Mäzenatentum in Deutschland. Jedenfalls meistens.

Was nun das Mäzenatentum anbelangt, so gibt es zwar einen Trend dahin, aber vor allem in der Musik. Nämlich, denke ich, weil sie semantisch weniger eindeutig ist, etwa was Politisches anbelangt, aber auch moralisch tut man sich selbst bei Förderung N e u e r Musik selten einen Tort an. Bei Literatur, zumal der meinen, ist das grundlegend anders. Ich vertrete eine Haltung – denken Sie an meine Überlegungen gerade auch zum sogenannten Sadomasochismus -, die durchaus nicht gewünscht ist, bzw. möchte man sie in einer Szene desinfiziert wissen und nicht, daß derartiges einen solchen Einzug in die Gegenwartsliteratur nimmt. Ebenso ergeht es wohl dem, was ich jetzt über Mißbrauch nachdenke, was an Geschlechterverhältnissen spekuliert wird usw. Gerade das Sexuelle hat zum einen immer noch, indessen auch gerade wieder einen für die Öffentlichkeit unangenehmen haut goût, vor allem dann, wenn der Eindruck entsteht, es sei die ‚politische Korrektheit‘ nicht gewahrt. Da jeder von uns im Innersten davon berührt ist, wird aufs heftigste abgewehrt. Außerdem berühre ich vielleicht zu v i e l e tabubesetzte Themen auf einmal, auch über Terrorismus denke ich ja öffentlich nach und bin da gar nicht mit mir einig, welche Position tatsächlich einzunehmen ist. Bei 9/11 wurde derart viel geheuchelt, daß einem schlecht werden konnte, ganz unabhängig von dem Mitgefühl, daß den Opfern wirklich zu gelten hat. Ein solches wird aber allgemein mitnichten in auch nur ähnlicher Weise für die Opfer der letztlich vom Westen initiierten, wenn nicht sogar geführten Kriege in Nahost aufgebracht. Insgesamt vertreten meine Texte eine Mischung und zugleich Anhäufung heikler Themen, daß mich ein auf Mittelmaß und mainstream angelegter Markt geradezu ausstoßen m u ß. Daß ich zudem selber den einen und anderen sei es sozialen, sei es Haltungs-Fehler mache, kommt hinzu. Und als Sahnehäubchen noch, daß ich ein Ribbentrop bin.
[P.S. für Die Dschungel: Literatur eignet sich weniger als ‚gesellschaftliches Ereignis‘, denn sie hat im allgemeinen keinen repräsentativen Character – anders als zum Beispiel die Oper oder die Bildende Kunst. Hinzu tritt, daß sie ihre kulturelle Leitfunktion restlos verloren hat – zuletzt hatte sie die vor 1968 und in den politischen Folgejahren inne.]

3 thoughts on “Mäzenatentum in Deutschland. Jedenfalls meistens.

  1. die situation im bildenden bereich… … wird m.e. immer noch von günter brus für mich am schönsten beschrieben: «der künstler, so frei er sich auch wähnt, hat es nur noch mit förderern zu tun, die aus seinen aussagen eine art selbsterhebung in den künstlerstand saugen, oder er hat es sowieso nur mit förderern zu tun, die sich lakaien zum polieren ihrer mercedessterne halten. als solch unfreiwillig komischer abklatsch des mäzens darf der sammler neben seinen fünf wirtschaftssinnen auch noch einen sechsten, den kunstsinn zur entfaltung bringen (…)»

    dem ist im grunde nichts hinzuzufügen.

    1. „die sich lakaien zum polieren ihrer mercedessterne halten“ Ich denke, Eitelkeit spielt auf b e i d e n Seiten eine Rolle, und das ist nicht schlimm. Auch der Fürst, der bei Haydn ein Stück in Auftrag gab, wollte selbstverständlich Glanz davon haben, wie umgekehrt der Komponist so zu Ehren gelangte. Noch bei Wesendonk, der obendrein eine ziemlich bittere Pille verabreicht bekam, ist das nicht sehr anders; ebenso wenig bei Rothschild, der Heine auf seine Bittbriefe half und dafür vom Dichter noch beschimpft wurde (Karl Kraus hat sehr böse darüber geschrieben). Es ist auch nichts dagegen zu sagen, wenn die Deutsche Bank ihr Foyer mit einem, sagen wir, Kiefer Schumacher >>>> Sonderborg schmückt; irgend eine Leistung für den Mäzen, der bestenfalls ein Mensch, undurchsichtigenfalls ein Unternehmen ist, soll denn auch erbracht sein – und wäre es nur Teil an dem Nachruhm. Daraus ist, denke ich, nicht unbedingt der KünstlerLakai zu ersehen: das wäre ein Künstler eben nur dann, wenn er seinen Werkgedanken unter den Nachruhmgedanken des Förderers beugte, also für ihn seine Kunst anders gestaltete, als er es ohne den Mäzen täte. Im übrigen ist hiervon strikt das Sponsoring zu unterscheiden, das von allem Anfang an ein Geschäft auf Wechselseitigkeit ist, also ökonomisch definiert. Wie falsch ist von daher die kunstinstitutionelle Suche nach Sponsoren, wieviel angemessener wäre die Suche nach einem Mäzen! Selbst jene mithin hat sich längst den Usancen der Warengesellschaft gebeugt.

      [Sie haben, übrigens, eine hochinteressante Website.]

    2. förderer := { sponsoren, sammler, mäzene } gegen die beiderseitigen eitelkeiten gibt es auch m.e. wenig zu sagen. ihr letzter satz allerdings könnte gut treffen, voilà. das problem – das von brus wie auch allgemein – scheint mir in erster linie ja eine gewisse, sagen wir degeneration der dritten spezies förderer zu sein (so lese ich auch das «nur noch» im obigen zitat): die unterordnung unter eine art des nützlichkeitsdenkens, in dem das der (im weitesten sinn) künstlerkaste vorwiegend zu eigene symbolische kapital (cf. bourdieu) – der «(ab)glanz» sozusagen – zunehmend seinen bisherigen tauschwert zu verlieren scheint und das engagement der finanziers primär von kunsthandelskriterien bestimmt wird (saatchi & flick fallen mir u.a. als protagonisten in dieser unfreiwilligen komödie ein). und viele laufen dem dann mehr oder weniger aus freien stücken hinterher, oder sehen sich auch, z.b. aus ökonomischen gründen, dazu gezwungen (was ich nicht einmal verurteilen möchte). im grunde sollte man sich auch nichts vormachen: künstler waren m.e. grösstenteils nie weniger nutten als alle anderen auch, in diesem fall aber halt tempelnutten.

      ich vermisse bei brus zwecks der «selbsterhebung in den künstlerstand» übrigens noch den mittlerweile omnipräsenten kurator, der der neuen sammlergattung unbedingt zur seite gestellt gehört. so freue ich mich z. b. immer wieder aufs neue über ankündigungen eines ganz speziellen jüngeren typs von ausstellungen und artverwandtem, die offenbar ohne mitwirkung von künstlern auskommen – lesen lassen sich jedenfalls dort nur die namen der kuratoren.

      NB: im wissenschaftsbetrieb ist ja ähnliches zu beobachten. universelle verwertbarkeit tritt immer stärker vor erkenntnisgewinn – bei verstärkter privatisierung der abhängigkeiten.

      ich befürchte daher auch, dass die vorstellung eines mäzenatentums besseren zuschnitts aller wahrscheinlichkeit nach ein hoffnungsloser romantizismus ist, den man sich dringend austreiben sollte. fragt sich nur: zu gunsten von was?

      die wenigsten heissen z.b. picabia oder scelsi…

      [das kompliment erwidere ich im übrigen gerne. ich musste allerdings gewissermassen mit der nase auf die dschungel gestossen werden: von der reizenden inversion einer kleist’schen amazone. :-)]

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