An die Postbank in Hamburg.

Berlin, den 1. Februar 2005

Dispositionskredit

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beziehe mich auf Ihren Anruf auf meinem Anrufbeantworter sowie auf mein Schreiben vom 29. 12.
Sie haben mir unterdessen den Dispositionskredit gekündigt und bitten um Rückzahlung des überzogenen Betrages. Dabei geht es um rund 2000 Euro. Zu einer solchen Rückzahlung sehe ich mich aus den in dem Schreiben bereits dargelegten Gründen gegenwärtig nicht in der Lage. Die Kündigung des Dispositionskredites hat die Situation, wie befürchtet, sogar verschlimmert; ich danke es nun Freunden und Lesern, daß meine Januarmiete bezahlt werden konnte. Das Geld wurde direkt an den Vermieter überwiesen, da sie ja schlecht auf ein Konto einzahlbar gewesen wäre, das sie geschluckt hätte.
Ich kann Sie nur inständig bitten, noch etwas stillzuhalten, bzw. mir sogar den Dispositionskredit wieder einzuräumen. Wobei auch etwas ganz anderes denkbar wäre: Ich bin ein deutscher Schriftsteller mit gerade derzeit einiger Resonanz in den Medien. Seit einigen Jahren gilt mein Werk der deutschsprachigen Literaturwissenschaft als ein sich dezidiert heraushebendes. Es kam soeben ein großer Rundfunkauftrag für das späte Frühjahr herein. Und einiges mehr. Ab April beziehe ich – als einen mit einem Aufenhalt verbundenen Literaturpreis – ein kleines Stipendium. Es könnte also insgesamt Auswege geben. Vielleicht geht ja sogar eine paradoxe Intervention; viele Banken sind kunstfördernd tätig. Vielleicht läßt sich Ihr Unternehmen ebenfalls darauf ein, ein Werk – nämlich meines – zu fördern und zu unterstützen. Das wäre nicht nur eine Geste gegenüber einem Kunden, der Ihrer Bank seit nahezu dreißig Jahren, unter denen es auch ökonomisch gute gab, immer verbunden blieb, sondern die Postbank nähme aktiven Teil an etwas, wovon wir alle zehren: unserem kulturellen Bewußtsein. Da ich neben meinem mich intensiv beschäftigenden nunmehr achten Roman mit DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT ein ausgesprochen frequentiertes, ja unterdessen berühmtes Literarisches Weblog führe, das ebenfalls sehr viel Arbeit, aber kein Einkommen bringt, das sich ökonomisch umrechnen ließe, würde eine solche mäzenatische Geste ganz gewiß ihren Niederschlag in der deutschen Literaturgeschichte finden.
Soweit erst einmal – jenseits von derzeit eh nicht realistischen Ratenzahlungsvorschlägen – meine, ich gebe zu: ungewöhnliche Reaktion. Bitte seien Sie so gut und leiten dieses Schreiben an Ihren Vorstand weiter.
Hochachtungsvoll
ANH

3 thoughts on “An die Postbank in Hamburg.

  1. Mir träumt’: ich bin der liebe Gott,
    Und sitz im Himmel droben,
    Und Englein sitzen um mich her,
    Die meine Verse loben.

    Und Kuchen ess ich und Konfekt
    Für manchen lieben Gulden,
    Und Kardinal trink ich dabei,
    Und habe keine Schulden.

    Heinrich HEINE, Buch der Lieder
    Leider keine bittbriefe von ihm im internet…

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