugeben?, meiner Eitelkeit gut. Immerhin sind es meist sehr s c h ö n e Körper, die einem da geschenkt werden. Dahinein spielt denn auch mein leiser weiterer Kindwunsch.
      Nun sollte man sich nicht täuschen: Junge Frauen, die sich auf mich (oder einen w i e mich) einlassen, sind meistens alles andere als naiv, auch wenn das billigerweise gerne so interpretiert wird. Eher im Gegenteil. Nur sind ihre Präferenzen andere als die ‚älterer‘ Frauen. Darauf brachte mich gestern abend G.’s Freundin U.: „Ich lese dein Weblog ausgesprochen gerne. Aber wenn G. so über seine Frauengeschichten schriebe, ich spränge ihm ständig an die Gurgel. Vielleicht ist das mit jungen Frauen insofern ganz richtig bei dir: Die müssen noch nicht an die Zukunft denken und daran, was in zehn Jahren sein wird. Das ist denen noch egal.“ Tatsächlich haben sich einige um die Vierzigjährigen von mir zurückgezogen wegen dieser speziellen Form auch sexueller Offenheit, mit der ich auch für andere Leser oft irritierend oder sie sogar ärgernd in Den Dschungeln umgehe. Das sei peinlich, ist einer der geläufigsten Vorwürfe, die ich namentlich aus Literaten- oder LiteraturvermittlerKreisen hinnehmen muß. Von älteren Frauen höre ich zudem nicht selten weniger eine Bitte als expressis verbis die Aufforderung, sie auf gar keinen Fall in Den Dschungeln zu nennen – etwas, dem ich mit meinem poetologischen und dem unbedingten Willen, die Entstehungskräfte meiner Arbeit mitzuzeichnen, eigentlich gar nicht entsprechen kann. Jungen Frauen ist das in aller Regel sehr viel weniger problematisch, schon deshalb, weil sie erheblich weniger soziale Rücksichten nehmen müssen oder sozialen Bedacht an den Tag zu legen haben als ältere.

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