Natürlich völlig unmöglich.

[Heinz Winbeck, 1. Sinfonie „tu solus“.]

Ein Erzähler behauptet, etwas sei nicht möglich und dann erzählt er die Geschichte d o c h. Erzählt sie, als w ä r e sie möglich. Als wäre sie geschehen. Woraus schnell weitere Möglichkeiten (Handlungsstränge) abzweigen, die ebenfalls nur s i n n l i c h sein müssen, um narrative Glaubwürdigkeit zu erlangen. Wichtig ist, daß jede Geschichte innerhalb ihres eigenen Bezugssystems „stimmig“ ist; gegen den Roman insgesamt dürfen sie hingegen im Widerspruch stehen. Und müssen das sogar. Denn politisch gesehen meint Widerspruch den Widerstand gegens Totalitäre.
Damit kommt den Übergängen der Erzählebenen, also einer Form der Rhetorik, eine immens regulative (kybernetische) Funktion zu. Das gleicht dem Komponieren mit Gesten (Akkorden etwa oder in musikalisch strengem Sinn unausgeführten Leitmotiven, dem tonalen Gegenteil der Melodie), wie Nietzsche es Wagner vorwarf, woraus sich aber die Lockerung des starren Quintenzirkels bis hin in die Neue Musik überhaupt erst entwickeln konnte. Etwas Analoges ist für den Roman zu leisten, wenn er denn modern sein soll. Jelineks sprachkritische Haltung reicht da so wenig wie das lautliche und/oder semantische Experiment bei Joyce, Schmidt und den Folgen. Thomas Pynchon ist wahrscheinlich als erster dieser Fährte gefolgt, auch wenn er sie mit Mason & Dickson wieder zugescharrt hat.

Ich habe eine Assertorische Poetik (1) vor Augen: ein extrem ernstes kybernetisches Spiel, das die scheinbare Leichtigkeit von Tänzen vorführen will. Sozusagen das poetische Gegenstück zu Adornos philosophischer „strengen Fantasie“.

[Das gilt nicht nur für den VERWIRRUNG-WOLPERTINGER-ANDERSWELT-Zyklus, sondern romantechnisch allgemein. In dem Zyklus wird es aber (weiter-)entwickelt.]

>>>> ASSERTORIK 2

3 thoughts on “Natürlich völlig unmöglich.

  1. Mit der Leichtigkeit von Tänzen ist man einmal mehr bei Nietzsche. – Man kann ohne Schaden, ja man muss sogar im Interesse eines anvancierten Bewusstseins, alles aufgeben, was konventionelle Erzähltechniktechnik ausmacht oder es zumindest zur Disposition stellen, etwa Linearität, Auseinanderhalten von Zeitebenen, Trennung der Subjekte. Wenn einem dann so die Sprache um die Ohren fliegt, s. Argo 5, kann man „eigentlich“ nicht Referierbares darstellen und kommt den Ereignissen hinterher.

    1. Dies aufzugeben, hat leider Folgen, die den Kontoführer zornschwellend machen. Denn es gibt das, was ich in meinen Poetologischen Thesen „Das Recht des Menschen auf literarische Identifikation“ genannt habe, auch wenn dieses „Recht“ das poetologische Bewußtsein sogar im Rezipienten knebelt. Die Gefahr avancierten Schreibens ist aber auch eine ästhetisch objektive: Man kann sehr schnell in die Zwangsjacke geraten, in die sich die Nach-Webern-Schule so unergebig eingewickelt hat. Dann ist a u c h da keine Freiheit mehr. Es braucht schon eine Art Odysseus, um durch diese Scyllen und Charybden hindurchzusegeln. Und Z e i t. Damit die Fahrt überhaupt begriffen werden kann.

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