Mittwoch, der 7. September 2005.

5.06 Uhr:
[Szymanowski, Erstes Violinkonzert.]
Um zehn vor fünf hoch. Leichter Kopfschmerz, dem man schon anmerkt, wie schnell er verfliegt. Der Wein. Die Raucherei. Der Twoday-Server ist ‚down’, jedenfalls komme ich nicht ins Weblog. Will mich aber nicht darum kümmern erstmal (ist eh zu früh am Morgen), sondern gleich an ARGO gehen. Dennoch, mein Verhältnis zu DTs und Tagebuch ist insofern seltsam, als beides in mir ein Gefühl des Kontrolliertseins schafft, das ich will. Also auch das unter „Mutter“ verbuchen?: nunmehr:: „mütterliche“ Aufsicht?

Seh grad: Post. Die beantworte ich noch kurz vor dem Schreiben. Etwas Kurzes von >>>> eb wegen der Musiken und meiner kleinen dazugehörenden Feuilletons. Und David schickt Billardbilder; vielleicht stell ich zweidrei in die Tagebücher ein… nein, besser, ich tu’s erst nächsten Montag, wenns wieder ‚akut’ ist. Dann können Sie spannen und müssen nicht, sich hektisch durchscrollend, fürchten, etwas zu versäumen: David hat die Sendung denn auch mit sanfte Stöße übertitelt. Schön, übrigens, diese alte verkratzte Schallplattenaufnahme mit David Oistrach. S e h r viel schöner, weil expressiv, als die neuere, ganz auf einen romantischen Ton setzende und die Brüche zuschmierende CD-Produktion mit Bijan Khadem-Missagh. Manchmal ist es wichtig, welche Aufnahme oder Aufführung man von einem Musikstück hört; die Musiker haben Verantwortung: Es kann nämlich gut sein, daß ihre Interpretation dem Hörer den Zugang zu einem Stück ein- für allemal verbaut.

5.47 Uhr:
[Abermals Szymanowski.]
Ah, der Server geht wieder! Also posten und hupps: ARGO

13.08 Uhr:
[Scelsi, Anahit.]
Der ARGO-Erzählfluß hört gar nicht mehr auf; es ist, als flössen die Geschichten aus mir heraus. Kurz nach 11 schaute dann >>>> Juliette herein, um sich >>>> Ricarda Junges „Kein fremdes Land“ auszuleihen. Eine halbe/dreiviertel Stunde über die Grundschule und i h r e Erfahrungen damit ausgetauscht, eine Art Postskriptum zu unserem Gespräch bei http://finya.de gestern nacht. Abermaliges Umwenden des Gedankens, meinen Jungen auf eine andere Schule zu geben. Ich gab Juliette noch mein Notturno-Hörstück mit; sie hat an diesen poetischen Dingern eine große Freude. Was mir guttut. Was ich dann gerne bewahre. Es ist ein gutes Gefühl und Bestätigung, wenn man weiß, die eigene Arbeit tut wenigstens einigen wohl. Man schlägt sich dann nicht dauernd mit diesem Selbstzweifel herum und muß nicht, um durchzuhalten gegen ihn und vor allem diesen Widerstand im Betrieb, ständig den Größenwahn kultivieren.

Den heutigen Newsletter noch geschrieben. Kaum schickt diesmal, aus darin genannten Gründen, Katanga ihn hinaus, trägt sich Wittstock von DIE WELT aus, in der doch der neu >>>> auf die fiktionäre Website gestellte Text vor vier Jahren erschien. Ich sag nur: Wunder & Zeiten.

Dann Mittagsschlaf. Ein schwerer Traum, der mir unverständlich ist und sicher in die Analyse gehört: Do liegt bei mir, irgendwie falle ich aus dem Bett, und sie beginnt, sich anfallsartig zu übergeben. Ein Buch wird davon bespritzt, meine Latschen aus Neapel, ich selber. Als ich sie ganz entgeistert anschaue, sagt sie, als würgte sie gar nicht weiter, sondern atmete: „Was willst du? Wundert dich das wirklich?“ Ich kann nichts entgegnen, denn der Wecker klingelt.

Jetzt eben ans MDTFEB. Ich werde es aber wohl erst nach der Analyse, für die ein solches Traum wie geschaffen ist, dazu kommen, es mit Links und der für >>>> Scelsi und sowieso für jemanden, den ich liebe, angemessenen Sorgfalt formuliert einzustellen.

15.07 Uhr:
[Sibelius, Erste Sinfonie. Unter Berglund.]

Wenn Ihnen, liebe Leser, das Folgende zu privat ist, will und kann ich’s nicht ändern. Überspringen Sie einfach das Stück. Schließlich ist I h n e n und nicht mir an Dezenz gelegen. Ich m u ß das Stückchen skizzieren, weil es zum einen sehr wahrscheinlich einige der Frauenfiguren in den Romanen und Erzählungen verdeutlicht, und weil ich den Traum, auf den sich meine Analyse heute fast ausschließlich bezog, in ARGO hineintransferieren möchte – und zwar in Zusammenhang mit der Lamia Niam Goldenhaar – und hier festhalten will, warum. Weil ich das U r b i l d festhalten will.

Ich liege also auf der Couch, und nachdem wir einige Zeit über den Traum gesprochen haben, fällt mir auf, daß, was da aus Dos Mund herausgewürgt kam, sehr viel weniger von tatsächlich Erbrochenem hatte – etwa fehlte völlig der beißende Geruch von Magensäure -, als von einem allerdings reichhaltigen Ejakulat. Tatsächlich war die auf Latschen, Buch und mich gespritzte Flüssigkeit nicht körnig, sondern sämig. Sie war sogar angenehm. Im Verlauf einer Deutung, die hier nichts zu suchen hat, sagte da der Anaytiker: „Was mich so beeindruckt, ist, daß Sie Bedrohungen nicht wahrnehmen können, nicht a l s Bedrohung, sondern Sie verknüpfen Bedrohungen mit dem Orgasmus; für Sie fällt die Gefahr, zerstört zu werden, vollkommen mit Lust und Schöpfung zusammen. Deshalb steigen Sie auch, wenn er ausbricht, auf den Ätna und stehen oben und sind… nein, ‚glücklich’ ist nicht das richtige Wort.“ „Erfüllt“, sage ich. Und denke jetzt: Entindividuiert und in die Natur völlig wieder heimgenommen.
Sofort fiel mir eine Szene aus dem verbotenen Buch ein, die ich hier dummerweise nicht einmal zitieren darf, auch besser nicht darstelle: Nur geht dort eine realistisch beschriebene körperliche Vereinigung mit einer extremen gesundheitlichen Bedrohung einher, aber die Liebenden empfanden, bevor klarwird, was geschehen ist, eine allerhöchste, eine ozeanische Lust, in der jegliche Getrenntheit aufgehoben ist. In die gleiche Richtung, dort aber von allem Begegnungsanfang an, weisen Lena Ponce, Alma Picchiola, Isabella Maria Vergana, sowie Aldona v. Hüon aus dem Wolpertinger, die Amazonen der Anderswelt-Bücher und da vor allem auch Niam, das deutlicherweise auch noch ‚Heilige’ genannte Kind; die Geistergeschöpfe des WOLPERTINGERs insgesamt, allen voran Lan-an-Sìdhe. Also ich nehme Bedrohung sehr wohl wahr, aber werte sie offenbar anders, als es gemeinhin geschieht. Sie erotisiert mich und zieht mich an. Denn in hohen Gefahrensituationen heben sich die Trennungen auf zwischen Ich und Welt; wie eine solche Situation auch ausgehen mag, momentlang war man völlig ineinander. Oder, etwas weniger drall formuliert und ein paar Emphase-Stockwerke tiefer: Deshalb bin ich von schwierigen Frauen angezogen, deshalb lassen mich warmherzige, nur-gute, die einem Geborgenheit und Sicherheit geben könnten, letztlich erotisch kalt; und dann liebe ich halt auch nicht. Und wieder klingelt G.’s Satz in meinem Ohr: „Was suchst du dir immer solche Zicken?“

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