6.04 Uhr:
[Berlin, Schönhauser Küchentisch.]
Um halb sechs hoch. Zur Arbeit werd ich heute kaum kommen, da mein Junge sein erstes Fußballturnier hat, ich ihn begleiten muß und auch will, und weil das ausgerechnet morgens stattfindet, also in meiner Hauptarbeitszeit. Da solche Turniere nunmehr öfter stattfinden werden und wohl i m m e r am Wochenende und vormittags, werd ich da eine Lösung finden. Das Ganze ist auf eine Arbeitswirklichkeit ausgelegt, die von künstlerischer Arbeit nichts weiß, nämlich voraussetzt, es gebe für Eltern arbeitsfreie Wochenenden, also Freizeit. ‚Freizeit‘ aber widerspricht j e d e r künstlerischen Wirklichkeit. Es gibt in künstlerischen Berufen so etwas nicht.
Eine erste Kritik kam gestern nacht noch von UF, dem ich von der „Ersten Endmischung“ >>>> des Pettersson-Requiems eine mp3 anfertigte und rübermailte; er hörte sofort. Und was er einwendet, trifft auch meinen Eindruck. Es geht um einen der Sprecher, den, der erst nachmittags zur Produktion hinzukommen konnte und der ‚ohne Herz’ spricht, ausgesprochen klar in der Intonation, aber immer, wenn er ‚ein Anliegen’ erzählen soll – gerade in den Hexametern – zu agitieren beginnt. Da hätte man proben, proben und nochmals proben müssen, ihm die professionelle Glätte aus der Stimme nehmen, ihn trietzen und trietzen, streicheln und wieder trietzen müssen, bis der richtige Ton getroffen worden wäre (der eben gerade n i c h t professionell sein darf, sondern zwar insistierend sein muß, aber bedingungslos und mit gleichsam dem ganzen Körper gesprochen: „dieser klagend-fordernde pettersson-sound widerspricht dieser stimme, sie vermittelt keine ernsthaftigkeit, keine leichtigkeit“, schreibt UF). Dafür ist aber in der Produktionswirklichkeit von Features rein zeitlich gar kein Platz: der Mann war zwei Stunden da, nicht länger. Daß alle anderen Sprecher d a waren, seelisch da, lag bei den älteren Herren an ihrer langen Lebens- und Schauspielererfahrung und bei der Assheuer daran, daß ihre Stimme die Gabe hat, ‚einem die Zunge auf die Seele zu legen’ (Leukert). UFs Eindruck ist also richtig; an den entsprechenden Stellen hat das Stück eine Schwäche.
Mir bereitet das jetzt Gedanken. Ich bin froh, daß ich die Montage a l s Montage noch hierhab, daß ich noch daran weiterfriemeln kann. Vielleicht schaffe ich es technisch, mit der gemeinten Sprecherstimme noch etwas anzustellen; vielleicht kann man sie elektronisch etwas tiefersetzen, vielleicht auch durch geschicktes Einfügen von Sprechpausen modifizieren. Da muß ich basteln und werde, wenn Leukert aus Donaueschingen zurück sein wird, also am Montag, noch mal mit ihm telefonieren.
Im übrigen hat UF in seiner langen Mail, die er offenbar parallel während des Anhörens schrieb und zu den jeweiligen Stellen, geschwärmt. Mir fällt dazu ein, daß ich in nahezu j e d e r Hörstückproduktion solch eine Schwäche habe, immer wieder war e i n Sprecher/e i n e Sprecherin dabei, der/die’s nicht erfaßte und mit dem/der man eben wegen der jeweils so kurzen Sprecherzeiten nicht arbeiten k o n n t e. Die Ausnahme ist auch hier >>>> San Michele. Da hatte ich die Sprecher aber s e l b s t zusammengesucht, bzw. waren sie aufgrund von Empfehlungen je eines der anderen Sprecher, vor allem Antje von der Ahes, hinzugekommen und w o l l t e n alle das Stück sprechen und faßten es alle von Anfang an so auf, wie es gemeint ist: als Dichtung. Das normale Feature-Sprechen hingegen ist ein Albtraum für Kunst, an dem die meisten Autoren selbst nicht unschuldig sind, an dem der journalistische Ansatz, an dem dieses Pädagogische schuld ist, das die meisten Features trägt.
Jedenfalls hab ich gestern abend das Pettersson-Requiem selbst noch zweimal angehört, habe mir eine CD gebrannt, die ich nun ebenfalls wieder anhöre, weil der Eindruck in der ‚Endmischung’ ebenfalls noch mal ein anderer ist als der aus der Montage. Die Balance verschiebt sich; außerdem werden Nullsignale hörbar, die nicht geplant sind und mit ‚stummer Atmo’ unterlegt werden müssen, damit da nicht plötzlich ein leerer Bruch in die Ohren kommt.