8.27 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Seit kurz nach sechs schreib ich, endlich fließend!, an der >>>> Sechsten Bamberger Elegie weiter. Den Knoten löste, ohne daß ich’s bereits wußte, gestern nacht eine SMS, die mir C. aufgrund eines Mailwechsels schickte; es geht darin um Freiheit und Determiniertheit, um Ich und Glaube und meine grundsätzliche Skepsis gegenüber Übersinnlichem oder gar Esoterischem. Jedenfalls, nachdem ich um fünf nicht hochkam (unruhig geschlafen, auf dem Boden, auf der schmalen dünnen Zeltmatratze, weil ich mein Bett den Jungens überlasse, das für drei Menschen, wenn sie nicht alle einer Familie sind, zu schmal ist), aber um sechs doch und mich sofort an den Schreibtisch setzte – brach der Knoten auseinander. Und nun läuft es wie sich aus meiner Hand gießend. Ich brauche offenbar einen ganz konkreten Anlaß immer, um die Abstraktionen zurückzubinden, sie zu erden, in die sich die Elegien bisweilen hinaufheben – und j e d e s Oben ist dünn. Alles muß F u ß sein, denk ich mir, F l e i s c h, gerade eine Elegie muß weg vom geistig Überhöhten. Auch Götter schmecken, auch sie scheiden aus! Warnend genug, daß ein Bildnis Zeus’ auf der Toilette gar nichts Ketzerisches hätte – so gern hat er gelebt! -, ein gleiches Bildnis Jehovas aber sehr wohl. Nicht zu fassen also, wie brutal der Monotheismus die Erde lästert. (Beeindruckt mich sehr, daß die Apostel die tote Maria gewaltsam, kämpferisch – nämlich heidnisch g e g e n das Kanonisierte – in den Himmel hinaufbringen und daß es Jahrhunderte brauchte, bis die katholische Kirche diese Himmelfahrt akzeptierte, d a ß sie’s dann aber mußte, 1950!, man faßt es nicht.)
Ich zeigte >>>> Gerald Zschorsch die Elegien gern, läse ihm gern draus vor, nehme die paar Seiten auch immer wieder mit, wenn wir uns treffen, aber trau mich dann nicht, bin unsicher. Seltsam, weil ich, während ich an ihnen arbeite, völlig sicher bin.
13.31 Uhr:
Bis eben an der Sechsten Elegie gesessen, über den Ungaretti-Variationen weitergebrütet und elektronisch korrespondiert. Jetzt eine Stunde schlafen, die Jungs toben draußen mit Erbsenpistolen im leichten Regen.
Seien Sie präzise, Herr Herbst. Ketzerisch wäre nicht ein Bildnis Jehovas auf der Toilette.
Ketzerisch wäre ein Bildnis Jehovas.
Sehen Sie! Um so schlimmer.
(Er hat wohl seine physiognomischen Gründe).
*lacht