9.06 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Zu lange geschlafen. Egal. Ich >>>> prokle an der zweiten Anahit-Elegie und übertrage von >>>> gestern aus dem Notizbücherl, muß aber gleich damit aufhören und in die Arbeitswohnung hinüberradeln, um mich dort an die leidige Vorbereitung der Steuer zu hocken, Belege zusammenstellen für die Steuerberaterin, spätestens in zwei Wochen will sie alles haben. So werd ich heute literarisch allenfalls ein bißchen was skizzieren können. Das haut mir in die >>>> PETTERSSON-Planung und in die Elegien sowieso. Wenigstens hab ich Musik drüben und die Anlage; die wird mir einiges erleichtern. Vielleicht mal wieder >>>> Stockhausen hören, vielleicht >>>> den Grafen von d’Ayala Valva.
10.57 Uhr:
[Berlin Arbeitswohnung.]
Es ist schon seltsam. Jetzt, da ich wieder hiersitze, kommt es mir vor, als wäre ich in Bamberg niemals gewesen – als wäre mein dortiger Aufenthalt nichts als der Schatten eines nach dem Erwachen über meinen Erinnerungen liegenden Traums.
[Carla Bley, Escalator over the Hills.]
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11.55 Uhr:
[Bley, Escalator over the Hills, ff.]
Was besonders schwer ist dabei: die ganze Trauer steigt wieder auf, weil manche Belege so erinnern. Doch der free jazz sediert. Ich habe die Musik gut gewählt. Der innere Vorgang wäre, übrigens, ein Gedicht wert. Vielleicht setz ich mich heute spät abends daran.
12.44 Uhr:
[Phil Woods Quartett, Songs für Sysiphus.]
Ich habe mich soeben entschieden, auch den Samstag und wohl noch den halben Sonntag in Berlin zu bleiben, um dieses Steuerzeug annähernd vom Tisch zu kriegen… – Nee, diese Musik g e h t nicht: was ein unverbindlich-harmloses Geseier! Also:
13.34 Uhr:
[Mantler, The Jazz Composer’s Orchestra.]
Gerade ging mir, ausgelöst auch durch die eruptive Musik, ein Schuß Wahnsinn quer durch den Leib; es kostete Kraft zur Beherrschung, einfach weiterzumachen. Diese Belege 2004 sind bisweilen wie kleine, doch scharfe Messer; um sie abzuwehren, suchte ich alte nahe Fotografien heraus. Die aber nur noch verwundbarer machten. Zurück schnell zu den Belegen. Ich sollte schlafen. Aber muß gleich weg, will hier weg: Kinderzeit hab ich von Herzen zugesagt und muß vorher ganz dringend duschen. Ja, Leser, das hier g e h ö r t in ein Arbeitsjournal, auch in ein strenges: es rührt das Chaos um, aus dem alle Dichtung entsteht, und spielt nicht vor, man wär ‚weise’. Morgen früh geht’s mit der Steuer dann weiter. Die Jahre sind jetzt zusortiert. Verdient hab ich 2004 jedenfalls kaum was, das wurde mir zu allem grad furchtbar offenbar. Ein Hörstück, zweidrei Lesungen, das ist’s dann imgrunde schon gewesen. Kein Wunder, daß ich mich über einen Kredit zu finanzieren versuchte, der kaum ein Jahr drauf bereits platzte.
14.43 Uhr:
[Mir unbekanntes im DänenNetzradioKlassik. Klingt nach Zwanzigstem Jahrhundert,
erstes Viertel, Richtung Strawinsky.]
So, mich sammeln und duschen. Dann Kinderzeit. (Auf dem Weg hierher dachte ich: Das wird es für meine Kinder nie geben, daß auch nur e i n Tag vergeht, an dem ich nicht wenigstens ein paar Stunden Zeit für sie habe. Eher lasse ich Wichtiges liegen.)