Dunkel das Haar, das ich fühle, hell der Schal, den ich trage,
antwort’ ich, C., Dir nun hier, nachdem sich endlich verdunstet
Tränen und Schlieren, nachdem sich der Nebel enthoben
hat und bloß noch Gewölk ist. Ein schweres, doch Licht ist’s! durchbricht es,
schmale Hoffnung auf Sonne, bisweilen ein Blau, erahntes
nur zwar, und dennoch! am umgekehrten Grund trichtrig
strudelnder Kondensationsprodukte von Wasser: Erwartung.
Übersinnliches i s t nicht, nein, S i n n l i c h e s ist. Und reicht’s nicht?
Unsrer Organe Wunder esoterisch verkleinern? Um was denn?
Wegen des Schmerzes, die Blutungen a u c h sind? wegen der Trennung,
für die sie fließen? damit nicht Nichts sei, wenn wir sterben?
Ist es die Angst, allein zu sein im seit wir geboren
tiefsten Moment? Wir bleiben ja doch geteilt und Getrennte,
was denn hilft uns Entkörpertes da? Was Geist sei, von jenseits,
lügt und erschafft nichts. Welt schaffen immer nur irdisch Begrenzte.
So auch ihn. Um aufgehoben zu sein, wolln wir ganz sein.
Und, ja!, wir werden’s: imaginär. Gehn aber doch ins
Erdreich ein und lösen uns auf, ob gewaltsam, ob gütig,
ob uns windend vor Qualen oder ob wir meinen,
daß wir blieben erhalten als wir. Sofern wir die Fragen,
uncool ward, wer sie stellt, nicht verdrängen. Um unsre Kurzweil.
Lästig sind sie und stören den Absatz, störn das Vergnügen,
das euch die Tage lockert und, scheint’s, pläsierlich euch leichtmacht:
Simpel besser, als daß wir, unharmonisch einander, bohren.
„Mach dich mal locker!“ ruft’s von den ökonomischen Rängen.
Positive thinking. Man weiß. Und das reicht. Auch das ist Glaube.
Aber. Wir leiden ja doch, nur zeigen wir’s nicht und zergrinsen’s
wie auch die Lust, die nicht mehr ernst sei, vielmehr praktikabel,
formlos zuhanden, demokratisch pc. Profaniert ist der Mythos.
Disponibel grätscht jedes Geheimnis für billigsten Jux sich,
würdelos tanzend selbst der Vampir, selbst die Trauer des Biestes,
da es die Schönheit gefällt hat. So tragisch. Den Musicals lustig.
Wenn’s denn rentiert, wird aus fällen Gefallen. Begeistert entgeistert
klatscht ihr dem zu! und wollt den dunklen Grund nicht berühren,
jenen u n t e r dem Lächeln. Was mir den Glauben nahm, fragst du?
Entertainment und wie wir’s schänden, was unser Teil ist,
einziger Teil, das uns heraushebt: Illusionen zu schaffen.
Und: Sie zu ehren. Götter, Liebe, Seelen in Bäumen,
Nixen in Flüssen, Mütter aus Bergen, Elfen, Morganen.
Wenn wir auch wissen, sie sind nicht. U n d es zu wissen. Und nicht sie,
weil sie nicht sind, benutzen. Doch wir halten’s nicht aus und bezweifeln
beides und machen’s uns käuflich, damit’s uns nicht nahkommt.
Machens zum Ding, das wir wegstellen können, wenn wir’s nicht brauchen.
Brauchen’s doch stets! Die Eindeutigkeit ist unser Verderben,
daß aufeinander nicht stimmen stimmige Logik und Träume.
Eines will darum das andre entheben. Nur spürn wir, das geht nicht.
Darum flachen wir beides und tauschen’s um flüchtigen Vorschein.
S o wolln wir ganz sein, z u m i n d e s t so, und machen’s uns einfach.
Werden’s so aber auch und erst recht nicht. Und feiern noch lauter,
sentimental verkitscht. Wir w a r e n nie ganz, uneindeutig
sind wir, hälftlings zu einem paradiesischen Himmel gezogen,
der nicht ist, was wir wissen, so wenig wie das letzte Geheimnis,
das wir fürchten, w e i l es nicht ist. Und wohlfeil verscherbeln
wir, was uns als Gabe vermacht ist, den zeugenden Irrtum:
kreativ perzeptive Geschöpfe, die, wenn sie sehen,
das, was sie sehen, erst damit erschaffen. Nicht meßbar, doch wirkt es,
und es bestimmt durch die Haltung die Handlung, ob lindernde Strahlung
sei in den Steinen, ob nicht, ob Bachblüten heilen, ob Hände,
zaubernd aufgelegt. Es ist Unfug, doch hilft er. Seht doch!
D a s ist ein Wunder. (Es wurde Tag – du sannst drin, mein Junge,sannst an der Regnitz wie einer, der es schon weiß -, wurde Abend,
nächste Nacht, ein nächstferner Morgen, ward jetzt. So verweint
abermalig die Scheiben. Hoch sind sie, türhoch, sie reichen
bis an die Decke dem Studio, darin ich rauchend sitze.
Es war fünf, der Wecker ging, es ward sechs, ich erhob mich,
um zu schreiben: d i e s e s, und was einer tut, der es sucht: sich
und was gemeinsam uns ist und uns trennt. Doch heut ist der Himmel
farbig: rot steigt die Sonne, unten ist das zähe
Reich dunkler Wolken, uns z u, rot entzündet, und Grünes zupft es
so auseinander, und Blaues flockt’s weg. Ich tret in die Türe,
ums zu betrachten; zu verschliert sind die Scheiben vorm Schreibtisch.)
Wunder, sagt’ ich und weiß doch, C., auch dies ist letztlich
Physiologie. Sie wär aber nicht ohne Glauben, wäre
S o nicht, wie sie drum ist; es gäbe Musik nicht, nicht Schauer,
gäb nicht ergriffenes Schauen, gäbe nicht Stolz und nicht Kühnheit,
nicht gäb es innere Kraft noch die Hoffart, die etwas durchsetzt,
das der Weltlauf, der materielle, nicht will. Hingegen
Wissenschaft ist Notwehr, schrieb ich das schon? sie ist Abwehr.
Aber auch sie heilt. Vernichtet zugleich, was uns schöpferisch ausmacht,
das, was uns schön werden läßt. (Längst wissen wir: Kindchenschema,
augengroß – es täuscht, ’s ist der Abstand nur zu den Brauen,
klein und zärtlich das Kinn, Statistiken haben wir drüber,
sprechen dennoch von der Schönheit der Frauen, interpretiern sie,
schaffen sie, so ganz in uns, auch das, C., ist Glaube, und fühlen’s.)
Daß ich nicht wegdenken kann! Daß ich’s sehen muß, immer beides!
alles simultan! gerissen zwischen Klarheit und Wähnen:
Das ließ den Glauben an Übersinnliches schwinden,
aber ihn mich weiterträumen, nun jedoch, in den Künsten,
Übersinnliches willentlich dichtend, ein gutes Als-ob, ein
Adelndes, das uns heraushebt und singt wie Tiere nicht können.
Doch es entbindet uns nicht, daß Tiere wir bleiben, b e f r e i t nicht.
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