Arbeitsjournal. Mittwoch, der 27. September 2006. Bamberg. Berlin.

7.38 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Abermals verschlafen, bzw. n i c h t, sondern als der Wecker schellte, schaltete ich ihn aus und blieb absichtlich liegen. Ich hab so etwas wie eine Arbeitshemmung bei dem Libera me, eine Inspirationslähmung, kann man sagen. Vielleicht drängt sich am Ende des PETTERSSON-Requiems das Liturgische zu sehr vor – wobei ich eben bemerkte, daß ich „liturgisch“ eigentlich falsch verwende oder aber auf eine bemerkenswerte Weise verquer-richtig: so, als wäre ein Gedicht ein sakraler Gegenstand, also ein D i n g. Bedenke ich die mir eigene Abneigung gegen Monotheismen, dann wird diese Lähmung eigentlich sogar verständlich, dann hat sie einen (bislang unbewußten) Grund. Vielleicht l ä ß t sich nämlich ein Libera me nicht gottlos denken, bzw. ‚denken’ schon, aber nicht sinnlich-fühlbar gestalten. Ich operierte ganz entsprechend gestern schon mit der Pluralisierung des Gottes zu Göttern (Göttinnen) in ein Liberate me, das sich aus einem vorgängigen Liberate me entwickelt. Wobei schon die Verwendung lateinischer Wörter den Fluß stört.
Na gut. Ich muß hier heute morgen klarschiff machen, was einige Putzarbeit bedeutet. Denn ich kehre ja erst nach der Buchmesse hierher zurück und dann mit der Familie. Da soll hier nichts kleben, stinken oder sonstig unangenehm sein. Vor allem muß ein Raum geschaffen werden, wo sich auch jemand anderes für zweidrei Tage einrichten kann. Das hat absoluten Vorrang. Ist das erledigt, hock ich mich wieder ans Pettersson-Stück. Und um 13.09 nehm ich den ICE. So bleiben mir auf jeden Fall vier Stunden für konzentrierte Arbeit.

13.26 Uhr:
[ICE Berlin-Bamberg.]
Nun also bereits im Zug, vor Putzerei kam ich g a r nicht mehr an die Arbeit. Der Kühlschrank, Leser, war eine Katastrophe, das war mir schon vor mir selber peinlich. Dann erschien – prima, dachte ich – die Putzfrau für Bad und Böden. Sie war derart schlecht gelaunt, daß wir binnen kurzem aneinandergerieten; die meisten Stipendiaten haben sie aus diesem Grund längst abbestellt. „Sie benehmen sich ungehörig“, sagte ich, schnappte zwei Hemden zum Bügeln, ging aber mit denen über der Schulter ins Sekretariat und ließ erst mal Luft ab. Insgesamt. Denn es ist einiges zu erzählen über die Haltung des Hauses den Stipendiaten gegenüber: das Haus hält sie, kann man sagen. Nun war mir klar, daß ich die Angestellten in einen Loyalitätskonflikt brachte und sagte ihnen das auch. Dabei sprach ich bewußt so laut, daß Direktor und Co-Direktorin mitbekommen m u ß t e n, was ich klagte; aber der Direktor war, erfuhr ich dann, nicht da, und die Co-Direktorin ließ ihre Tür fein zu. Gut. Ohne daß mir jemand deutlich sagte, was Sache ist, bekam ich nun den Eindruck, es gehe auch der Putzfrau mit dem Haus nicht sehr gut; offenbar hat sie Grund, tief frustriert zu sein. Das bekommen dann die Stipendiaten ab, gar nicht absichtlich, klar, sondern aus der Dynamik der Situation heraus. Also sprach ich die Frau später noch einmal an. Und jetzt wurde alles freundlich, „wir haben beide überreagiert“, sagte sie. Und kam mir dann auch anderweitig entgegen. Das ist nun, denke ich, geklärt. Und ich kann sie, was ich eh immer tun wollte, fragen, was sie dafür haben möchte, wenn sie bei mir etwas mehr putzt als nur Bad und Böden, vielleicht auch mal nach dem Kühlschrank schaut (ANH räuspert sich) und die Kochnische mitsäubert. Der Schreibtisch allerdings bleibt heikel, an den ließe ich nur meine gute Berliner Elisabeth.
Wie auch immer, es bleibt viel zu erzählen über das Verhältnis der Heimleitung zu ihren Verwaltungsobjekten. Ich will das auch tun, zum Beispiel über Schlüsselverluste und Schließanlagen, über Schlüssel insgesamt, über Obrigkeitshörigkeit, Wechselsprech- und abgeknipste Türöffneranlagen, über private Fürstentümer usw. Ganz ganz viel, seien Sie sicher. Nur heute tu ich das nicht. Nicht, weil ich mich scheute, sondern weil ich jetzt anderthalb Wochen lang nicht in Bamberg sein werde und weil man es mir, wenn ich solch einen Text ausgerechnet dann publiziere, als Feigheit auslegen könnte. Ohnedies hat mich der Bayerische Kulturreferent ja bereits wegen meines >>>> Zaun-Artikels einen schlechten Schriftsteller genannt. Wenn er das das nächste Mal tut, möcht ich halt gern in der Nähe sein.
Leser, ich weiß s c h o n, was ich riskiere. Ich hätte ja gerne, daß die Bamberger Elegien in der kleinen, sehr schönen, gebundenen Literaturreihe des Hauses herauskommen, und so etwas entscheidet allein die Direktion. Aber da ich mich noch nie nach der Decke streckte, sondern lieber die Decke nach mir – und wenn sie’s nicht zuläßt, dann bricht sie halt durch -, werd ich auch diesmal nicht nach Vorteil, sondern rein nach Sachlage schreiben – freilich so, ich sie sehe. Es mag durchaus andere Perspektiven geben, und ich bin bereit, sie auch hier in Der Dschungel laut werden zu lassen. Wär doch fein, fände sich etwa jemand aus der Direktion in unsrem Regenwald als die Machete schwingender Kommentator ein, vielleicht sogar mit Klarname und n i c h t anonym. Das wär dann mal was, das Achtung erheischte.
Sò. Ich mach mich an das Libera me.

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