6.19 Uhr:
Grad setz ich mich an den Schreibtisch, noch schlafverklebt, will das DTs notieren, tu’s, schau nach dem Seitenstand der zehnten Elegie, für die mir noch ein guter Abschluß fehlte – da fällt er mir ein, roh noch, ja, aber genau das ist der Weg.
Zurück zur Disziplin.
6.29 Uhr:
[Beethoven, opus 110, Gould.]
Angedeutetes Orange, ein gelber Streifen darüber unter weiterem leuchtenden Türkis und dann sich zum Zenith zunehmend verdunklenden Nachtblau – so schaut jenseits der Regnitz der beginnende Tag im Viertelkreis rechtsschräg über den schwarzen Silhouetten des Hainparks und direkt gegenüber der barocken flachen Hauszeile in meinen Blick. Ein Literarisches Weblog zu führen, bedeutet a u c h, sich in permantem Formulieren zu üben, zu geradezu jedem Anlaß.
Ich huste noch immer, zum mir-selbst-Erbarm!, trüg ich nicht einsteils, der Raucherei wegen, eigene Mitschuld daran. Ich mach’s meinen Abwehrkräften halt nicht sonderlich leicht und sollte mich darob nicht wundern. Jedenfalls bin ich deshalb noch in Bamberg geblieben und werd erst morgen heimfahren. Eben kam mir der Gedanke, ich sollte verreisend auf Entzug gehen, irgendwo hin, wo ich dann nichts andres tue, als rumzusitzen und die ersten Schübe des Nikotinentzugs zu überstehen, vielleicht sogar: sie auszukosten. Paradoxe Intervention. Na gut.
Pensum heute: Die zehnte Elegie abschließen, die elfte beginnen, also die Feldflasche Bamberg für Berlin füllen, damit ich am Wochenende dort gleich weiterarbeiten kann. Der Abschluß von etwas ist, wenn man den Schreibort wechselt, nie gut, sondern man muß es im Fluß tun, dann ist’s egal, wo man arbeitet, dann trägt die Arbeit einen überall. Übrigens ist das der entschiedene Vorteil längerer Arbeiten: es kommt ihnen nicht drauf an, wo sie sich fortsetzen.
Was ich vergaß: Der Stromboli-Auftrag, von dem ich >>>> dort schrieb (12 Uhr), hat sich a l s Auftrag realisiert. Man möchte eine Stromboli-Dichtung von mir haben, in einem Fotoband über den Vulkan, unter anderen Beiträgen, freilich; also wird es kein Honorar geben, aber doch vier freie Tage Aufenthalt auf der Insel, incl. Reise. Wenn es irgend geht, werde ich hinfahren, doch nicht vor Ende Februar wohl, jedenfalls nicht, bevor die zwei neuen Kinder auf der Welt sind. Im Mai soll der Text vorliegen, da werd ich auch März/April noch reisen können. Ich stelle mir – momentan, klar – auch dafür eine Hexameter-Dichtung vor, jedenfalls einen Langzeiler. Aber vielleicht wird mir dann vor Ort auch eine Geschichte einfallen. Und gern nähme ich meinen Jungen mit dahin, der doch von Vulkanen bereits ebenso infiziert ist, wie ich selbst es bin, der an dieser Infektion seines Sohnes allerdings nicht unschuldig ist.
Irgend etwas ist zerbrochen in Bamberg zwischen mir und den anderen. Ich habe das Gefühl von Alleinsein, erstmals, hier. Das Gefühl, mich in der Fremde in eine Höhle eingerollt zu haben, die rein aus meinem Blick hinaus besteht. Der Blick ist gut, aber das Eingerolltsein ist ein Durchhalten.
9.53 Uhr:
[Beethoven, opus 111; Michelangeli, live 1961.]
Sò. Habe beschlossen, daß das selbstmitleidige Kränkeln vorbei ist. Die zehnte Elegie ist in der Rohfassung >>>> abgeschlossen, in der Waschmaschine kochen ersaufend die ins Bettzeug geschwitzten Grippeerreger, gefrühstückt ist, und bevor ich mit der elften Elegie starte, zivilisier ich mich jetzt durch Rasur und unter der Dusche. Danach kleide ich mich. Und bin wieder da. Um den elegischen Hymnus auf die Musik zu schreiben. (Wobei ich den Gedanken, die PETTERSSON-Stücke in die Elegie mit hineinzunehmen, gerade wieder fallenlasse. Besser, ich publiziere sie, zusammengenommen, innerhalb eines etwaigen Gedichtbandes als kleinen eigenen Zyklus).
Meine Herren, in d i e s e r Aufnahme schlägt Michelangeli aber drein! Dem wäre – in seiner arietten Massivität – als Liebhaber nicht auszuweichen gewesen. Und draußen im Barockgärtchen wird seit anderthalb Stunden der allegorische Brunnen, der leider sowieso kein Wasser spuckte, zugebrettert. Vielleicht um ihn ‚winterfest‘ zu machen.Ich hab mal eben die beiden Arbeiter gefragt. Ja, um ihn vorm Winter zu schützen.
11.44 Uhr:
Es – s c h n e i t.