Man muß einen bestimmten Wahnsinn erreicht haben, um sich über ästhetische Wahrscheinlichkeiten so hinwegzusetzen wie er. Das hat den Vorteil, daß man sich auch um Wahrscheinlichkeiten nicht mehr kümmern muß, was wiederum mit inneren Begehrnissen eines Lesepublikums matcht, die von genau solchen Verpflichtungen auf Wahrscheinlichkeit befreit sein möchten. In der Literarischen Ästhetik bedeutet Wahrscheinlichkeit, daß ein Text philologischen – am besten altphilologischen – Kriterien standhält. Den meisten Lesern kommt es auf so etwas aber nicht an, sondern sie möchten einen Reflex auf ihre – oft unbewußten – Wünsche erfahren; Literatur dient ihnen a u c h der Befriedung unbewußter Ängste. Dem wird am besten unbewußt entsprochen. Wer dem hingegen entsprechen u n d der Philologie standhalten will, macht den Lesern (und sich selbst) den Prozeß und die verdrängten Wünsche b e w u ß t; deshalb ist, solche Texte zu lesen, eine nicht immer angenehme Arbeit. Zugleich lockt sie, weil sie auch Räusche auslösen kann und auslöst, hypnotischen, ja ekstatischen (entindividuierenden) Zuständen gleich. Wenn man sich einläßt. Hier liegt der Unterschied zwischen den U- und den E-Künsten. Psychoanalytisch ausgedrückt, sprechen jene zum ES, diese aber zu einem ICH, das sich als ES-geleitet zugeben muß.
(Nicht j e d e E-Kunst entspricht dem; die meiste bleibt intellektueller Seiltanz, der niemals stürzt, weil er sich vorm Sturz ebenso fürchtet wie die U-Kunst vor der Erkenntnis; indes die U-Kunst nur f ü h l e n will, will die meiste E-Kunst nur d e n k e n. Beides ist kastratisch.)
Philip K. Dick.
[Assertorische Poetik (3).]
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