Ich weiß, die Leute ärgern sich darüber, daß jemand vermessen sei.

Sie >>>> haben internalisiert, daß jemand, der etwas zu sagen habe, es nicht unbedingt sage; und daß jemand, der etwas geleistet hat, auch damit hinterm Berg hält.
Das ist eine schöne Haltung, aber auch sie ist – Glaube. (Der interessanterweise bei Firmen n i c h t sticht, und niemand nimmt Firmen das übel. Ganz selbstverständlich darf, sagen wir, Mercedes Benz, seine Produkte preisen; kein Mensch käme auf die Idee, deshalb keinen Benz zu kaufen. Im Gegenteil, man wird neugierig. Und, wenn es gutgeht, überprüft’s. Beim Einzelnen, etwa dem Künstler, findet, w e i l er seine Arbeit anpreist, eine solche Prüfung nicht mehr statt. Auch hier also wird der Ökonomie geglaubt, nicht aber dem einzelnen Bekenntnis. Egal, welchen Folgen es sich aussetzt. Oder, um es religiös zu formulieren, welchem Martyrium.)

Bei alledem wird vergessen, daß understatement eine Form der Arroganz ist. Die man sich zum einen leisten können muß und die zum anderen – täuschen will.

5 thoughts on “Ich weiß, die Leute ärgern sich darüber, daß jemand vermessen sei.

  1. Interessant …was Sie in das Einstellen dieses Aphorismus hinein interpretieren.

    Ich fand ihn heute, als ich etwas zum Thema Bücher suchte und musste gleich an Sie denken. Wichtig bei einem Schrifsteller ist doch was er zu sagen hat und nicht, wieviel.

    Viele Büchlein waren für mich beeindruckender, als so manche dicke Schwarte. Auch der klügste Kopf neigt auf 800 Seiten und mehr zu Wiederholungen. Als ich letzte Woche das Parfum sah, merkte ich, dass ich über 20 Jahre nach der Lektüre, viele kleine Details noch im Kopf hatte. (Ich berauschte mich damals täglich an dem Duft meiner noch sehr kleinen Kinder und finde noch heute, dass in den ultimativen Duft dringend attraktive Männer und Säuglinge gehörten ;-))

    Um noch einem anderen Satz zu zitieren (ich weiß leider nicht mehr, von wem): Viele Künstler wurden zu Unrecht vergessen, aber keiner blieb zu Unrecht unvergessen.

    PS.: Ich nannte die Quelle, weil ich mich ungern mit fremden Lorbeeren schmücke. Nennen Sie es meinetwegen Attidüde der Bescheidenheit.

    1. „Viele Künstler wurden zu Unrecht vergessen, aber keiner blieb zu Unrecht unvergessen.“ Sie sind voller Vorurteile. Und kunstdarwinistisch gesonnen. Ohne, wahrscheinlich, Darwin gelesen zu haben.

      Hätte es nicht einige (hart tätige) Arbeiter der Erinnerung gegeben, wüßten wir heute nichts mehr von Schreker. Etwa. Daß Sie von dem Parfum viele Details in der Erinnerung hatten, mag an Ihnen liegen. Ich meinerseits habe mehr Details von Joyce in der Erinnerung. Und von Jean Paul. Und meine (sehr einfache, großartige) Großmutter hatte immer Details von Konsalik in der Erinnerung, den wiederum ich furchtbar finde. Das ist also alles sehr relativ und sagt wenig aus.

      Im übrigen ist Wiederholung nicht Wiederholung. Die Frage zwischen uns ist: Welche meiner Bücher lasen Sie denn? Und falls Sie lasen und davon nichts in Ihnen zurückblieb, was wollen Sie dann noch hier? Sagen Sie doch einfach: Interessiert mich nicht. Und lassen Die Dschungel in Ruh. Ich brauche Sie – ganz sicher – nicht, und Sie brauchen – möglicherweise – mich nicht. Wenn das so ist, dann läßt man sich in Ruh und wendet sich den Büchern zu, die einem wichtiger sind. Ich lese ja auch nicht auf Seiten, die mir nichts geben. Für mich gehört Das Parfum n i c h t zur großen Literatur, ‚mein‘ WOLPERTINGER aber schon. Für mich hat Süskind sogar g a r nichts zu sagen; außer Gefühligkeit und mainstream. Aber ich nehme es niemandem übel, wenn sie/er diesen Roman dennoch gut findet. Soll er, sag ich mir, oder: soll sie. Und schreib mein eigenes Werk weiter.

    2. das mercedesbeispiel ist… ein interessanter gedankengang nur geht es in diesem fall um ein sich selbst darstellen wie bei jedem label,eine manipulation die suggerieren soll,du bist wer,wenn du dieses auto fährst,diesen mantel trägst …skurilerweise trägt sich die werbung ganz von selbst durch eigentlich überteuerte preise…dieser mechanismus ist aber für viele leute eben nicht anwendbar in dieser struktur,nämlich die,die das erkennen und ablehnen…(oft menschen mit ausgeprägter persönlichkeit) …und ich stelle mir vor,dass genau diese charaktere in dem „kunstkonsumenten“ vorherrschen,dem es per se suspekt ist,wenn jemand sich selbst lobt oder anbietet…natürlich werden diese menschen genauso manipuliert nur in anderen strukturen wie kritiker,andere künstler oder noch besser insidern,das hat den hauch von etwas selbst entdecken(was sie meist aber gar nicht tun) und nicht im mainstream schwimmen…deshalb befremdet mich das wort mainstream nicht so sehr ,denn in bestimmten kreisen finden diese mechanismen zwar übersetzt aber genauso statt…

  2. das ist meiner beobachtung nach aber eher kulturspezifisch, und erscheint mir besonders hierzulande, nach norden hin zunehmend, und in den skandinavischen ländern stark ausgeprägt – möglicherweise eine stark evangelisch-protestantisch geprägte haltung. in anderen gegenden den welt würde man damit schnurstracks untergehen. hier dagegen beweist die beherrschung eben dieser form des understatements inkl. der notwendigen netzwerkerei, um es sich leisten zu können, dass man die wesentlichen sozialen mechanismen beherrscht und erfolgreich anzuwenden weiss. nicht mehr und nicht weniger als das gekonnte(!) offensive zurschaustellen der eigenen leistung anderswo, unterm strich ist das ergebnis das selbe.

    was die produktwerbung und konsorten anbelangt scheint mir (spontane einschätzung!) dieser bereich zum einen erheblich weniger vom individuellen sozialen funktionieren geprägt, sprich: überindividuell. insofern sind dort dinge gängig und möglich, die beim einzelnen nach wie vor verpönt sind. zumal, im gegensatz zum gesamten künstlerischen oder wissenschaftlichen bereich, der marktcharakter weder verschleiert werden muss noch kann. und zum zweiten entspringen kunst, wissenschaft und verwandtes als priesterkastentätigkeiten dem sakralen bereich, dafür galten und gelten nunmal andere soziale gesetze als für krieger, bauern/arbeiter und kaufleute, auch wenn die grenzen dazwischen längst sehr fliessend sind.

    und ganz allgemein kann ich nur immer wieder bourdieus «die feinen unterschiede» empfehlen.

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