7.59 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]Während’s die Leser durchwärmt.
hat’s den Dichter weggelärmt.Bin wieder völlig in „24“ abgetaucht; sowas ahnte ich schon, und die Zeit ist wirklich nicht gut für so eine Pause, aber ich muß da jetzt durch. „Du bist halt ein Suchtcharacter“, sagte die Geliebte gestern morgen, als wir telefonierten. Nahezu 15 Folgen, also mehr als elf Stunden diese in ihrem Spanungsaufbau unvergleichliche Serie am Stück angesehen; 5 Folgen fehlen mir noch, die werden heute die Fahrt nach Tirol sehr kurz werden lassen. Ich bin mir sicher, ich werde, wie schon über die vierte Staffel, auch über diese fünfte etwas schreiben, auch wenn die Grundfragen imgrunde dieselben sind. Und irgendwie, obwohl ich d r i n g e n d anderes zu tun habe, will mir mein Absinken in den Film ‚richtig’ vorkommen. Es hat etwas damit zu tun, daß einer sich einläßt, komplett, mit Haut und Haar. Und es ist ein objektiver Vorteil meines Berufes (und das, womit er geschlagen ist), daß alles, wirklich alles Material weiteren Dichtens wird.
Immerhin hab ich ein gestern begonnenes Gedicht fertiggeformt – oder f a s t fertig doch; jedenfalls so weit, daß ich’s in ein Kuvert stecken und der Empfängerin zuschicken konnte. Ich stell es hier nicht ein, verzeihen Sie, Leser. Denn das ist erstmal privat; über diese Imprimatur entscheidet wer andres, nicht ich.
Auf die Protokollierung eines „Arbeitsfortschritts“ verzichte ich für gestern.
Um 12.50 Uhr geht der ICE nach München, dort steig ich in den Zug nach Innsbruck und werd dann abends am >>>> Festival angekommen sein. Sofern ich dort einen Internetzugang haben werde, der mich finanziell nicht entdarmt, erzähl ich auch von dort. Ich habe mich entschlossen, aus den Elegien öffentlich zu lesen, und ich werde wieder einmal die Vergana lesen, eine Erzählung, von der ich meine, sie habe das Überpersönliche und zugleich Ergreifende ganz genau so erreicht wie nun bisweilen das eine und/oder andere Gedicht. Dieses Überpersönliche und Ergreifende gibt es in der Literatur nicht sehr oft, wenn man mal so über die Jahrhunderte schaut; es gibt das aber oft in der Musik, in ihrem Ausdruck.
Ich stell jetzt gleich meine Sachen zusammen, schaffe hier Ordnung im Studio, dusche und rasiere mich (das unterblieb vor twentyfour-Wahn gestern auch, Junkie halt), und wenn Zeit bleibt, geh ich vor meinem Aufbruch noch etwas an den PETTERSSON.
13.16 Uhr:
[ICE Bamberg-München. Für Tirol (Innsbruck/Hall).]
Hab mich fast in der Zeit vertan, als mir einfiel, daß ich vielleicht einmal meine sämtliche Gedichte ausdrucken sollte, um sie mir mal im Ganzen auf Papier anzuschauen. Einen Ordner „Gedichte“ hab ich nämlich noch gar nicht. Ich wurde damit nicht fertig, der Drucker streikte zwischendurch mal, dann mußte umformatiert werden usw. Jedenfalls wär ich fast zu spät am Bahnhof gewesen. Dann aber kam der Zug verspätet, und es war sogar noch Zeit für einzwei kleine Erledigungen (Fahrtkarte Kuftsein-Innsbrück und zurück, einen Brief an meinen Jungen aufgeben). Jetzt atme ich erstmal durch. (Merke gerade, daß ich in der Hast blöderweise meine kleine Digitalkamera auf dem Bamberger Schreibtisch liegengelassen hab. Nun muß ich halt mit der schlechten Auflösung der Handycam zurechtkommen. Und Sie müssen’s, sollte ich Bilder einstellen, auch.)
18.30 Uhr:
[Tirol. Parkhotel Hall. Joni Mitchell, Both Sides Now.]Angekommen, herzlichster Empfang. Das ist >>>> ein wunderbares architekturmodernes Glashotel http://www.parkhotel-hall.at, wie ein Turm, ich mag sowas ja. Frei die Zimmer mit sehr viel Licht und Blicken aufs Gebirge. Außerdem gibt es kostenlosen Lan-Zugang zum Netz direkt am Zimmerschreibtisch; sogar einen Laptop hat man dem Gast zur Verfügung gestellt. Hab erst mal Ratzfelix etwas rumlaufen lassen; es war ihm alles aber wohl unheimlich, und flugs huschte er in seinen Käfig zurück. Um 19 Uhr ist allgemeines Treffen unten im Foyer; ich erzähle Ihnen deshalb später mehr.
Vorlesen Eine Frage und Die Vergana
Jedesmal wenn die Presse Sie erwähnt, gebraucht der Journalist das Partizip: „Umstritten… der umstrittene Autor von usw…“. Wie empfinden Sie dieses Wort?
Dass Sie die Vergana fürs Vorlesen gewählt haben, ist meiner Meinug nach eine sehr gute Wahl. Diese Novelle – aber Sie erklären es viel besser als ich – ist eine Ausnahme: objektiv und subjektiv zugleich. Das Schuldgefühl entspricht genau unseren unbewussten Trieben. Ein Albtraum also, und für die Zuhörer wohl sehr ergreifend, da Sie da vor ihnen stehen/sitzen, Ihren eigenen Namen innerhalb der Erzählung zitieren. Diese Novelle hat ebenfalls den grossen Vorteil, indirekt auf die Ausbeutung der dritten Welt durchs Abendland anzudeuten. Wir fühlen uns betroffen, weil wir uns mit dem Ich-Erzähler identifizieren, nicht mit dem was er vielleicht macht, sondern mit dem wovon wir nachts träumen. Eine leichte Ironie zieht durch den ganzen Text hindurch und lässt den eventuellen Hörer stets lächeln, indem er trotzdem Angst vor sich selbst bekommt. Und die Mischung von Humor und Entsetzen ist ausserordentlich wirksam. Man kann sich mit Ihnen fragen, warum die Erzähler einen solchen Ton selten benutzen.
gibt es denn zu den umstrittenen kritikern einen link??… habe bisher noch keine kritk zu den buechern von herrn herbst gelesen… wo gibts die denn??… danke schon mal!
@andante. Etwa >>>>h i e r. (Klicken Sie dort den Link auf die FAZ-Kritik von Martn Halter an. Oder in der nahezu gesamten Berichterstattung über das verbotene Buch. Und so weiter, Sie müssen einfach nur ein bißchen googlen. Vieles davon finden Sie auch in meiner über die >>>> fiktionäre Website herunterladbaren >>>> Pressemappe. Außerdem geht >>>> Claudia Aigners Kommentar von heute früh in dieselbe Richtung. Woher nehmen sich die Leute das Recht zu solchen Invektiven? „Von Adel keine Spur“, schreibt diese Frau. „Hauptsache, das Licht der Öffentlichkeit leuchtet“? Die Invektiven werden übrigens um so größer, je dümmer jeweils die Angreifer sind. Und je uninformierter. Ästhetische Kenntnis wird durch moralisches Urteil unterschoben. Und dann kommt es auf ein richtiges „das“ auch nicht mehr an.
Die Umstrittenheit… … lieber Herr Prunier, von ANH ist eine journalistische Schlampigkeit. Wäre esso, würde man sich ja öffentlich tatsächlich streiten, dann müßten aber einige Betriebler das Visier fallen lassen und sagen, was ihnen an Herbst nicht paßt. Und da würde man feststellen, daß dieses Nicht-Passen viel mehr mit der Person des Dichters als mit seinem Werk zu tun hat.
Mit dem setzen sich nämlich ebendie Journalisten, die die Umstrittenheit behaupten, selten bis gar nicht auseinander. (Wie sie auch im Falle Grass erst aus der FAZ erfahren mußten, welcher Sprengstoff im Leseexemplar der „Zwiebel“ steckte – sie hätten nur mehr als den Klappentext lesen müssen… Feinstes Beispiel: das Journal „Bücher“ (www.buecher-magazin.de), das brav „Neues von Grass“ verkündet – aber der Herr Chefredakteur Lischka haben sich halt auch nicht die Mühe gemacht, mal INS Buch zu schauen. – Soviel zum Thema, wie ernsthaft sich Journalisten mit etwas auseinandersetzen…) Und in diesem Kontext ist eben UMSTRITTENHEIT ein fein ambivalentes Wort, das nicht Farbe bekennt. Wenn ich über etwas Umstrittenes schreibe, hebe ich mich aus der Masse heraus, muß aber – als „objektiver“ Berichterstatter – nicht sagen, ob ich dafür oder dagegen bin. Sodaß ich immer sagen kann, wie letztlich eine Beurteilung ausfällt: Ich habs doch immer gesagt: Der ist umstritten….
umstritten – ein Wort mit „tritten“ Es ist umstritten, ob Herbst umstritten ist. Man streitet um. Hin und her.
Dornseiff gliedert das Wort „umstritten“ in folgende Sachgruppen ein:
11.12 Logisches Denken
12.46 Widerlegung
11.21 Ungewissheit, Misstrauen
15.48 Streit
Somit scheint der Begriff „umstritten“ teils negativ belegt zu sein. Die Eingliederung in „11.12 Logisches Denken“ gibt mir jedoch Hoffnung!
Warum Herbst umstritten sein soll, konnte ich auch nicht herausfinden. Geht es hier um Thesen, die aufgestellt wurden? Geht es um die Form, die Art der Literatur die er schreibt? Geht es um das Bad im Meer(e)? Keine Ahnung.
Wäre ich Autor, wäre der Terminus „umstritten“ nicht der schlechteste welche, impliziert er doch, das um mich gestritten würde, und das ist allemal beruhigender als die lähmende Ignoranz, mit der einige andere Autoren bedacht werden. Denn diese Autoren gibt es zumindest im Licht der Öffentlichkeit nicht. Obwohl natürlich das Licht der Öffentlichkeit nicht immer erstrebenswert sein muss. Oder wird man jetzt geadelt, wenn man Zustimmung von Frau Heidenreich bekommt? Da wäre mir ein Verriss von Marcel Reich Ranicki noch lieber – natürlich vorausgesetzt, ich wäre ein Autor. Tja, bin ich aber nicht. Ich bin so unbedeutend, dass ich nicht einmal umstritten bin! 😉
Unbestritten ist Hr. Herbst ein umstrittener Autor. Er umstreitet sich selbst. Was ist daran zu bestreiten? Es ist seine Art, Kampf zu produzieren und auch zu geniessen. Streit dient der Positions-Bestimmung und belebt die Sinne. Doch von Adel keine Spur. Hauptsache, dass „Licht der Öffentlichkeit“ leuchtet!
Siehe auch: http://claudiaaigner1.twoday.net/
@claudia aigner. Auf Ihre mir unverständliche Unterstellung bin ich soeben >>>> h i e r eingegangen. An sich sollte ich Ihnen nicht einmal das auf Ihren Kommentar schreiben, sondern Sie in die Mappe legen, auf der „kann man vergessen“ steht.
Lieber Hr. Herbst! Völlig in die falsche Kehle gegangen, der Punkt ist doch: Sie unterscheiden zwischen Kampf und Krieg. Sie sehen sich – zu recht – als Kämpfer, Sie genießen den Kampf auch, er verschafft Ihnen Gelegenheit, die Positionen zu klären.
Auf meinen Kommentar haben Sie sofort kämpferisch geantwortet. Aber ich habe mich auf Strombergs Beitrag bezogen, der das Wort „umstritten“ nicht so negativ besetzt sieht wie Sie! Er relativiert die „Adelung“ durch Heidenreich, Sie haben das doch auch gelesen. Kein Grund also, so tarantolös zu reagieren! Und ich meine das im Ernst: „Hauptsache, dass „Licht der Öffentlichkeit“ (Stromberg) leuchtet!“, wir befinden uns derzeit darin.